Fulda
Seenotrettung ist kein Verbrechen - Vortrag von Stephan Siemon
Die Dringlichkeit einer koordinierten Seenotrettung durch die Staaten Europas wurde in einem kompetenten Vortrag von Stephan Siemon, dem Gründer der Sea-Eye Gruppe Rhein-Main im Bürgerzentrum Ziehers-Süd drastisch dargestellt. Die Veranstaltung des Bündnisses Fulda stellt sich quer e. V. fand unter Corona-Hygienemaßnahmen statt.
Mit vielen persönlichen Erfahrungen und in drastischen Bildern schilderte Stephan Siemon die Arbeit der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Seit 2015 werden von Sea-Eye, Seawatch und anderen Initiativen, die gut miteinander kooperieren, Menschen aus Seenot gerettet. Leider werden in den letzten Jahren durch die europäischen Regierungen immer neue Hürden zur Blockierung der Seenotrettung aufgebaut. Die Schiffe werden dadurch an ihrer unverzichtbaren Arbeit gehindert, mit der Folge, dass seit 2014 bereits 19.583 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken sind oder nach Havarien von Schiffen für vermisst erklärt wurden. Eine noch weit größere Dunkelziffer ist zu befürchten. Während im Jahr 2015 jeder 269. Refugee im Mittelmeer ertrank, war es im Jahr 2019 bereits jeder 47..
Stephan Siemon stellte klar, dass durch die zivile Seenotrettung versucht wird, eine Leerstelle der europäischen Politik durch die Zivilgesellschaft auszufüllen, um der Unmenschlichkeit der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik etwas entgegenzusetzen, deren zynische Haltung fast täglich neue Opfer im Mittelmeer fordert.
Auch die finanzielle Unterstützung und organisatorische Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der sogenannten libyschen Küstenwache wurde thematisiert. Hier werden sämtliche Grundwerte der EU über Bord geworfen, wenn Flüchtlingsboote von der Küstenwache bewusst gerammt werden oder wenn Geflüchtete, die sich bereits in europäischen Hoheitsgewässern befinden, gegen ihren Willen wieder nach Libyen zurückgebracht werden, wo die Existenz von Lagern und andauernden Menschenrechtsverletzungen, Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. Die Zustände dort sind allen Verantwortlichen in den europäischen Regierungen bekannt, werden aber anscheinend zur Abschottung Europas stillschweigend akzeptiert. Nach einer engagierten und lebhaften Diskussion waren sich alle Teilnehmer einig: Eine wichtige Veranstaltung zu einem brisanten Thema.