Philippinen
Proteste gegen Dutertes SONA-Rede
Mehr als 100 Gruppen haben am 27. Juli als Reaktion auf die „5. Erklärung von Duterte zur Lage der Nation“ (SONA) protestiert. Damit konnte das breiteste vereinigte Bündnis seit 20 Jahren aufgebaut werden.
Anliegen des SONAkaisa (Volks-SONA) genannten Bündnisses sind der Protest gegen die langsame und unangemessene Reaktion der Regierung auf Covid-19, die Unterzeichnung des Anti-Terror-Gesetzes, die Nichterneuerung der ABS-CBN-Lizenz, die Arbeitslosigkeit, die Angriffe auf die Pressefreiheit und anderes. Unterstützt wird es von Prominenten wie Leila da Lima, die zurzeit im Gefängnis sitzt, der früheren obersten Richterin Maria Lourdes Sereno und Schwester Mary John Manazan, Co-Obfrau der Bewegung gegen Tyrannei (MAT).
An der Volks-SONA nahmen trotz Warnungen der Regierung insgesamt mehr als 8.000 Menschen teil, wobei die Hygienebestimmungen eingehalten wurden. Das Innenministerium hatte die örtlichen Regierungseinheiten angewiesen, keine Erlaubnis für Demonstrationen zu erteilen. Die Protestaktion beleuchtete auch das Versagen der Regierung bei der Bekämpfung von Covid-19. Seit vier Monaten schiebt die Regierung die Verantwortung auf das eigene Volk, das sich vermeintlich eigensinnig gegenüber den Gesundheitsvorschriften verhalte.
Niedrigste Genesungsrate in Südostasien
Die Philippinen haben in Südostasien eine führende Stellung bei den akuten Covid-19-Fällen und stehen an niedrigster Stelle bei den Genesungen davon. Mit über 1.000 neuen Ansteckungen täglich ist das Land weit davon entfernt, die Ansteckungskurve abzuflachen. In der Hauptstadtregion Manila hat die Bettenbelegung mit Covid-19-Fällen eine gefährliche Zahl von 76 Prozent erreicht. Nach Angaben von Ibon vom 21. Juli gab es bisher mehr Inhaftierungen wegen der Verletzung der Quarantäne-Bestimmungen als Fälle von Massentestungen.
An der Spitze des SONA-Protests standen Gesundheitsbeschäftigte von öffentlichen und privaten Krankenhäusern. Mit über 80.000 Infektionen sei das öffentliche Gesundheitssystem überschwemmt, so Maristela Abenojar, Präsidentin der fortschrittlichen Organisation „Pflegekräfte vereint“. Mehr als 3.800 Gesundheitsbeschäftigte sind aufgrund des Fehlens von Schutzausrüstung vom Virus befallen. Insgesamt gab es bisher 94.919 an Covid-19 erkrankte Personen (Stand: 25.7.20). Es wird angeprangert, dass mit dem Modernisierungsprogramm für die Jeepneys 150.000 Fahrerinnen und Fahrer für fünf Monate hungrig blieben. Nur 10 Prozent konnten wieder auf die Straße kehren.
Bauern bekommen zu wenig Hilfe
Danilo Ramos, Vorsitzender der fortschrittlichen Bauernorganisation KMP, kritisierte, dass die Farmerinnen und Farmer während der Pandemie nicht genügend Hilfe erfuhren, und die, die für ihr Land kämpften, ermordet oder festgenommen und inhaftiert wurden. Laut der Nonprofit-Organisation PANAP gab es von März bis Juni 2020 sechzehn landbezogene Morde und vierzehn Fälle von Gefangennahme und Inhaftierung. Ramos forderte Duterte zum Rücktritt auf und erhielt dafür Beifall.
Aktuell bringen zwei geplante Großprojekte die ländliche Bevölkerung in Gefahr. Die San Miguel-Corporation (SMC), einer der größten Konzerne der Philippinen, plant eine Industriezone in Sarlaya/Quezon, wobei 3.000 Menschen, hauptsächlich Fischer, Farmer und Arme auf dem Land ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Bewohnerinnen und Bewohner einer Gemeinde werden seit dem 6. Juli sogar gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen. Zudem hat Duterte zugestimmt, das Umweltverträglichkeitszertifikat für das Bergbau-Projekt in Tampakan und umliegenden Orten zu erneuern. Das Bergbauprojekt wurde 2016 unter der damaligen Umweltministerin Gina Lopez ausgesetzt. Von dem Projekt sind 4.000 Lumad-Angehörige betroffen. Bisher wurden 40 Menschen getötet, die an vorderster Front gegen das Bergbauprojekt protestiert hatten.
Duterte erwähnt in Rede Eindämmung der Covid-19-Pandemie kaum
In verschiedenen Kommentaren wurde die 5. Erklärung von Duterte zur Lage der Nation einer kritischen Bewertung unterzogen. Ebenso kritisierte KARAPATAN Dutertes Pläne zur Wiedereinführung der Todesstrafe in drogenbezogenen Fällen und ging auf Dutertes Leugnung von Menschenrechtsverletzungen während des Kriegsrechts auf Mindanao ein. KARAPATAN dokumentiert 800.000 Menschenrechtsverletzungen, hauptsächlich wegen Luftangriffen und erzwungener Vertreibung, aber auch 93 außergerichtliche Morde.
Während der Proteste wurden 141 Menschen von verschiedenen Organisationen festgenommen, meistens unter dem Vorwand angeblicher Verletzungen der sozialen Distanzbestimmungen. Am selben Tag protestierten Tausende von Journalistinnen, Journalisten und andere vor der Diliman-Universität in Quezon mit einem Aufruf zur Verteidigung der Pressefreiheit. Es gab auch Redebeiträge von Vertretern und Vertreterinnen der Beschäftigten von ABS-CBN. Bisher gab es 20 Petitionen gegen das Anti-Terror-Gesetz.