Chile
Überwältigende Mehrheit will neue Verfassung
In Chile mit seinen 17,5 Millionen Einwohnern wütet die Corona-Pandemie mit mindestens 500.000 Infizierten und 14.000 offiziell gezählten Toten besonders heftig.
Mit großer Disziplin und Geduld, bei Einhaltung der Abstands- und Maskenregelung stimmten 5,8 Millionen Chileninnen und Chilenen mit 78,3 Prozent für eine neue Verfassung. Sogar 79 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten dafür, dass dazu eine eigene, verfassungsgebende Versammlung gewählt wird – entgegen der Pläne des ultrarechten Pinera-Regime, das sich dabei vor allem auf das von rechten Parteien dominierte Parlament stützen wollte.
Die bis heute gültige Verfassung stammt aus dem Jahr 1980 – der Zeit des faschistischen Pinochet-Regimes. Sie beinhaltet nicht nur eine massive Einschränkung demokratischer Rechte, weitgehende Straffreiheit für Verbrechen des Militärapparats, sondern auch eine komplette Privatisierung und Kommerzialisierung sämtlicher staatlicher Fürsorgeaufgaben. In Chile ist das gesamte Gesundheits-, Bildungs- und Rentensystem in der Pinochet-Zeit privatisiert worden – bis hin zu Wasser und Stromversorgung. Das hat maßgeblich zu der besonders krassen Kluft zwischen arm und reich in diesem modernen kapitalistischen Land beigetragen.
Dagegen entfalteten sich ab Oktober 2019 heftige Massenproteste, die das Pinera-Regime mit brutalen Polizeieinsätzen eskalieren ließen: Verhaftungen, Folter und Vergewaltigungen besonders gegen kämpferische Frauen und Mädchen. Perfide war, dass die Polizei den Demonstrierenden Gummigeschosse und Tränengas direkt in die Augen schoss – Hunderte erblindeten. Die blutenden Augen wurden zum Symbol – wie auf dem unten zu sehenden Wandgemälde, dass dem Kapitalismus wünscht „zu brennen“.
Dass überhaupt einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung zugestimmt wurde, war ein Zugeständnis des Regimes, um die Lage zu beruhigen. Aber trotz Corona entfalteten sich in den letzten Wochen erneut Arbeiter- und Volkskämpfe mit neuer Wucht.
Die überwältigende Wahlbeteiligung und das Ergebnis demonstriert den drängenden Wunsch der Massen nach demokratischen Rechten und Freiheiten. Viele haben auch Illusionen in die neue Verfassung und glauben, dass sich damit alles zum Guten wenden wird. Vielen ist aber auch bewusst, dass es mit einer neuen Verfassung nicht getan ist. Eine der Parolen lautet: „Esto no ha terminado!“ - Das ist nicht vorbei! Es gilt für die chilenischen Massen, ihren Weg des Kampfes für demokratische Rechte und Freiheiten weiter zu gehen und ihn höherzuentwickeln.