Bergkamen
Bunte und zukunftsweisende Bergarbeiterdemo zum Umweltkampftag
Am internationalen Umweltkampftag hat die Bergarbeiterbewegug Kumpel für AUF zusammen mit dem kommunalpolitischen Bündnis BergAUF Bergkamen zur 14. Demonstration „gegen die Politik der verbrannten Erde durch die RAG – für eine lebenswerte Zukunft der Jugend“ in Bergkamen aufgerufen. Bei bestem Herbstwetter sammelten sich rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Platz der Partnerstädte. Protestiert wurde hier streng coronagerecht: Mit Masken und Mindestabstand.
Die sachkundigen Beiträge aus den Reihen von BergAUF und der Ortsgruppe Bergkamen der MLPD machten deutlich, wie allseitig die Politik der verbrannten Erde in Bergkamen wirkt. An die 30.000 Menschen arbeiteten im Bergbau. Die RAG hat hier einen Scherbenhaufen hinterlassen, so Werner Engelhardt. Drei Zechen gab es früher in Bergkamen, Tausende Bergleute verdienten hier ihr Geld. „Heute verlässt die Jugend die Stadt, weil es weder Arbeits- noch Ausbildungsplätze gibt. Das wollen wir ändern! Statt wegzuziehen ist es viel besser, 'AUF'zustehn!“ So brachte es Jonas von der Jugend-AG von BergAUF auf den Punkt!
Durch Arbeiterwohngebiete von Bergkamen
Die bunte und lebendige Demonstration zog vor allem durch Arbeiterwohngebiete in Bergkamen. Sie erregte großes Interesse und aus vielen Balkonen verfolgten ganze Familien die Demonstration und die Ansprachen, etliche winkten. Überall traf man auf ehemalige Bergleute und Bergarbeiterfamilien. Bergleute von Prosper trafen sogar ehemalige Arbeitskollegen. Es wurden weit über zweihundert Gespräche geführt und erfolgreich für die Finanzierung der Demonstration Spenden gesammelt.
Geschichtsunterricht der besonderen Art
Es gab zwei Zwischenkundgebungen mit einem Geschichtsunterricht besonderer Art. Beim größten Zechenunglück nach dem 2. Weltkrieg mit 405 Toten wurden 1946 Bergleute, die noch hätten gerettet werden können, lebendig begraben, damit die Kohleförderung nachher wieder schneller aufgenommen werden kann. Am Standort des ehemaligen KZ Schönhausen wurde eine Schweigeminute eingelegt. Unter Federführung der Zechenleitung war hier mitten in der Bergarbeitersiedlung mit großem Kommunistenanteil ein KZ auch zur Einschüchterung der Bergarbeiter errichtet worden.
Vielfältige Themen
Die Reden auf der Kundgebung und während der Demonstration und die Zusammensetzung war vielfältig. Neben Bergleuten und ihren Familien waren Arbeiterinnen und Arbeiter von Thyssenkrupp Stahl, Opel, Conti, Bayer und Caterpillar da, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der IG Metall, ver.di, IGBCE und GEW, Frauen vom Frauenverband Courage, Vertreter mehrerer überparteilicher Kommunalwahlbündnisse, das Internationalistische Bündnis, der Jugendverband REBELL und die Kinderorganisation Rotfüchse, MLPD, viele Umweltschützer, Vertreter von Mieterinitativen. "Die Linke" aus Kamen/Bergkamen hatte ein Grußwort übersandt.
In fachkundigen Beiträgen wurde während der Demonstration und bei der Auftakt- und Abschlusskundgebung die Politik der RAG an der ganzen Bandbreite angriffen: von einem Bergbaurentner für den Deputatklau, von einer Mieterinitiative für das Verscherbeln der Bergarbeiterwohnungen an Immobilienhaie, die betriebsbedingte Kündigung von Bergleuten, das Anfahrverbot gegen den Bergmann Christian Link, weil er die Umweltverbrechen der RAG mit bekannt gemacht hatte, die Rücksichtslosigkeit gegenüber der Gesundheit der Bergleute wie die Vergiftung durch PCB-haltiges Hydrauliköl und nicht zuletzt für die Umweltverbrechen durch das Einleiten von PCB-haltigem Grubenwasser in die öffentlichen Gewässer und die Flutung der Zechen mit eingelagerten 1,6 Mio Giftmüll.
