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Opel: Belegschaft herausgefordert gegen Tabubruch offener Kündigungsdrohungen

Letzte Woche drohte der Personalvorstand der Opel-Geschäftsleitung, Ralf Wangemann, der Belegschaft mit betriebsbedingten Kündigungen. Provokativ fordert er, dass sich bis November weitere 1.600 Kolleginnen und Kollegen „freiwillig“ melden sollten, um Aufhebungsverträge zu unterschreiben.

Von Korrespondenz
Opel: Belegschaft herausgefordert gegen Tabubruch offener Kündigungsdrohungen
Warnstreik der Rüsselsheimer Opel-Belegschaft vor einigen Jahren (rf-foto)

Natürlich wünscht er sich das, dann könnte Opel die Lebenslüge der Sozialverträglichkeit aufrecht erhalten. Aber im Unterschied zu den ersten Jahren seit der Übernahme durch PSA, als noch viele Opelaner eine Abfindung annahmen, fanden sich bislang lediglich 500. Zu ernst schätzen viele die Lage auf dem Arbeitsmarkt ein und bestehen auf ihren Arbeitsplätzen.

 

Es ist auch die Erfahrung der letzten Jahre, dass nach jeder Welle des Kahlschlags die nächste kommt. Erst waren es 4100, dann 2000 und nun sollen es nach dem Willen der PSA-Führung nochmal 2100 werden. Der aktuelle Plan zielt auf die beschleunigte Schließung wesentlicher Teile des Opel-Stammwerks in Rüsselsheim wie Prototypenbau, Werkzeugbau, Design, Schmiede und Getriebewerk. Die 2100 zu vernichtenden Arbeitsplätze wurden Ende 2019 in einem Eckpunktepapier festgeschrieben. Dafür wurde eine Frist bis Ende 2022 gesetzt. Wangemann bricht damit den von ihm selbst unterzeichneten Vertrag. Dazu ist Mitte März im Windschatten der zeitweilig heruntergefahrenen Produktion mit Zustimmung des Gesamt-Betriebsrats in einem Ergänzungstarifvertrag mit der IG-Metall-Bezirksleitung Mitte vereinbart worden, dass PSA/Opel ab dem 1. Januar 2022 stufenweise weitere 2000 Arbeitsplätze vernichten darf. Das wurde mit einer stufenweisen Verlängerung des angeblichen Kündigungsschutzes bis Mitte 2029 verknüpft. Die Drohung von Wangemann macht offensichtlich, was die Versprechen vom „Kündigungsschutz“ und der „Beschäftigungssicherung“ im „Zukunftstarifvertrag“ wert sind. Kaum abgeschlossen, schon überholt.

Warum das Ganze?

Wangemann gesteht ein: „Der Druck steigt aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, ausgelöst durch die größte Gesundheits – und Wirtschaftskrise seit rund 100 Jahren.“ Für die Sicherung der Maximalprofite auch in der Krise fordert er ultimativ den Kniefall der Belegschaft. Für den verschärfenden Kurs steht auch, dass Opel rigoros dringende Neueinstellungen im Werk Eisenach ablehnt und Versetzungen aus Rüsselsheim erzwingen will. In Rüsselsheim wurde letzte Woche durch die Werksleitung gedroht, der neue Astra und das DS-Modell könnten auch ganz schnell in ein anderes Werk verlagert werden. Warum dieser Druck, wenn PSA so mächtig ist? Die kampferprobte und gut organisierte Opel-Belegschaft steht diesem Plan im Weg. Der Unmut über steigende Arbeitshetze, Nullrunden und Erpressung steigt. 200 Kolleginnen und Kollegen versammelten sich letzte Woche in Eisenach zur Pausenversammlung des Betriebsrats. Die Belegschaft steht für den siebentägigen selbständigen Streik 2004, für zehn Jahre Kampf um das Bochumer Werk, für internationale Aktionstage, für die Zukunft der Jugend und für ein gutes Vertrauensverhältnis zur MLPD. Kein Wunder, dass sich da die Hessische Landesregierung direkt einmischt: „Wir appellieren daher an die Opel-Verantwortlichen, sich an den Tarifvertrag und die bisherigen Vereinbarungen zu halten.“ Was sich solidarisch anhört, ist das Gegenteil. Kein Wort in den letzten Jahren zur Vernichtung von bisher über 6000 Arbeitsplätzen direkt bei Opel. Kein Wort zur Schließung des Sitzewerks Lear in Gustavsburg, kein Wort zur Entlassung der 700 Leiharbeiter oder der 1000 SCR-Kollegen in Rüsselsheim. Die einzige Sorge der Landesregierung ist anscheinend, dass die Arbeiter in Hessen ihren Protest auf die Straße bis nach Wiesbaden tragen.

 

Auch in der Belegschaft entbrennt die Diskussion um den Zukunftstarifvertrag. „Hat er uns nicht vor dem Schlimmsten, den Kündigungen bewahrt? Immerhin sind wir im Werk sicher.“ „Wir haben doch die Zusagen für den Astra und einen DS“. „Mag sein“, geben andere zu bedenken, „aber erst bist du dran und dann ich, so läuft es doch immer.“ Die letzte Nummer der Kollegenzeitung Blitz schrieb: „Jeden Fortschritt haben wir gegen den Zukunftsvertrag erkämpft: Die Erhaltung der Lehrwerkstatt, die Übernahme der Auszubildenden, die Abwehr der betriebsbedingten Kündigungen im ITEZ. Es ist genau richtig, dass die Bochumer Belegschaft massiv Widerstand gegen einen Spaltungstarifvertrag mit 37,5 Stunden-Woche leistet. Rüsselsheimer und Gliwicer Kollegen wehren sich gegen Versetzungen in die anderen Werke. Bringen wir unsere Kämpfe im ganzen Konzern zusammen!"

 

Dazu gibt es eine Katastrophenklausel, nach der kann Opel alle Zusagen infrage stellen, sollte der europäische Markt einbrechen. Eine Rolle in den Diskussionen spielt auch die Dämpfung durch Regierung und Vorstand. So stockt Opel das Kurzarbeitergeld auf 94 Prozent des Nettolohns auf. In den letzten Woche ist aber deutlicher geworden, dass das eine Subvention für Opel ist, die die Arbeiter und Angestellten selbst bezahlen und die oben drauf noch zur voll flexiblen Einsatz des Personals geführt hat. Entweder zu Hause oder volle Arbeitshetze auf Schicht bis hin zu Wochenendarbeit.

 

Die Konzernbelegschaft ist gut beraten, gegen den von PSA/Opel eingeleiteten Tabubruch in die Offensive zu gehen. Eine Verbesserung der Abfindungskonditionen, wie sie Teile der Betriebsräte vorschlagen, löst am Problem der Arbeitsplatzvernichtung nichts, im Gegenteil. Die Sache kann nicht verschleppt oder kampflos wegverhandelt werden. Die Forderung, dass der Vorstand ohne Wenn und Aber die Drohung zurücknehmen muss, ist voll zu unterstützen. Die Opel-Belegschaft hat auch eine Verantwortung dafür , welchen Weg die anderen Autokonzern-Belegschaften gehen – Unterordnung unter das Krisenchaos der Kapitalisten oder konsequent um unsere Klasseninteressen kämpfen.

 

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