Bertelsmann-Studie zur Kinderarmut

Bertelsmann-Studie zur Kinderarmut

„Wohlfühlen“ statt rebellieren?

2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland leben in Armut. So rechnet die neue Bertelsmann-Studie „Kinderarmut in Deutschland 2020“. Die Kinder- und Jugendarmut verharre seit Jahren auf diesem hohen Niveau. Die Corona-Krise wird die Situation weiter verschärfen. Die Studie bringt dazu einige realistische Fakten.

Von as
„Wohlfühlen“ statt rebellieren?
(rf-foto)

Die Bertelsmann – Stiftung ist einer der einflussreichsten Ratgeber für Regierung und Konzerne. Die Studie warnt diese vor einer Unterschätzung der Sprengkraft der Kinder- und Jugendarmut in einem Land, wo die Superreichen immer noch reicher werden, aber mehr als jedes fünfte Kind arm ist (in Ruhrgebietsstädten sogar mehr als jedes dritte Kind).

 

Armut  habe nicht nur "Folgen für jeden einzelnen jungen Menschen", sondern auch "für die gesamte Gesellschaft, nicht nur mit Blick auf Kosten in den Sozialsystemen, sondern auch auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität der Demokratie“. (S. 7) Daher weht also der Wind. Ihre Sorge gilt den „Kosten“, die arme Kinder verursachen - unsere Sorge gilt dem würdigen Leben, der Ausbildung und der Zukunft der Kinder und Jugendlichen! Und die muss erkämpft werden - gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen. Mehr als die Sorge über die Armut spricht aus der Studie die Angst vor der wachsenden Empörung der Massen über die Kinder- und Jugendarmut und vor der Rebellion der Jugend. Eine Rebellion gegen die drohende globale Umweltkatastrophe, gegen „Berufslaufbahnen“ aus lauter befristeten und Mini-Jobs, Leiharbeit und gegen eine verbaute Zukunft für die Jugend. Die Angst, dass diese Rebellion sich weiter belebt und sich gegen die Regierung und das kapitalistische System richtet.

 

Angesichts der Dauerkrisen an allen Ecken und Enden der Gesellschaft rät die Studie, wenigstens die Kinder- und Jugendarmut zu entschärfen. Dazu fordert sie materielle Verbesserungen wie eine Grundsicherung für arme Kinder und Jugendliche.

 

Desweiteren fordert sie „Gute Kitas und Schulen, in denen sich Kinder und Jugendliche wohl und sicher fühlen, sich ihren eigenen Stärken und Interessen entsprechend entwickeln und lernen können ...“ (S. 8) Wie passt aber der Ruf nach „guten Kitas und Schulen“ damit zusammen, dass nicht einmal angesichts der steigenden Zahl von Corona-Infektionen Lerngruppen verkleinert und Tausende Lehrer und Betreuer eingestellt werden? Dass stattdessen zum „Regelbetrieb“ zurückgekehrt wird, und zwar auf die billigste Tour mit „Maske auf und durch“.

 

Wie passt der Ruf nach einer Kinder-Grundsicherung damit zusammen, dass gerade jetzt Arbeitslosigkeit und Lohnverlust als Ursache der Familienarmut hochgetrieben werden. Kinderarmut ist Familienarmut. Die Abwälzung von immer mehr gesellschaftlichen Problemen und Krisenlasten auf die einzelne Familie muss insgesamt bekämpft werden statt sich mit Brosamen zufrieden zu geben. Wesentlich ist der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit als Hauptursache der Armut, mit der zentralen Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. In Schulen und Kindergärten muss konsequenter Gesundheitsschutz gewährleistet werden, statt die Kinder zu gefährden oder bei Schließungen ins „Homeschooling“ zu schicken.

 

Und was bedeutet die besondere Sorge, dass sich Kinder und Jugendliche „wohl und sicher fühlen“ sollen? Wenn sie schon arm sind, sollen sie sich wenigstens wohlfühlen? Damit Kinder und Jugendliche sich „ihren Stärken und Interessen entsprechend entwickeln können“, dazu müssen die Bedingungen in Schulen und Kitas sich gravierend ändern. Nicht nur in Zeiten der Corona-Krise. Auch vorher waren die Klassen und Gruppen viel zu groß, fehlten erheblich Lehrer und Erzieherinnen und und und. Diese Probleme schiebt die Studie aber auf die Familien ab. Sie fordert mehr „Fürsorgearbeit“ ..."die sich Väter und Mütter gleichberechtigt teilen können.“ Kinder und Jugendliche sollen sich in den bestehenden Verhältnissen „wohlfühlen“ - aber um ihre „Stärken und Interessen zu entwickeln“, ist Rebellion angesagt, gegen kapitalistische Verhältnisse, die Massenarbeitslosigkeit und Armut hervorbringen und verstärken, und die die Sorge um die Kinder immer mehr auf die Familien abwälzen. Und diese Rebellion entwickelt sich zunehmend.


In Deutschland werden vor allem Arbeiterkinder in immer jüngeren Jahren politisch. Auf einem „Kindergipfel“ im Kommunalwahlkampf des Personenwahlbündnisses AUF Gelsenkirchen hatten Kinder ihre eigenen Vorstellungen von sauberen Spielplätzen, waren gegen die Schließung von Schwimmbädern oder gegen das Mobbing ausländischer Kinder. Bedauern (durch Bertelsmann und Co.) haben diese Kinder nicht nötig. Stärker werden diese Kinder, wenn sie zum selbständigen Denken und Handeln erzogen werden und sie sich zusammenschließen und organisieren können. Dafür steht die Kinderorganisation ROTFÜCHSE von REBELL und MLPD.