Öffentlicher Dienst, Post und Bauindustrie
Tarifrunden im Zeichen des Kampfs gegen die Abwälzung der Krisenlasten
Für etwa 2,3 Millionen Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden beginnt aktuell die Tarifrunde. Ihre Gewerkschaft ver.di fordert eine Entgelterhöhung von 4,8 Prozent mit einem Mindesterhöhungsbetrag von 150 Euro, um 100 Euro höhere Ausbildungsvergütungen und eine Arbeitszeitangleichung im Osten ans Tarifgebiet West.
Schon vor Beginn setzte ein Trommelfeuer auf die Beschäftigten ein. Mit dem Totschlagargument „wegen Corona“ wird die Abwälzung der Krisenlasten vor allem in Folge der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Masse der Beschäftigten gerechtfertigt. Das stößt zu Recht auf massiven Widerspruch. Dazu Petra Müller vom ver.di-Bezirksfrauenrat Emscher-Lippe Süd: "Solidarität und Kampfbereitschaft sind gefragt! In der anhaltenden Corona-Krise mit steigenden Infektionszahlen brauchen die, die den Laden am Laufen gehalten haben, ordentlich was drauf!"
"Heldinnen und Helden des Alltags" sind kampfbereit
Die „Heldinnen und Helden des Alltags“ vom Frühjahr dieses Jahres sind kampfbereit. Sie wollen für die sich vertiefende Haushaltskrise der Kommunen nicht auf ihre berechtigten Forderungen verzichten, während Bundesregierung und Landesregierung den Monopolen Milliardensubventionen - auch auf Kosten der Kommunen - zuschustern.
Gestärkt haben sie die Erfahrungen vergangener Tarifkämpfe wie bei den Streiks der Erzieherinnen und des Klinikpersonals. Beim Verteilen eines Flugblatts an einem Klinikum in Nordrhein-Westfalen, unmittelbar bevor die Tarifkommission die Tarifforderungen beschloss, berichten Kolleginnen und Kollegen den Genossen der MLPD:
„Die Beschäftigten erwarten auch mehr Geld und nicht nur schöne Worte der Anerkennung. Aber sie brauchen auch mehr Leute auf den Stationen. Die bekommt man aber nur, wenn die Bezahlung, aber auch die Arbeitszeit stimmt. Diese spielt deshalb ebenso eine große Rolle. Die Beschäftigten sind vielfach so ausgepowert, die Stationen so ausgedünnt, pro Schicht sind es immer weniger. Es muss erträglicher werden. Deshalb fordern die Beschäftigten Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Ihre Erwartung ist, dass wenn die Bezahlung, aber auch die Arbeitsbedingungen besser sind, auch mehr Leute gefunden werden.“
Die Erkämpfung einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich wäre gerade auch für die vielen weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine wichtige Verbesserung angesichts ihrer häufigen Doppelbelastung in Familie und Beruf. Die entfaltete Diskussion um die Tarifforderungen im Vorfeld zeigt eine hohe Bereitschaft, für diese Forderungen auch zu streiken.
Tarifrunden auch bei der Post und in der Bauindustrie
Am 10. August beschloss die zuständige ver.di-Tarifkommission auch für die rund 140.000 Tarifbeschäftigten bei der Deutschen Post AG (DP AG) eine Entgeltforderung von 5,5 Prozent (Laufzeit: zwölf Monate) sowie eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen in jedem Ausbildungsjahr von monatlich 90 Euro. Am 28. August begannen Verhandlungen, am 31. August endet für die Postler die Friedenspflicht (mehr dazu).
Den 850.000 Beschäftigten der Baubranche soll nun „wegen Corona“ - warum auch sonst? - die Erfüllung ihrer Forderungen nach 6,8 Prozent Lohnerhöhung, mindestens 230 Euro mehr (100 Euro mehr für Azubis) sowie einem Wegegeld verweigert werden. Ein gemeinsamer Kampf von Bauarbeitern und im öffentlichen Dienst Beschäftigten ist die passende Antwort darauf und eine Gelegenheit, die Kampfkraft zu bündeln.
Signal an alle Arbeiter und Angestellten
Kämpferische, mit Streiks durchgeführte Tarifauseinandersetzungen sind zugleich ein wichtiges Signal an alle Arbeiter und Angestellten, den Kampf gegen die Abwälzung der Lasten der kapitalistischen Weltwirtschafts- und Finanzkrise - vertieft durch die Corona-Krise - aufzunehmen.
Dazu gehört auch der Kampf um jeden Arbeitsplatz, der gegen die immer weiter um sich greifende Arbeitsplatzvernichtung notwendig ist. Dieser muss allerdings selbstständig geführt werden, weil den Gewerkschaften im Kampf um solche Forderungen ein Streikrecht verwehrt wird. Ein konsequent geführter Tarifkampf wirkt auch auf diese Auseinandersetzungen beflügelnd.
Schule des gesellschaftsverändernden Kampfs
Die MLPD tritt für Tarifrunden ein, in denen die gewerkschaftliche Kampfkraft auch eingesetzt wird. Sie fördert mit ihren Betriebsgruppen die Gestaltung der Gewerkschaften zu Kampforganisationen, gegebenenfalls aber auch den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen - insbesondere zum selbstständigen Kampf um jeden Arbeitsplatz.
Zur Beseitigung der kapitalistischen Krisen muss der Kapitalismus selbst abgeschafft werden. Umso notwendiger ist es, all diese Kämpfe so zu organisieren, dass sie zu einer Schule des gesellschaftsverändernden Kampfs für den Sozialismus werden.