Wichtige Aktionen

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Gestern in Leipzig und Ellwangen: „Jetzt reden wir!"

Erstmalig seit der Gründung und dem Aufbau des „Freundeskreises Flüchtlingssolidarität Regionalgruppe Ost in ‚Solidarität International‘“ vor drei Wochen organisierte er eine kämpferische, mit Sprechgesängen und vielen selbstgemalten Schildern begleitete Demo: „Für ein uneingeschränktes Asylrecht für Demokraten, Antifaschisten und Revolutionäre in Deutschland! Stopp Abschiebungen!“

Von Freundeskreis Flüchtlingssolidarität
Gestern in Leipzig und Ellwangen: „Jetzt reden wir!"
LEA-Bewohnerinnen und -bewohner verbinden sich mit der Bevölkerung (rf-foto)

In sengender Sonne versammtelten sich über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus mindestens zehn Städten und führten eine tausende Menschen erreichende dreistündige Demo in der Leipziger Innenstadt mit Auftakt- und Abschlusskundgebung durch. Alles unter Corona-Bedingungen mit Mundschutz und Abstandsregel.

 

Bemerkenswert war die Entschlossenheit der ca. 70 anwesenden Flüchtlinge, viele aus afrikanischen Ländern, aber auch aus Venezuela und weiteren Ländern, diese Demo zu ihrer Sache zu machen und alles selbst zu organisieren. „Jetzt reden wir!“ - „We fight for our rights!“ (Wir kämpfen um unsere Rechte!). Alle Redebeiträge wurden zumindest in Deutsch und Englisch, manche auch in Französisch übersetzt, um sich an alle zu wenden. Für viele war es das erste Mal, über ihre Fluchtursachen, ihre Fluchtumstände und fatale Behandlung in Europa und vor allem in Deutschland als Menschen zweiter und dritter Klasse zu sprechen - aufgewühlt durch drohende und unrechtmäßige Abschiebung. Das führte zu manchmal herzergreifenden und begreifbaren Längen. Besonders und mit viel Beifall begrüßt wurde als Gast Alassa, der von seinem mehrfach erfolgreichen Kampf um seine Rechte in Ellwangen berichtete.

 

Vertreterinnen und Vertreter von Solidarität International, vom Frauenverband Courage, von MLPD und REBELL hoben den notwendigen organisierten Zusammenschluss in der weltweiten Flüchtlingssolidarität hervor und gingen zum Teil auch auf die Hintergründe der wachsenden Flüchtlingsströme ein. Mehrere klagten den Imperialismus an als Verursacher der Flüchtlingsströme und der menschenverachtenden Behandlung der Flüchtlinge. Der Imperialismus muss beseitigt werden! Es war eine notwendige Demo und zugleich eine gute Mobilisierung für den weltweiten Aktionstag gegen Rassismus und Polizeigewalt am 28. August 2020. Kulturell war auch einiges geboten. Herausragend der Leader der Rockgruppe Nümmes, der eigens ein Lied für die Solidarität mit Alassa sang. Natürlich auch die Gesänge der afrikanischen Brüder und Schwestern!

 

Zur Finanzierung der Flüchtlingssolidarität wurden über 100 Euro Spenden gesammelt und eine gut zweistellige Reihe neuer Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewonnen! In der Signalgruppe des Freundeskreises gab es am Abend viele Grüße. Beispiel: „Hello everyone. It was great to see you all in the meeting and thanks to all!“ (Hallo an alle. Es war großartig, euch alle bei der Versammlung zu sehen, und Dank an alle!)

 

In Ellwangen kamn 25 Bewohnerinnen und Bewohner der LEA Ellwangen zu einer Kundgebung in der Stadt und berichteten über ihre Situation in der Landeserstaufnahmestelle. Sie bekräftigen erneut, was vor zwei Jahren als geflügeltes Wort aus der LEA Schule machte: „Jetzt reden wir!"

