Flüchtlinge

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Integrationsgipfel: Gipfel der Heuchelei

Vorgestern hatte die Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 12. sogenannte Integrationsgipfel eingeladen.

Von wr
Integrationsgipfel: Gipfel der Heuchelei
Nur zur Erinnerung: Diejenigen, die sich auf diesem Gipfel "trafen", sind maßgeblich mitverantwrotlich für Bilder wie diese an der griechisch-türkischen Grenze! (foto: screenshot)

Das Thema sollte sich damit beschäftigen, wie den Menschen mit Einwanderungsgeschichte besser geholfen werden kann, die unter der Corona-Pandemie „besonders hart betroffen sind.“ Für die am aller härtesten Betroffenen hatte der Gipfel gar kein Herz. Nämlich diejenigen, denen die EU die Türe für ein menschenwürdiges Leben zuschlägt. Im Mittelmeer treiben monatelang Boote voller Leichen.¹ In den Füchtlingslagern auf Griechenland versinken gestrandete Flüchtlinge im Schlamm und das neue Lager Kara Tepe ist für den Winter nicht ausgerüstet. All das mit Rückendeckung der imperialistischen EU und der deutschen Regierung. Über diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit gab es keinen Aufschrei unter den Gipfelteilnehmern. Was auch nicht weiter verwundert, denn schließlich sind die Veranstalter des Gipfels die Urheber dieser Situation.


Mit ernsthaftem Schutz der in Deutschland lebenden Geflüchteten vor dem Coronavirus befasste sich die über Video-Konferenz organisierte Veranstaltung allerdings auch nicht. Weder sollen die Aufnahmelager aufgelöst werden, noch besondere Gesundheitsvorsorgen und Aufklärungen für alle Nationalitäten auf den Weg gebracht werden. Kompetente Sprecher der Flüchtlinge wie Solidarität International (SI) oder Alassa Mfouapon vom Freundeskreis Flüchtlinge in SI waren nicht eingeladen.

 

Dabei sind gerade sie es, die die aktivsten Kämpfer im Kampf für demokratische Rechte und Freiheiten für die Flüchtlinge sind. Leute, die aus diesen Kämpfen in Ellwangen hervorgegangen sind, und die sich zusammen mit neuen Mitkämpferinnen und -kämpfern zuerst im Freundeskreis "Alassa & Friends" und jetzt im Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in Solidarität International zusammengefunden haben. Leute, die diesen Kampf auch als Bewusstseinsprozess für sich und Unterstützer der Flüchtlingssolidarität genutzt haben. Wenn wirklich jemand das Recht gehabt hätte, für die Rechte und Freiheiten der Flüchtlinge zu sprechen, dann diese Menschen.

 

Nicht umsonst richtete der Sprecher des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in SI, Alassa Mfouapon, am 30. September die folgenden deutlichen Worte an genau diejenigen, die jetzt Veranstalter des Gipfels waren:  "Viele von uns, sind oft Jahre auf der Flucht, haben Gewalt, Hunger und Unterdrückung während dieser Zeit der Flucht erlebt, bis sie überhaupt die lebensgefährliche Fahrt übers Mittelmeer antreten können - was viele von uns leider mit dem Tod bezahlt haben. Und dann endlich in Europa angekommen, sollen wir nach den Plänen der EU in kontrollierte Internierungslager gebracht werden, von wo aus die Mehrheit der Flüchtlinge wieder abgeschoben werden soll. Das ist eine reaktionäre, rassistische Politik, das werden wir nicht hinnehmen.“

Wer war die eingeladene „Zivilgesellschaft“?

Zum Kreis der rund 130 Teilnehmer aller bisherigen Integrationsgipfel seit 2006 gehören neben rund 40 Migrantenvertretungen, alle bürgerlichen Parteien, die Gewerkschaften, Kirchen, Repräsentanten von Bund, Ländern und Kommunen auch führende Vertreter der Monopole, wie die Deutsche Bank-Stiftung, BMW, der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber (BDA) u. a. Dass diese den Takt diktieren, wurde hinter dem Begriff „Vertreter der Zivilgesellschaft“ versteckt. Der ultrareaktionäre Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) glänzte durch Abwesenheit. Die Migrationspolitik gehört allerdings in seine Ressortzuständigkeit als „Heimatminister“. Nur: Für ihn gehören Migranten nicht zur Heimat. Das hatte er mit seinem reaktionär rassistischen Spruch deutlich gemacht, die Migration sei angeblich die „Mutter aller Probleme“.


„Mutter Merkel“ hingegen, ist in ihrer Wortwahl empfindsamer. Ihr läge das Schicksal der am härtesten betroffenen Migranten, die sich erst kurz in Deutschland aufhalten, besonders am Herzen. Als träfe die Regierung daran keine Schuld!? Die Gipfelteilnehmer haben doch selber dafür gesorgt, dass die Leute in den isolierten Unterkünften in Deutschland eingepfercht und schwer von Corona betroffen sind. Es mangelt an Schutzausrüstung und Betreuung. Trotzdem werden die kasernierten Aufnahmelager mit ihren unwürdigen Lebensbedingungen fortgeführt.

