Leserbrief an Kreiszeitung "Böblinger Bote"
„Kämpferische Gewerkschaft ist wichtiger denn je“
Der folgende Leserbrief von Klaus-Jürgen Hampejs, Sprecher der Internationalen Automobilarbeiterkoordination, Sindelfingen ist am 4. Oktober erschienen.
Zur allgemeinen Wirtschaftslage
Kein Tag vergeht ohne Nachrichten über das Vorhaben der Konzerne, massiv Arbeitsplätze abzubauen. Aber auch nicht ohne die Parole: Die Beschäftigten sollen bluten. Massenhaft werden Entlassungen, Schließungen, Kürzungen und wie jüngst bei MAN Verträge gekündigt. Es muss uns alle mit Sorge begleiten, wenn dadurch die Kommunalhaushalte einbrechen.
Doch haben wir dieselben Kürzungen und Entlassungen von Top-Managern der verantwortlichen Konzerne gehört? Nein, kein Källenius (Daimler) oder Diess (VW) - die Reihe ließe sich ellenlang fortsetzen - verzichtet auf etwas oder baut ab. Sind all diese Manager systemrelevant? Kein einziger, das sind die Krankenschwestern, Pflegerinnen, Busfahrer. Und wenn die Kindergärtnerinnen jetzt streiken sagte Ministerpräsident Kretschmann, dass er null Verständnis habe. Unfassbar. Sonntagsreden, und das wars.
Kein Tag vergeht, ohne dass nicht Kollegen überall kämpfen und streiken - welche Wahl haben sie auch? Bei ZF, Conti, Bosch, Mahle, Eberspächer, MAN, unendlich lange die Liste. Wir Metallerinnen und Metaller können nur das tun. Vertrauen wir auf die Konzernchefs, die uns abbauen und entlassen wollen, dann sind wir verlassen. Das Daimler-Werk Sindelfingen inklusive Forschung und Entwicklung sollte sich nicht in trügerischer Ruhe und Vertrauen auf Management-Verhandlungen verlassen. Alles steht zur Disposition. Deshalb ist eine starke kämpferische IG Metall wichtiger denn je. Kein Standort wie jetzt Untertürkheim darf alleine gelassen werden. Die wöchentliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist das Gebot der Stunde. Milliarden von Euros sind vorhanden, natürlich nicht bei uns, den normalen Menschen.
Umso fürchterlicher ist die letzte Info der Gruppe "Zentrum Automobil", die die Parole "Raus aus der IG Metall!" propagieren. Genau das Gegenteil ist wichtig: solidarisch zusammenhalten, die Stärkung der IG Metall und auch über eine Alternative zum bestehenden Gesellschaftssystem nachdenken. Dieser Kapitalismus in allen Varianten ist kein gottgegebenes System und für die Ewigkeit in Stein gemeißelt. Mit plumpem Antikommunismus und das als linke Lösung abzukanzeln, ist es nicht getan.