Vertrauenskrise
FDP-Chef Lindner schasst Generalsekretärin als Bauernopfer
Das Image von FDP-Chef Christian Lindner ist angeschlagen und die FDP steckt in den Umfragen in einem Abwärtstrend. Mit der Entlassung seiner bisherigen Generalsekretärin Linda Teuteberg versucht er, die FDP aus dem Umfragetief herauszuholen.
Nach nur 14 Monaten Amtszeit wurde sie kalt abserviert. Dieser Rauswurf ist bezeichnend für die Frauenignoranz der FDP, in deren 15-köpfigem Präsidium lediglich drei Frauen sitzen.
Bei den letzten vier Landtagswahlen erhielt die FDP lediglich in Thüringen noch 5 Prozent der Stimmen. Bei allen anderen verpasste sie den Einzug in die Parlamente. Und auch bei den Umfragewerten zur Bundestagswahl ist unsicher, ob die FDP wieder in das Parlament einzieht.
Als "Zünglein an der Waage" hatte die FDP jahrzehntelang vor allem die Funktion, im Interesse der Monopole reibungslos einen Regierungswechsel von der Koalition mit der SPD zur Koalition mit CDU und CSU - und umgekehrt - herbeizuführen. Aufgrund ihrer schrumpfenden Massenbasis unter anderem im sogenannten "Besitzmittelstand", aber auch dem Einzug weiterer Parteien in die Parlamente, hat sie diese Funktion weitgehend verloren.
Pluspunkte verspielt
Dass die FDP unter Christian Lindner bei den letzten Bundestagswahlen gar auf 10,7 Prozent der Wählerstimmen kam, nachdem sie 2013 zum ersten Mal seit 1949 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, ging vor allem darauf zurück, dass sie als "Alternative" zu den Parteien der Großen Koalition monatelang medial hochgepuscht wurde.
Viele junge Wähler hatten sich von dem damals 34-jährigen Spitzenkandidaten eine neue Politik erhofft. Die Pluspunkte, die er sich damit auch bei der FDP-Mitgliedschaft holte, verspielte er in den vergangenen Jahren.
Signal für neue Koalitionsvarianten
Viele seiner Parteifreunde haben ihm bis heute nicht verziehen, dass er eine CDU/Grünen/FDP-Koalition nach der letzten Bundestagswahl und damit Träume, die FDP an der Bundesregierung zu beteiligen, zum Platzen brachte. Mit Volker Wissing, Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident der rheinland-pfälzischen Landesregierung aus SPD, Grünen und FDP, als neuem Generalsekretär wird jetzt erneut ein Signal für eine mögliche Koalition mit SPD und Grünen nach den Bundestagswahlen gesendet.
Erst der massenhafte Protest gerade junger Thüringer zwang den dortigen FDP-Chef Thomas Kemmerich zum Rücktritt, nachdem er sich als erster zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der rassistischen und faschistoiden AfD küren ließ. Christian Lindner unterstützte diesen Kurs der thüringischen FDP und distanzierte sich erst nach dem anschwellenden Protest.
Bei Jugendumweltbewegung unten durch
Bei der Fridays-for-Future Bewegung ist Lindner ohnehin unten durch: Mit seiner Kritik an den Schulstreiks, Klimaschutz sei „Sache für Profis“, outete er die umweltfeindliche und monopolfreundliche Politik der FDP. Damit verspielte er auch Vertrauen der Jungen Liberalen. Deren Vorsitzende Ria Schröder kritisierte aktuell auch den Rauswurf von Linda Teuteberg im ARD-Morgenmagazin: „Ich finde diese ganze Posse, die tut uns als Partei überhaupt nicht gut.“
Viele Menschen lehnen Lindners arrogante Haltung zu angeblich überzogenen Infektionsschutzmaßnahmen und frühzeitigen Forderungen nach Corona-Lockerungen ab. Er verteidigte - wie die faschistoide AfD - das provokative Auftreten ohne Mundschutz und Abstand bei der Berliner Demonstration am 2. August.
FDP unter Lindner nach rechts gerückt
Die FDP ist unter Christian Lindner deutlich weiter nach rechts gerückt. In dieser Grundausrichtung sind sich Lindner und Teuteberg allerdings durchaus einig. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“. Der Verein ist offen antikommunistisch ausgerichtet und betreibt eine Gleichsetzung von Links und Rechts. Auf seiner Homepage bezeichnet er die DDR als "kommunistische Diktatur".
Wenn Linda Teuteberg jetzt gehen muss, geht keine fortschrittlichere Alternative zu Lindner. So äußerte sie sich 2019 zur Abschiebepraxis in Deutschland wie folgt: „Wer ausreisepflichtig ist, muss vor der Abschiebung vorübergehend in Abschiebehaft genommen werden können.“ Sie kritisierte ausdrücklich die Solidarität mit Flüchtlingen: „Ausreisepflichtige vor einer Abschiebung zu warnen oder ihnen beim Untertauchen zu helfen, ist weder edel noch eine Bagatelle.“1
Die "Freiheit" der FDP und die kommunistische Freiheitsideologie
Die Entlassung seiner Generalsekretärin ist der Versuch von Lindner, ein anderes Bild von der FDP zu zeichnen. „Wenn sich Themen verändern, muss sich auch die Teamaufstellung ändern“, sagte Lindner. Aber welche Themen will Lindner ändern? Mit den FDP-Themen einer Liberalisierung der Wirtschaftspolitik im Interesse der Monopole kommt er bei den Wählern, insbesondere den jungen Wählern, eben gerade nicht an.
Setzt er jetzt etwa auf aggressiven Antikommunismus wie die Gelsenkirchener FDP, die mit ihrer Plakatierung „Lenin raus aus Horst“ für die Kommunalwahlen punkten will? Ganz im Gegensatz zur FDP, die vor allem Freiheit für Unternehmer fordert, Mensch und Natur rücksichtslos ausbeuten zu dürfen, bedeutet Lenins Freiheitsideologie konsequente Diktatur über die alten Ausbeuter und ihre Versuche, wieder an die Macht zu kommen, sowie breite Demokratie für die Massen.