 

Die schulischen Kurse für Flüchtlinge sind weitgehend ausgesetzt. Mit den Ausländerbehörden kann man weitgehend nur noch per E-Mail oder Telefon kommunizieren. Und das für Menschen, die oft noch nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Der Schutz der Menschen vor Gefahren für Leib und Leben war gar nicht Gegenstand des Gipfels.

Profitinteressen der Monopole hatten Vorrang

In einem Nebensatz verriet Merkel, dass es ihr um die Interessen der Monopole ging, da „viele potenzielle Arbeitskräfte durch die Pandemie eventuell gar nicht mehr nach Deutschland“ kommen.² Also: Die Masse der Flüchtlinge mit aller Gewalt an den Außengrenzen der EU brutal abhalten und nur Schleusen zulassen, damit die Monopole gut ausgebildete Arbeitskräfte aus Nahost, Afrika und Asien für ihre Ausbeutung bekommen. Damit sie - so Merkel - „das Land mit am Laufen halten“. Um diese Funktion zu erfüllen, diene „die Wertevermittlung und die Eingliederung in die Gesellschaft“.³ Im Klartext: Sie sollen das Profitsystem verinnerlichen und sich zur kapitalistischen Ausbeutergesellschaft bekennen.

Integrationsstufen dienen der Kontrolle und Unterdrückung

Zu diesem Zweck sieht der „Nationale AktionsplanIntegration“ fünf Phasen vor: Zuwanderung -Erstintegration - Eingliederung -, Zusammenwachsen - Zusammenhalt. Die erste Phase war gestern nicht Thema.Damit waren die von der EU gesponserten Flüchtlingslager in Nordafrika mit KZ-ähnlichen Zuständen, sowie die Lager im Nahen Osten und Griechenland fein säuberlich ausgeblendet und nur die Phasen zwei und drei wurden behandelt. Der Kern des bürgerlichen Integrationsbegriffs ist der, dass die Migranten sich den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen unterwerfen sollen. Dass sie sich fortschrittlichen Protesten, der Arbeiterbewegung, gar der revolutionären Bewegung in Deutschland anschließen, soll um jeden Preis verhindert werden. Das brachte der Grüne und Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI), Memet Kiliç auf den Punkt: „Es gelte, die wehrhafte Demokratie zusammen zu realisieren und die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Extremisten zu verteidigen.“⁴ Demagogisch setzt er mit dem Begriff „Extremisten“ Faschisten und Rassisten mit revolutionären Kräften wie der MLPD gleich. Das ist unerhört: Genau die Kräfte vor denen viele Flüchtlinge in ihren Heimatländern fliehen mussten, und die sie hier zum Teil körperlich bedrohen, werden mit den Kräften gleichgesetzt die am Entschiedensten dagegen kämpfen.

Solidarität statt Integration

Integration ist ein bürgerlicher Klassenbegriff und bedeutet die ökonomische, politische und weltanschauliche Einbindung in das staatsmonopolistische System der Bundesrepublik. Die MLPD lehnt den Begriff ab. Wir wenden uns damit nicht gegen eine Eingliederung der Menschen aus anderen Ländern in das gesellschaftliche Leben. Im Gegenteil: Wir fordern die gleichberechtigte Behandlung, gleiche Rechte für alle Menschen, die für längere Zeit und dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten! Anstelle der Integration setzen wir die Solidarität. Die Klassensolidarität der Arbeiter und aller Unterdrückten weltweit verhält sich zur Integration wie Feuer und Wasser. Zu diesem Solidaritätsgedanken gehört auch die Förderung und Organisierung der Völkerfreundschaft von beiden Seiten, sich in das gesellschaftliche und politische Leben der Unterdrückten in Deutschland einzubringen und kollegial zusammenzuarbeiten.

Selbstorganisation der Flüchtlinge zusammen mit demokratischen und revolutionären Initiativen und Parteien war das Erfolgsgeheimnis

Die MLPD fördert die Selbstorganisation der Flüchtlinge im Schulterschluss mit demokratischen und revolutionären Kräften in Deutschland. In den Hotspots der Kämpfe der Flüchtlingssolidarität - in Ellwangen, Leipzig, Stuttgart, der Bodenseeregion etc. ist dieser Schulterschluss entstanden, und diese Zusammenarbeit der Selbstorganisation der Flüchtlingen mit demokratischen und revolutionären Kräften war das Geheimnis des Erfolgs. Im Sommer diesen Jahres hat sich die überparteiliche Massenorganisation Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in der bundesweiten Selbstorganisation Solidarität International gegründet. Der Solidaritätspakt von Solidarität International mit der Selbstorganisation der Bewohner von Lesbos, OXI, brachte nicht nur direkte Hilfe für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln, die sich katastrophalen und inhumanen Zuständen dort ausgesetzt sehen, sondern, die auch direkt vor Ort ankam. Er war und ist auch ein lebendiges Zeichen der Völkerverständgung.  Hilfsorganisationen wie "Seebrücke" leisten mit ihren Schiffen auf See einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Flüchtlinge nicht in ihren Booten umkommen, bzw. von der "libyschen Küstenwache" getötet oder von Frontex brutal abgedrängt werden. Jeder, dem die Flüchtlingssolidarität ein Anliegen ist, kann durch seine Mitgliedschaft, durch Dauerspenden und Unterstützung von Flüchtlingsprojekten einen wertvollen Beitrag leisten.