Bundesweite Montagsdemo
Quicklebendige kämpferische Herbstdemonstrationen
Wegen der steigenden Zahl von Neuinfektionen mit COVID-19 hat die Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemo-Bewegung kurzfristig beschlossen, die gestrigen Herbstdemonstrationen gegen die Regierung noch mehr zu dezentralisieren. Dieses verantwortungsbewusste Handeln traf bei Demonstranten und Passanten auf Zustimmung.
Statt in drei Städten, wie zunächst geplant, gab es sieben kämpferische Herbstdemonstrationen und -kundgebungen: In Berlin, Düsseldorf, Erfurt, Hamburg, Hannover, Leipzig und Stuttgart. Rote Fahne News veröffentlichte gestern schon Berichte und Korrespondenzen von fast allen Herbstdemonstrationen.
Keine Großdemonstrationen, aber sehr vielfältig
In Düsseldorf und Stuttgart nahmen jeweils 350 bis 400 Menschen aktiv teil, ein Vielfaches an Passanten und Umstehenden hörte zeitweise neugierig zu und beteilgte sich an den lebendigen Diskussionen und Gesprächen. In Berlin waren es 150 ständige Teilnehmerinnen und Teilnehmer; in Erfurt, Hamburg und Hannover, wo sehr kurzfristig Kundgebungen angemeldet wurden und dafür mobilisiert werden konnte, jeweils zwischen 30 und 50. Zusammengezählt übersteigt die Teilnehmerzahl aber sogar die der letztjährigen Herbstdemonstration, die zentral in Erfurt durchgeführt wurde; am 3. Oktober 2019 zogen 600 Demonstrantinnen und Demonstranten durch Thüringens Landeshauptstadt.
Angesichts der Entwicklung, die derzeit in Deutschland nicht von Massendemonstrationen geprägt ist, sind Charakter und Errungenschaften der regionalen Herbstdemonstrationen umso höher zu bewerten: Der kämpferische Charakter, die Vielfalt der Teilnehmer, Anliegen und Themen, die Beteiligung der Jugend, der wachsende Zusammenschluss mit der Arbeiterbewegung und insbesondere das Bedürfnis nach einem Austausch über gesellschaftliche Zukunftsperspektiven und Bewusstseinsbildung. Gerade im Hinblick auf die Zukunft: Die gesamte gesellschaftliche Bandbreite war vertreten, jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin, jede ihrer Aktivitäten repräsentiert eine brennende gesellschaftliche Frage. Aus dem Kleinen erwächst das Große!
Dem Aufruf der Bundesweiten Montagsdemobewegung waren zahlreiche Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen gefolgt: Der REBELL, Migrantenorganisationen, der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in Solidarität International, Fridays-for-Future-Aktivisten, auffallend viele Delegationen aus industriellen Großbetrieben - VW, Ford, MAN, Daimler, Bergbau, Bayer, Stahl - die MLPD, Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen von IG Metall, ver.di und GEW, fortschrittliche Kommunalwahlbündnisse, das Internationalistische Bündnis, Frauen vom Frauenverband Courage, die Umweltgewerkschaft und andere mehr. Besonders auffallend war die aktive Beteiligung, die vielen Unterschriften für die Bewegung "Gib Antikommunismus keine Chance!", Spenden, verkaufte Literatur ...
Kämpferisch und verantwortungsbewusst
"Alle tragen dazu bei, dass die Anliegen der 17. Herbstdemonstrationen kämpferisch, lebendig und diszipliniert zum Ausdruck gebracht werden und anziehend Werbung für unsere Bewegung gemacht wird", hieß es in den Demoregeln. "Wir sind stolz darauf, dass auf dieser Demo das ganze Spektrum der Anti-Hartz IV-Bewegung, der kämpferischen Opposition aus den Betrieben und der Straße, der Umwelt-, Frauen- und Jugendbewegung und vielen gesellschaftlichen Bewegungen vertreten sind. Internationalismus und die Flüchtlingssolidarität gehören für uns dazu. Das kann nur funktionieren bei gegenseitigem Respekt." Die Demonstrationen und Kundgebungen haben einmal mehr gezeigt: Fortschrittliche Leute sind in der Lage, diszipliniert, kämpferisch und unter Wahrung des Gesundheitsschutzes zu demonstrieren. Eine klare Ansage für das Demonstrationsrecht auf antifaschistischer Grundlage auch unter Corona-Bedingungen!