 

Sie berichteten über Eingesperrt-Sein und erzwungene Untätigkeit: „Manche von uns sind schon seit zwei oder drei Jahren in der LEA, ohne dass wir verlegt werden und eine Chance für einen Neuanfang irgendwo bekommen. Wir stehen auf, essen, gehen schlafen. Wissen Sie, wie schwer das ist?" fragen sie die interessierten Zuhörer. „Dabei haben wir unterschiedlichste Fähigkeiten, haben Berufe gelernt, etliche haben höhere Schulabschlüsse - wir wollen eine Chance, wollen die deutsche Sprache lernen damit wir uns mit den Menschen hier unterhalten können.

 

Dass sie manchmal mit Misstrauen und Vorbehalten zu tun haben, berichten sie und fordern auf selbstgemalten Schildern auf: „Habt keine Angst vor uns, wir sind keine Kriminellen, sprecht mit uns!" Sie verstehen nicht, warum ihre Ursprungsländer als „sichere Herkunftsländer" bezeichnet werden und berichten von den Gründen, weshalb sie ihr Land verlassen mussten: „Die Rechtssysteme funktionieren nicht, unser Leben war bedroht. Ich bin durch die Hölle von Libyen gegangen – denken Sie, das machen wir freiwillig und ohne Not?"

 

Sie äußern sich auch dankbar für das, was sie bekommen – doch eigentlich wollen sie ihr Leben in die eigenen Hände nehmen, durchstarten und nicht nur warten. Auch die Sorge um die Familien zuhause treibt sie um. Inständig bitten sie die verantwortlichen Politiker um Hilfe und fordern die deutsche Bevölkerung auf, sich mit ihnen zu solidarisieren und sich auch für Rechte der Refugees stark zu machen. Dabei bekommen sie viel Zustimmung von einem wachsenden Kreis von Ellwangern, die ihnen zuhören.

 

Eine Sprecherin des „Freundeskreises Flüchtlingssolidarität" weist darauf hin, dass die Probleme in vielen Ländern Afrikas ein Erbe des Kolonialismus sind und dass die Ideologie des Rassismus Sklaverei, Ausplünderung, Unterdrückung und Völkermord rechtfertigen sollte. Dieser Rassismus wirkt heute noch. Warum sonst wird mit zweierlei Maß gemessen beim Gesundheitsschutz gegen Corona? Warum wird das selbstverständliche Recht, sich an die Presse zu wenden, den LEA-Bewohnern nicht zugestanden? Pressefreiheit gilt für alle! Menschenrechte gelten für alle! Sie fordert die Flüchtlinge dazu auf, sich im Freundeskreis zu organisieren.

 

Ein Redebeitrag einer Ellwanger Flüchtlingsaktivistin zeigte die spalterische Wirkung des Antikommunismus: sie unterstellte der MLPD, dass sie die Flüchtlinge „vor ihren Karren spannen" wolle. Offenbar kann sie sich nicht vorstellen, dass es eine Partei gibt, die die Selbstorganisation der Flüchtlinge vorbehaltlos und ohne Eigennutz unterstützt – schließlich ist das bei bürgerlichen Parteien nicht gerade üblich, die bekanntlich gerne jede Chance nutzen, um sich selbst zu profilieren.

 

Darum war der Hinweis sehr berechtigt, dass die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!" auch notwendig ist, um den Zusammenschluss zwischen Selbstorganisation der Flüchtlinge und Arbeiterbewegung voranzubringen. Aktivisten der MLPD sowie aktive Gewerkschafter klärten auf: „Warum unterstützt die MLPD die Selbstorganisation der Flüchtlinge vorbehaltlos? Weil die Flüchtlinge, die zu uns kommen, Arbeiter sind und Arbeiter international zusammengehören! Wir müssen zusammenhalten und gemeinsam kämpfen – gegen Massenentlassungen, für politische Rechte, für eine bessere Zukunft!"