Tarifrunde

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Öffentlicher Dienst: Nachlese zur Tarifeinigung

Der Provokationskurs der kommunalen Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst für den Bund und die Kommunen ist am Kampfwillen der Kolleginnen und Kollegen gescheitert! Medial legte die Hetze in den bürgerlichen Medien vor der dritten Verhandlungsrunde in der Form noch mal kräftig zu, dass ein Streik und überhaupt die Forderungen von ver.di "in dieser Situation" völlig unverantwortlich seien.

Von nd
Öffentlicher Dienst: Nachlese zur Tarifeinigung
So kampf- und streikbereit wie diese jungen Kolleginnen und Kollegen aus Nürnberg waren die Belegschaften in der Tarifrunde 2020 gewesen (rf-foto)

In dieser Situation? Die Kolleginnen und Kollegen haben im Gegenteil bewiesen, dass man auch unter Corona-Bedingungen kämpfen kann. Ein Vorbild für andere Belegschaften im Kampf um berechtigte Forderungen und für demokratische Rechte und Freiheiten.

 

Mindestens 150.000 Kolleginnen und Kollegen traten genau in "dieser Situation" der Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Wechselwirkung zur Corona-Krise und genau wegen ihrer Lage in "dieser Situation" letzte Woche erneut in Warnstreiks. Am Jugendaktionstag streikten 3000 Azubis.

 

Die Gewerkschaft ist vor dem Mainstream nicht eingeknickt. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist das Ergebnis  ein fauler Kompromiss, weil die volle gewerkschaftliche Kampfkraft nicht eingesetzt wurde - die Kolleginnen und Kollegen waren streikbereit. Die MLPD hat die Aktionen nach Kräften unterstützt und war immer an der Seite der Kolleginnen und Kollegen. Das gewerkschaftliche Bewusstsein hat sich durch die Beteiligung an den Warnstreiks eindeutig weiter gestärkt, und es gibt bei allen kontroversen Diskussionen insgesamt einen großen Rückhalt für die Streikenden unter der Masse der Bevölkerung.

 

Unter Führung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) schwenkten die kommunalen Arbeitgeberverbände am Wochenende mehr und mehr auf Dämpfungspolitik um. Offensichtlich hatten beide Seiten ein Interesse daran, die Tarifauseinandersetzung schnell zu beenden. Ein Streik im Öffentlichen Dienst hätte in dieser Krisensituation einige Brisanz gehabt, insbesondere wenn er sich mit anderen betrieblichen Auseinandersetzungen und Kämpfen verbunden hätte. Zu kritisieren ist, dass die ver.di-Führung die Zugeständnisse mit dem politischen Preis der langen Laufzeit von 28 Monaten bezahlte, um die Tarifrunde u. a. aus der Bundestagswahl 2021 raus zu halten. Allerdings: Es gibt ausdrücklich noch keinen verbindlichen Abschluss, wie es die bürgerlichen Massenmedien insistieren, sondern nur eine Tarif-Empfehlung. ver.di hat ausdrücklich dazu aufgerufen, darüber auch an der Basis zu diskutieren!

 

Da die Lohnerhöhung erst ab ab dem 1. April 2021 um 1,4 Prozent, mindestens aber 50 Euro beginnt, heißt das für die Kolleginnen und Kollegen eine Nullrunde von sieben Monaten. Ab dem 1. April 2022 wird es zwar eine weitere Steigerung um 1,8 Prozent geben aber von einer Erhöhung von 3,2 Prozent, bzw. sogar 4,5 Prozent für die unteren Lohngruppen kann keine Rede sein.
 Trotzdem ist es richtig und wichtig, dass die unteren Tarifgruppen jetzt relativ mehr erhalten.

 

Die Kolleginnen und Kollegen erkämpften ab Januar 2022 und Januar 2023, dass die Arbeitszeit der Beschäftigten im Osten sinkt und ab 2023 mit 39 Stunden auf dem - allerdings hohen - Westniveau liegt. Ver.di ist mit dem Ziel angetreten, die "Tarifmauer einzureißen", insofern ist das trotz des überlangen Zeitraums ein Erfolg. In den Krankenhäusern gilt für die Kolleginnen und Kollegen im Westen die 38,5-Stunden-Woche. Um auf diese Stundenzahl zu kommen, sinkt die Arbeitszeit im Osten ab 2023 in drei Schritten jährlich um jeweils eine halbe Stunde und erreicht erst 2025 Westniveau.

 

Die Erklärfrist läuft bis 26. November 2020. Die ver.di-Vertrauensleute und "Tarifbotschafter" werden die Zeit nutzen, um das Ergebnis der Tarifverhandlungen kritisch und gründlich zu diskutieren, neue Mitglieder zu gewinnen und darüber abzustimmen.

Weitere Ergebnisse:

Die Jahressonderzahlung soll nach Einkommensgruppen gestaffelt steigen. Für das Jahr 2020 wird es außerdem eine nach Entgeltgruppen gestaffelte Corona-Prämie geben, die steuer- und abgabenfrei ist und die noch dieses Jahr ausgezahlt wird. Falls Kolleginnen und Kollegen bereits Prämien erhalten haben und mit der in der Tarifeinigung beschlossene Prämie über 1500 Euro hinauskommen, müssten für den darüber liegenden Teil Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden. Trotzdem ist das auch ein wichtiges erkämpftes Ergebnis - auch aufgrund der großen Unterstützung in der Bevölkerung. Auszubildende und Praktikantinnen wie Praktikanten erhalten zum 1. April 2021 und 2022 jeweils eine Erhöhung von 25 Euro und für 2020 eine Corona-Prämie von 225 Euro im Bereich der Kommunen und 200 Euro beim Bund. Neben der Verlängerung der Regelung zur Übernahme von Azubis ist es trotz vorigen Widerstands außerdem gelungen, in die Tarifierung der praxisintegrierten Studiengänge einzusteigen. Wichtig war, die geforderten Angriffe auf das System der Eingruppierung abzulehnen und sich durchzusetzen.

 

Die Corona-Prämie erhalten die Kolleginnen und Kollegen in den Sparkassen wie alle anderen auch. Allerdings erhalten sie eine niedrigere Entgelterhöhung und später: Ab 1. Juli 2021 1,4 Prozent und ab 1. Juli 2022 1 Prozent. Davon soll noch ein Teil gegen Sonderzahlungen gegengerechnet werden können. Dafür gibt es dann zusätzliche Urlaubstage. Ausgenommen von den Erhöhungen sind die Flughäfen, für die Verhandlungen zu einem Notlagentarifvertrag laufen. Das ist eine Spaltung, die nicht zu akzeptieren ist!