„Jenaer Erklärung“

„Jenaer Erklärung“

Wie Rassismus Rassen macht

Die antirassistische und antifaschistische „Jenaer Erklärung“ ist am 10. September 2019 in einer öffentlichen Abendveranstaltung mit dem Titel „Jena, Haeckel und die Frage nach den Menschenrassen oder wie Rassismus Rassen macht“ bekanntgegeben worden. Die Veranstaltung wurde anlässlich der 112. Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Jena durch das Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgerichtet.

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Wie Rassismus Rassen macht

Nachfolgend Auszüge aus der „Jenaer Erklärung“:

Die Einteilung der Menschen in Rassen war und ist zuerst eine gesellschaftliche und politische Typenbildung, gefolgt und unterstützt durch eine anthropologische Konstruktion auf der Grundlage willkürlich gewählter Eigenschaften wie Haar- und Hautfarbe. …

 

Es gibt im menschlichen Genom (Anmerkung: Erbgut) unter den 3,2 Milliarden Basenpaaren keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches „rassische“ Unterschiede begründet, sondern noch nicht einmal ein einziges Basenpaar.

 

Äußere Merkmale wie die Hautfarbe, die für die typologische Klassifikation oder im alltäglichen Rassismus verwendet werden, sind eine höchst oberflächliche und leicht wandelbare biologische Anpassung an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten. Allein die Hautfarbe hat sich im Lauf der Migrationen des Menschen immer wieder verändert und ist dunkler und heller geworden je nach lokaler Sonneneinstrahlung oder Ernährungsweise. So waren die Menschen Mitteleuropas bis vor 8000 Jahren noch stark pigmentiert und erst mit Beginn der Landwirtschaft wanderten Menschen mit hellerer Hautfarbe aus Anatolien ein. Die stark pflanzenbasierte Kost der frühen Ackerbauern bevorzugte Individuen mit hellerer Haut, um im dunklen Winter Europas genügend Vitamin D in der Haut zu produzieren. Die helle Hautfarbe der Menschen im nördlichen Europa ist jünger als 5000 Jahre.

 

Die Verknüpfung von Merkmalen wie der Hautfarbe mit Eigenschaften oder gar angeblich genetisch fixierten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen, wie sie in der Blütezeit des anthropologischen Rassismus verwendet wurden, ist inzwischen eindeutig widerlegt. Diese Argumentation heute noch als angeblich wissenschaftlich zu verwenden, ist falsch und niederträchtig. Es gibt auch keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Intelligenz und geographischer Herkunft, aber einen deutlichen mit sozialer Herkunft. Auch hier schafft Rassismus in Form von Ausgrenzung und Diskriminierung die vermeintlichen Rassen. …

 

Eine bloße Streichung des Wortes „Rasse“ aus unserem Sprachgebrauch wird Intoleranz und Rassismus nicht verhindern. Ein Kennzeichen heutiger Formen des Rassismus ist bereits die Vermeidung des Begriffes „Rassismus“ gerade in rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Milieus. ...