Weltwirtschaftskrise

Weltwirtschaftskrise

Wie ist der Anstieg des DAX zu erklären?

Obwohl wir uns in einer tiefen Weltwirtschaftskrise befinden, steigt der DAX seit 6 Monaten kontinuierlich und hat den Absturz im März 2020 fast wieder aufgeholt. Wie ist das zu erklären?

Von einem Korrespondenten
Wie ist der Anstieg des DAX zu erklären?

Seit 2018 haben wir es mit einer Überproduktionskrise zu tun, die durch die Corona-Pandemie verstärkt wird. In einigen Bereichen ist über Jahre keine Erholung zu erwarten.

 

  • Von Dezember 2018 bis Dezember 2019 sank die Industrieproduktion der 27 EU Staaten um 4,1 %. Die sich da schon andeutende Weltwirtschaftskrise vertiefte sich stark: Von Februar 2020 bis März 2020 sank die Produktion der EU um 11,3 %.
  • In der Automobilindustrie ist die Überproduktionskrise deutlich sichtbar. Für VW ist der Absatz in Europa im Jahr 2020 um mehr als 83 Prozent eingebrochen. Hinzu kommt eine Strukturkrise durch die Umstellung auf Elektromobilität. Hierauf sind die deutschen Konzerne kaum vorbereitet. Die Folge: Entlassungen in der Automobilindustrie und der Zulieferer.
  • Die Tourismusindustrie liegt am Boden. Auf Jahre wird es wohl kaum noch Kreuzfahrten geben. Der Flugverkehr ist bis auf den Frachtverkehr fast vollkommen eingebrochen. Flugzeuge werden nicht mehr verkauft. Gaststätten und Hotels stehen in vielen Ländern leer. Auch hier wird es weitreichende Entlassungen geben.
  • Es wird ein Massensterben von innerstädtischen Geschäften geben. Der Online-Handel hat stark zugenommen.
  • Viele Kleinexistenzen werden aufgeben müssen. Gaststätten, Bars, Diskos, Event-Management etc. gehen pleite. Hier sind aber neben den industriellen Arbeitsplätzen ein großer Teil der Arbeitsplätze in unserer Gesellschaft angesiedelt. Im Handel- und Gastgewerbe sind 6,7 Millionen Menschen beschäftigt.

 

Diese Faktoren werden erheblichen Einfluss auf den Konsum haben. Dieser wird in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen. Auch der Handelskrieg zwischen China und den USA verschärft die Situation. Die Corona-Pandemie hat die internationalen Handelsketten teilweise unterbrochen. Zölle drohen auch auf europäische Waren und der Absatz wird weltweit und besonders in den USA unsicher.

 

Und trotzdem steigen die Kurse an der Börse? Wie kann das sein? Werden die deutlichen Zeichen der Wirtschaftskrise an der Börse nicht verstanden?
Karl Marx nennt das spekulative Kapital „fiktives Kapital“: „Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kreditsystems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweise zu verdreifachen durch die verschiedene Weise, worin dasselbe Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiedenen Händen unter verschiedenen Formen erscheint. Der größte Teil dieses ‚Geldkapitals‘ ist rein fiktiv.“ (Karl Marx, Kapital III, MEW 25, 488 ff)

 

Das im DAX angelegte Geld gehört zum großen Teil zum fiktiven Kapital, das sich aufgrund von Spekulation auf zukünftige Gewinnerwartungen vermehren kann. Die Aktienkurse steigen, wenn immer mehr Kapital in Aktien angelegt wird. Durch die Überakkumulation von Kapital in den kapitalistischen Ländern gibt es viel Geld, das eine gewinnbringende Anlage sucht. Zur Zeit wird diese Anlage vermehrt im „fiktivem Kapital“ gesucht. Die Kurse steigen. „Aller Zusammenhang mit dem wirklichen Verwertungsprozess des Kapitals geht hier bis auf die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem sich durch sich selbst verwertenden Automaten befestigt sich.“ (Karl Marx, Kapital III, MEW 25, 484). Man könnte meinen: Das Geld arbeitet.

 

Aber Geld ist immer nur ein Äquivalent für einen Warenwert. Erst wenn Geld in eine Ware getauscht wird, realisiert es seinen Wert. Es kann bezweifelt werden, ob alle Geldwerte überhaupt in Waren umgetauscht werden können. Die Geldmenge hat sich in Europa seit 1997 bis 2020 verdreifacht (von 4.222 Milliarden € auf 13.790 Milliarden €). Diese Vermehrung des Reichtums erfolgte natürlich nicht in der gesamten Gesellschaft. Die Einkommensunterschiede haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen.

 

Das im Aufbruch zukünftiger Gewinnerwartungen oder durch Wetten auf Verluste vermehrte Kapital hat sich durch die dominierende Rolle der Spekulation scheinbar immer mehr von der industriellen Produktion abgekoppelt. Eine Loslösung vom industriellen Kapital kann es für das fiktive Kapital aber nicht dauerhaft geben, denn der Wert kann nur durch Waren realisiert werden. Daher werden früher oder später die Spekulationsblasen unvermeidbar platzen

 

Dies sind Zeichen einer weltweiten Finanzkrise, die durch den Fall der Aktien offen ausbrechen kann. Die gigantischen Corona-Hilfspakete der einzelnen Staaten so wie der EU sind nur zum Teil eine Unterstützung für die Bevölkerung. Der größte Teil ist eine direkte Unterstützung der Monopole. Das zur Verfügung stehende Geld wird natürlich auch im DAX angelegt. Die Summen sind schwindelerregend und blähen das fiktive Kapital weiter auf. Dadurch wird zur Zeit ein offenes Ausbrechen der Finanzkrise verhindert. Eine Lösung gibt es so aber nicht.