Arbeiteroffensive
Forderung nach einem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht erhält neue Brisanz
In der aktuellen Krisensituation, aber auch in Hinblick auf die Zukunft, treten immer häufiger Arbeiter mit wichtigen Streiks auf den Plan: Bei VW in Hannover legten am 23. Oktober etwa 30 Kollegen das Band still, weil VW Corona-Schutzmaßnahmen nicht einhielt.¹ An gewerkschaftlichen Streiktagen außerhalb von Tarifrunden beteiligten sich in den letzten Monaten Zehntausende bei Daimler, Conti, MAN usw. Selbständig initiierte Pausenversammlungen sind Formen des Protests und der Beratung. Weltweit nehmen Streiks der Arbeiter zu. Bergleute in der Ukraine und Kolumbien führen erbitterte Kämpfe.
Der Kampf um ökonomische Forderungen verbindet sich oft mit politischen Forderungen wie dem Schutz vor Corona z. B. in Italien oder richtet sich direkt gegen die Regierung wie in Belarus. Das belegt, wie die Arbeiter Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung übernehmen und damit in eine neue gesellschaftliche Rolle hineinwachsen.
Streik als Form des kollektiven Kampfes entstand mit der Entwicklung des Kapitalismus als Waffe der Arbeiter, ihre Interessen gegen die Kapitalisten durchzusetzen. Dazu schrieb Lenin: „Jeder Streik erinnert die Kapitalisten daran, dass die wahren Herren nicht sie sind, sondern die Arbeiter … Jeder Streik erweckt in den Arbeitern mit großer Kraft den Gedanken an den Sozialismus – den Gedanken an den Kampf der ganzen Arbeiterklasse für ihre Befreiung vom Joch des Kapitalismus.“²
Oft aber halten Kollegen einen Streik zwar für notwendig, wie jetzt bei Daimler, fürchten aber Repressalien: „Ist das erlaubt? Werde ich gekündigt wenn ich streike?“ In vielen anderen Ländern wie z. B. Frankreich gibt es ein Streikrecht! In Deutschland dagegen wird den Arbeitern und Angestellten nur ein durch Richterrecht geregeltes Streikrecht in Tarifauseinandersetzungen zugestanden, wenn diese von den Gewerkschaften geführt werden. Streiks gegen Stilllegungen und Entlassungen, selbständige, Solidaritätsstreiks, politische Streiks oder Generalstreiks sind damit nicht erlaubt!
Das wirft ein Schlaglicht auf die tatsächlichen Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft. Konzerne wie Daimler, Thyssenkrupp etc. haben die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und das Recht, Arbeitsplätze zu vernichten. Das ist im Grundgesetz durch das „Recht auf Privateigentum“ verankert und wird durch Justiz, Polizei und Militär abgesichert. Doch den Arbeitern werden grundlegende Rechte vorenthalten, sie sollen sich an die Spielregeln halten, die ihr Klassengegner bestimmt, ansonsten werden sie kriminalisiert!
Um ihre Klasseninteressen zu vertreten, kann die Arbeiterklasse diese Einschränkung ihrer Grundrechte nicht hinnehmen. Deshalb ist es gerade in der jetzigen Situation immer wichtiger, sich das Recht auf Streik zu nehmen und dieses Recht gleichzeitig politisch einzufordern.
Die MLPD unterstützt und fördert als revolutionäre Arbeiterpartei deshalb nicht nur offensiv geführte gewerkschaftliche und selbständige Kämpfe und steht nicht selten an ihrer Spitze. Sie und ihre Vorläuferorganisationen fordern von Beginn an auch ein vollstäallseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht. Allseitig, weil es ökonomische, politische, gewerkschaftliche und selbständige Streiks bis zum Generalstreik umfasst. Vollständig, weil es für Arbeiter, Angestellte, Beamte und Auszubildende gilt. Gesetzlich, weil es im Grundgesetz garantiert sein muss und nicht lediglich ein vom Koalitionsrecht abgeleitetes Gewohnheitsrecht.
Die reformistische Gewerkschaftsführung lehnt den Kampf um ein solches Streikrecht ab. Denn sie „haben selbst ein Interesse, den Klassenfrieden und die Politik der Klassenzusammenarbeit zu erhalten, weil dies ihre gesellschaftliche Daseinsweise begründet.“³ Gerade die antikommunistische Hetze verbreitet dann oft, die Arbeiter und vor allem ihre führenden Vertreter seien „selbst schuld“ an ihrer Maßregelung. Das ist die gleiche Logik, mit der der Erpresser argumentiert, wer nicht die Klappe hält und das Lösegeld zahlt, sei selbst schuld an den Folgen! Diese Hetze ist also ein plumper Versuch, von den undemokratischen Verhältnissen abzulenken.
Eine zentrale Forderung im Übergang zur Arbeiteroffensive
Die Forderung nach einem allseitigen und vollständigen gesetzlichen Streikrecht ist eine zentrale Forderung zum Übergang in die Arbeiteroffensive. Stefan Engel kennzeichnet sie als „...zentrale Forderung zur Verbindung von ökonomischen und politischen Forderungen und für den Übergang von ökonomischen zu politischen Kämpfen (…) in Deutschland“⁴ Warum ist das so wichtig? Ökonomische Kämpfe haben ihre grundlegende Bedeutung darin, dass sie die unmittelbaren materiellen Interessen der Arbeiterklasse berühren und alle Arbeiter in den Kampf einbeziehen. Sie stoßen aber an ihre Grenzen, weil sie nichts grundsätzlich an den kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen ändern. Sie stoßen auch an die politische Grenze, dass ihr berechtigter Kampf kriminalisiert wird. Damit wird der Blick auf die Rolle des Staates als Instrument zur Aufrechterhaltung der Diktatur der Monopole gelenkt.
Politische Streiks wie der Beschluss US-amerikanischer Gewerkschaften zu einem Generalstreik für den Fall eines Putsches von Noch-US-Präsident Donald Trump sind wesentlich für die Höherentwicklung zum Klassenkampf im eigentlichen Sinn. „Erst dieser richtet sich gegen die herrschende Klasse insgesamt und gegen den Staat als Instrument der bürgerlichen Klassenherrschaft.“⁵
Deshalb kommt es heute darauf an, die Kollegen für den Kampf um die Forderung nach einem allseitigen und vollständigen gesetzlichen Streikrecht zu gewinnen.