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"Soviel ‚Fürsorge‘ war noch nie". Schulpolitik in Corona-Zeiten

Es ist Feiertag, 3. Oktober. Ich sitze am Frühstückstisch, öffne meine digitale WAZ und lese:„Urlaub mit Risiko: NRW droht Lehrern“. Vom NRW-Schulministerium unter FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer gibt es – rechtzeitig vor Herbstferienbeginn - einen „Privatreisen-Erlass“. Darin wird den knapp 200.000 Lehrerinnen und Lehrerin mit dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollten sie bei Rückkehr aus einem Risikogebiet ihre Dienstpflicht nicht rechtzeitig wieder aufnehmen können.

Von Lehrerkorrespondent
"Soviel ‚Fürsorge‘ war noch nie". Schulpolitik in Corona-Zeiten
Nicht nur in Nordrhein-Westfalen sondern auch in anderen Bundesländern, wie hier in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs, Stuttgart, sind die Zustände an den Schulen inakzeptabel. Es häuft sich der Protest (privat)

„Aus Fürsorgegründen“ weist Frau Gebauer also darauf hin. Auf „Fürsorge“ haben die Lehrerinnen, Lehrer, Eltern und Schülerinnen wie auch Schüler die ganze Zeit sehnlichst gewartet:

  • Wenn seit Schuljahresbeginn wieder Klassen mit über 30 Schülern in zu kleinen Räumen hocken!
  • Wenn seit Wochen der Unterricht mit Masken in diesen übervollen Klassen zur unerträglichen Belastung für Lehrende und Schülerinnen wie auch Schüler wurde.
  • Wenn Corona-Tests für alle Schülerinnen und Schüler verweigert werden und selbst die 14-tägigen Tests der Lehrerinnen und Lehrer nach den Herbstferien (!) nicht mehr genehmigt sind!
  • Wenn die Versprechen, dass jeder Lehrende ein „dienstliches Endgerät“ (zu Deutsch: einen Dienstlaptop) erhalte und jedes Kind für den digitalen Unterricht ausgerüstet wird, bisher nichts als heiße Luft sind!
  • Wenn viel zu wenig für die Hygiene (Toiletten, warmes Wasser zum Händewaschen…) getan wird.

Usw., usf.

 

Frau Gebauers „Fürsorge“ gilt offenkundig wesentlich dem Verlangen der Wirtschaft, die auf das Offenhalten der Schulen unter allen noch so verantwortungslosen Umständen besteht, damit ihre Produktion und Geschäfte laufen.

 

Natürlich sollen möglichst alle Kinder wieder regelmäßig zur Schule gehen können. Die Monate der zeitweilig heruntergefahrenen Produktion samt ihren gesellschaftlichen Folgen waren für die große Masse der Familien eine krasse Zerreißprobe. Anstatt jedoch den Profitinteressen der Wirtschaft zu folgen, müssen die Interessen der Kinder, Eltern und Lehrer im Zentrum stehen. Der Gesundheitsschutz aller gehört an erste Stelle!  Und das erfordert tatsächliche „Fürsorge“ sofort:

  • Massentests aller Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer am ersten Tag nach den Herbstferien, nochmals zehn Tage später und dann in regelmäßigen Abständen.
  • Halbierung der Klassen mit täglich reduziertem Präsenzunterricht im Schichtsystem. Dazu könnten alle Lehramts- und Sozialpädagogik-Studierenden mit entsprechender Vergütung herangezogen werden und mit den Lehrerinnen und Lehrern in Teams arbeiten.  
  • Umgehende deutliche Verbesserung der Hygienesituation an den Schulen – Kontrollen durch das Gesundheitsamt.
  • Umgehende unbürokratische Ausstattung der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer mit Laptops.
  • Gründliche Ausbildung der Lehrenden für den digitalen Unterricht.

 

Im Lehrerzimmer wird intensiv diskutiert: „Wir müssten eigentlich in den Streik treten, so wie hier von den Verantwortlichen gegen die Fürsorgepflicht verstoßen wird. Aber als Beamte dürfen wir das nicht…“ „Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?“ Zugleich liegt der Gedanke nicht mehr so fern: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.