Plakate und Transparente für wichtige Anliegen
"Daimler-Kollegen und FFF gemeinsam gegen Zukunftskiller" forderten Teilnehmer in Stuttgart. "Nehmt den Imperialisten die Welt aus der Hand, eh sie vertrumpt" - ein Plakat von Daimler-Kollegen. Die ultrareaktionäre Flüchtlingspolitik der EU und des deutschen Innenministers Horst Seehofer wurde angeprangert, die sofortige Evakuierung der Flüchtlings-Hotspots gefordert, "Stop Deportation" eine häufig getragene Losung. "Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz - 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich", so ein Transparent der MLPD Esslingen. Das Internationalistische Bündnis wendet sich entschieden gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen und die Arbeiterklasse. "Sofortiges Ende des Braunkohleabbaus", "Erhalt der Bergmannsrechte", "Alle Leiharbeiter fest einstellen - damit die Jugend eine Zukunft hat", "Die Mutter aller Probleme ist der Kapitalismus - Lösung: Echter Sozialismus".
Berichte vom "Kämpferischen Donnerstag"
Ein Rote-Fahne-News-Korrespondent berichtet: "Der Kampf der Daimler-Belegschaft gegen Arbeitsplatzvernichtung, Internationale Solidarität und der vielfältige und ausdauernde Widerstand der Montagsdemos prägte die Herbstdemonstration in Stuttgart. Die Moderatoren begrüßten als erste Redner Vertrauensleute der Mettinger und Wörther Daimler-Kollegen. Sie berichteten vom kämpferischen Donnerstag. 4000 Kollegen waren beteiligt, was in den Stuttgarter Zeitungen klein geschrieben wurde. In Wörth wird vor allem diskutiert, dass jetzt konzernweit gedacht und gehandelt werden muss. Sie erhielten solidarischen und ermutigenden Beifall. ... Franziska vom REBELL berichtete von einer Umfrage unter Jugendlichen und Kindern, die der Jugendverband letzte Woche organisiert hatte. Viele machen sich Sorgen um ihre Zukunft.
Im Block von REBELL und Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in SI mit Flüchtlingen u.a. aus Ellwangen und Esslingen an der Spitze der Demo wurden neue Parolen zur Einheit von Jung und Alt im Kampf um jeden Arbeits- und Ausbidungsplatz begleitet von Trommmeln gerufen. ... Für die internationalistiche Prägung der Herbstdemo sorgten Beiträge zum Kampf in Kaschmir gegen die imperialistische Unterdrückung durch Indien, eines Iraners, der eindringlich gegen die faschistische Unterdrückung der Massen und besonders der Kurden durch das faschistische Mulllah-Regime und das Erdogan-Regime Stellung bezog. Die aktive Beteiligung von ATIK, internationalistische Lieder und immer wieder der Ruf 'Hoch die Internationale Solidarität' einten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen."
In Düsseldorf lenkte die Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR, Monika Gärtner-Engel, den Blick hinaus in die Welt. Etwas Neues und Besonderes ist, dass sich in vielen Ländern der Welt insbesondere Bergarbeiter an die Spitze von Kämpfen gegen die Abwälzung von Krisenlasten, gegen Rechtsentwicklung und Umweltzerstörung stellen.
Diskussion um sozialistische Perspektive belebt sich
Auf allen sieben regionalen Herbstdemonstrationen, so berichten Korrespondentinnen und Korrespondenten, nahmen lebhafte, streitbare Diskussionen über die Perspektive des echten Sozialismus als Ausweg aus dem kapitalistischen Krisenchaos breiten Raum ein. Julia Scheller, Landesvorsitzende der MLPD in Baden-Württemberg, hob in ihrem Beitrag in Stuttgart die Vielfalt, die hier zusammenkommt, und die Perspektive des Kampfes hervor. Diese erfordert die Auseinandersetzung mit dem Ziel einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung von Mensch und Natur in einer Zeit, in der die materiellen Vorrausetzungen für den Sozialismus ausgereift sind wie nie zuvor.
Die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner berichtete in ihrem Redebeitrag auf der Düsseldorfer Demo, dass sie auf verwunderte Gesprächspartner traf, als sie auf der Königsallee Unterschriften für die Bewegung "Gib Antikommunismus keine Chance!" sammelte. Die Leute sind es so gewohnt, dass in unserer Gesellschaft immer gegen den Kommunismus geredet wird, dass sie erstaunt sind, dass wir hier einen klaren Gegenpol setzen. Über den Sozialismus / Kommunismus muss man heute diskutieren, auch wenn man eine andere Meinung hat. Vom Erstaunen über die ungewöhnliche Unterschriftensammlung bis zur eigenen Unterschrift unter den Aufruf war es bei etlichen Menschen ein kurzes Stück Wegs.