Wir brauchen wissenschaftliche und fundierte Gesellschaftskritik
Peter Weispfenning sprach für die MLPD und warf die Frage auf: „Viele fragen sich, warum macht die bürgerliche Politik bei alledem mit? Die RAG ist heute ein internationales Monopol, das 18 Mrd. Euro auf der hohen Kante liegen hat. Man muss sich nur ansehen, wer alles im Stiftungsrat der RAG sitzt. Wirtschaftsminister Altmaier, Vizekanzler Scholz, NRW Ministerpräsident Laschet, IGBCE Vorsitzende Vasiliadis usw. Man kann RAG und die Politik im NRW und Bund doch gar nicht auseinanderhalten. Das ist staatsmonopolistischer Kapitalismus live. Es droht keine 'Corona-Diktatur', wir haben längst eine Diktatur der Monopole über die ganze Gesellschaft. Wir brauchen keine Verschwörungsthoerien, um die Welt heute zu erklären, sondern wissenschaftliche und fundierte Gesellschaftskritik."
Zusammenschluss von Bergarbeiter- und Umweltbewegung
Die Demonstration bestätigte und festigte den Zusammenschluss von Bergarbeiter- und Umweltbewegung. Dieter Grünwald sprach für die Umweltgewerkschaft: „Die Umweltbewegung braucht den Zusammenschluss mit den Arbeitern. Denn sie sind die stärkste Kraft. Die Umweltgewerkschaft steht auch an der Seite der um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Arbeiter. Die Profitwirtschaft zerstört Arbeitsplätze und die Umwelt. Deshalb brauchen wir eine offene Debatte über gesellschaftliche Alternativen, wo die Einheit von Mensch und Natur im Mittelpunkt steht und nicht der Profit. Der Antikommunismus will das verhindern. Deshalb unterstützt die Umweltgewerkschaft auch die Bewegung 'Gib Antikommunismus keine Chance!'“ Am Rande der Demonstration unterschrieben fast 60 Menschen für die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“, darunter auch einige als öffentliche Unterzeichner.
Eine große Rolle spielte auch die Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie und das gescheiterte Krisenmanagement der Regierung. Eine Lehrerin und Erzieherin griff den Umgang mit den Kindern in den Kitas und Schulen an. „In den Schulen werden wissentlich die Gesundheit der Kinder und der Lehrer aufs Spiel gesetzt.“ Anträge von AUF Gelsenkirchen auf Teilung der Klassen, Luftfilter usw. wurden von der Stadt abgelehnt.
Einige Beiträge beschäftigten sich auch mit dem Argument, „dass man doch nichts machen könne“. Dazu Christian Link, öffentlicher Sprecher von Kumpel für AUF: „Durch unseren Widerstand hat die RAG bis heute die Flutung der Zechen nicht wie geplant umsetzen können. Gegen den Deputatklau klagende Kumpel haben einen Teilerfolg erzielen können. Vor Gericht haben die ersten gegen ihre Kündigung klagenden Kumpel auch in 2. Instanz Recht bekommen. Und wir haben erreicht, dass auch Leiharbeiter, die knappschaftlichen Betrieben arbeiten, Anrecht auf knappschaftliche Rechte haben. Das zeigt: Nur wenn man kämpft, kann man gewinnen. Dazu braucht man aber einen langen Atem und ein gute Organisiertheit.“
Dafür sprach auch Andreas Tadysiak, 40 Jahre lang Bergmann und heute Hauptkoordinator der Internationalen Bergarbeiterkoordination. Er berichtet, wie in vielen Ländern die Bergleute an der Spitze des Kampfs um soziale und politische Rechte stehen, wie in der Türkei, Kolumbien, Marokko, Kongo oder Belarus und vermehrt das mit dem Kampf zur Rettung der Umwelt verbinden. Auf der Kundgebung und Demonstration wurden immer wieder alte und aktuelle Arbeiterlieder gesungen. Bei der Kundgebung trug der Bergarbeiterdichter Heinz seine Gedicht vor.
Videobotschaft an die internationale Bergarbeiterbewegung
Zum Schluss der Kundgebung wurde eine Videobotschaft an die internationale Bergarbeiterbewegung erstellt als Ausdruck der internationalen Verbundenheit und Stärke der Bergarbeiter. Mit dem Lied „Santa Barbara“ wurde die Kundgebung beendet. „Es hat mir sehr gut gefallen. Man hat sehr viele Informationen und Argumente bekommen,“ sagte eine Teilnehmerin. Und ein Teilnehmer: „Auch die persönlichen Erfahrungen haben mich beeindruckt.“ Man spürte, dass diese überparteiliche und fruchtbare Zusammenarbeit der verschiedenen Kräfte zukunftsweisend ist.