Belarus

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Hintergrund: Das Ringen von EU und Russland um die Vorherrschaft über Belarus

Die Hauptforderungen von Swetlana Tichanowskaja und ihrem Mann Sergej Tichanowski sind blass formuliert, als wollten sie ihre wirklichen Ziele nicht nennen.

Von dj
Hintergrund: Das Ringen von EU und Russland um die Vorherrschaft über Belarus
In Belarus sind die Massen auf der Straße (foto: screenshot)

Sie sagen nicht, wie es in der Ukraine auf dem Maidan war, „Anschluss an die EU“, sondern: Neuwahlen, Entlassung der politischen Gefangenen und „Unabhängigkeit des Landes“ oder „Veränderung“. Aber Sergej Tichanowski setzt auch hinzu: „Ich bin kein Russlandfreund“. Freunde hat er allerdings in der EU. So titelte die FAZ am 5. August: „Die EU muss die Eigenständigkeit von Belarus stützen“.

 

Belarus mit seinen 9 Mio. Einwohnern liegt wie ein Pufferstaat zwischen EU und Russland. Bedrängt von beiden Seiten. In Belarus wurden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die meisten Fabriken und die Landwirtschaft nicht privatisiert. So dass es heute nur wenige Oligarchen gibt. Der Großteil der Industrie ist staatlich.

 

Von Russland erhielt Belarus bisher zu russischen Inlandspreisen Erdöl, das hier in großen Raffinerien zu Diesel und Benzin verarbeitet, dann in den Westen verkauft wurde. 8 Mrd. Euro flossen jährlich aus diesem Geschäft in die Staatskasse. Auch sonst exportierte das Land Milch, Traktoren, Kühlschränke, Busse und Textilien - vor allem nach Russland, aber auch in die EU. So dass auch bestimmte soziale Bereiche erhalten blieben: Schulen, Krankenhäuser. Das ändert sich jetzt im Zusammenhang mit der begonnenen Weltwirtschaftskrise und der Corona-Pandemie.

 

Russland hat seine Ölexporte nach Belarus drastisch eingeschränkt und das Land war gezwungen, Öl aus den USA für seine Raffinerien einzukaufen. Russland will insgesamt mehr Profite aus dem Handel mit Belarus ziehen und sämtliche Sonderbestimmungen bis 2025 abbauen. Schon für dieses Jahr wird ein Rückgang der Wirtschaft von Belarus um zwei bis vier Prozent erwartet. Das schränkt den Spielraum für Zugeständnisse an die Bevölkerung ein.

 

Die EU-Monopole drängen ihrerseits auf Öffnung des Landes für Investitionen, nach Zugang zum Markt und wollen Russland die Vorherrschaft abringen. Bisher standen Einschränkungen und Verbote bezüglich des Verkaufs von Fabriken ihren Investitionen entgegen. So scheiterte zum Beispiel der Aufkauf einer Reifenfabrik durch Continental, oder der Kauf einer Kältefabrik durch die Linde AG. Um das zu ändern, hob die EU die Sanktionen gegen Belarus im Jahr 2016 auf, mit der Hoffnung, bessere Bedingungen für das Eindringen in die Wirtschaft des Landes zu schaffen. Dazu gibt es eine Menge von Institutionen, z.B. eine mit dem Namen: German Economic Team Belarus. Ziel ist, den „Transformationsprozess der belorussischen Volkswirtschaft zu begleiten“. Damit verbunden pflegen sie eine enge Zusammenarbeit mit der sogenannten „Zivilgesellschaft“.

 

Zu ihr gehören auch Blogger wie Sergej Tichanowski, der in Youtube-Filmen besonders Geschäftsleute und ihr positives Leben ins Zentrum rückte. Auf EU-Ebene gibt es die Association of European Business, deren Ziel verbesserte Investitionsbedingungen sind. Inzwischen gibt es im Land sechs sogenannte „Freie Wirtschaftszonen“. In der in Minsk sind 120 Unternehmen mit gemischtem inländischen und ausländischen Kapital angesiedelt, angelockt auch durch Vergünstigungen bei Zoll und Steuern. Auch das geht voll auf Kosten der Bevölkerung.

 

Die Kritik in Rote Fahne News vom 13. August, dass die Hintergründe der führenden Personen und der ganzen Situation und der Einfluss des Westens nicht vernachlässigt werden dürfen, ist richtig und wichtig. Die hier herrschende komplizierte Situation eines Landes zwischen dem EU und dem neuen russischen Imperialismus darf nicht unterschätzt werden. Die Arbeiter und die Massen des Landes stehen in einem mutigen, schwierigen Kampf, der sich gegen beide imperialistische Mächte richten muss. Ihnen gehört unsere Solidarität.