Das verschärfte Infektionsschutzgesetz

Das verschärfte Infektionsschutzgesetz

Ausdruck der weiteren Rechtsentwicklung der Regierung und weiteren Faschisierung des Staatsapparats

Am 3. November hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorgelegt, der nach einem parlamentarischen „Blitzverfahren“ bereits am 18. November von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden ist.

Von Rechtsanwalt Frank Jasenski, Kanzlei Meister & Partner, Gelsenkirchen
Ausdruck der weiteren Rechtsentwicklung der Regierung und weiteren Faschisierung des Staatsapparats
Rechtsanwalt Frank Jasenski (rf-foto)

Kern ist die Einführung des neuen § 28a IfSG. Dort werden in einer Liste mit 17 Punkten einfach genau die Maßnahmen ins Gesetz geschrieben, die schon in den Corona-Verordnungen der Länder praktiziert worden sind und mit denen so fundamentale Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit oder die Berufsfreiheit, insbesondere von Gastronomen und Künstlern, massiv eingeschränkt werden: Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, Möglichkeit von Versammlungsverboten, Betriebsuntersagungen in Kultur, Freizeit oder Gastronomie, Einschränkung oder Untersagung von Veranstaltungen aller Art, Schließung von Schulen und Kindergärten, Erfassung vom Kontaktdaten und Reisebeschränkungen.

 

Diese nachträgliche „Legalisierung“ der weitestgehenden Einschränkung fundamentaler Grundrechte in der Geschichte der BRD ist jedoch nur die eine, vordergründige Seite der Verschärfungen des IfSG. Sicherlich noch wichtiger ist, dass Monopole und Staat vor dem Hintergrund der Weltwirtschaft- und Finanzkrise die aktuelle Corona-Krise dazu nutzen, zur Vorbereitung auf härtere Klassenauseinandersetzungen und unter dem Deckmantel der bürgerlichen Demokratie neue Instrumente im Übergang zur offenen Unterdrückung zu entwickeln und zu etablieren. Dazu sind die Verschärfungen des IfSG ein Musterbeispiel.


Im März 2020 wurde in einer ersten Gesetzesverschärfung die Ausrufung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch entsprechenden Beschluss des Bundestags eingeführt. Dieser Beschluss ermöglichte es sowohl dem Gesundheitsminister als auch den Länderregierungen, durch Verordnungen selbst die von ihnen für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zu bestimmen und durchzusetzen bis hin zu den genannten massiven Grundrechtseinschränkungen. Dies ging zunächst sogar soweit, im März/April 2020 per Regierungsverordnung jede Art politischer Versammlungen pauschal zu verbieten. Damit wurde z. B. das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für die gesamte Bevölkerung außer Kraft gesetzt, obwohl das damalige IfSG eigentlich Maßnahmen wie z. B. Quarantäne nur gegen Personen vorsah, die bereits infiziert waren.

 

Mit der erneuten Verschärfung des IfSG vom November 2020 wurde dies „korrigiert“ und der gesamte Katalog der bereits seit März 2020 geltenden Grundrechtseinschränkungen für die gesamte Bevölkerung in das Gesetz geschrieben – mit einer Ausnahme: Das pauschale Versammlungsverbot. Vor dem Hintergrund des breiten Protests und unter maßgeblicher Führung der MLPD wurden seither zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen sicher und unter Corona-Schutzbedingungen durchgeführt. Aus diesem Grund haben sich Merkel und Spahn nicht mehr getraut, dies ins Gesetz aufzunehmen.

 

Die Verschärfungen des IfSG sind daher auch Ausdruck der Rechtsentwicklung der Regierung und ein weiterer Schritt zur Verfestigung des Staatsapparats, der sich unterhalb der Ebene der Anwendung bereits im Grundgesetz verankerten Notstandsverfassung neue Instrumente schafft, die Herrschaft der Monopole zu verteidigen. Es wurde jetzt mit dem IfSG erstmals exemplarisch umgesetzt. Unter Missbrauch des berechtigten Wunsches der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nach wirksamem Gesundheitsschutz soll verankert werden, dass in „Notsituationen“ die Regierungen möglichst unter Aufrechterhaltung der parlamentarischen Fassade auf dem Weg von ihr selbst erlassener Verordnungen regieren. Wer garantiert beispielsweise, dass z. B. bei Massenstreiks oder Massendemonstrationen nicht ebenfalls eine „Lage von nationaler Tragweite“ ins Gesetz aufgenommen und die Regierung befugt wird, dagegen exekutive Maßnahmen zu ergreifen… ?

 

Diese Art der Herrschaftsausübung stößt auf Kritik bis hinein in bürgerliche Kreise. So warnt beispielsweise Prof. Kingreen, Staatsrechtler an der Universität Regensburg und einer der Experten in der Anhörung zur Verschärfung des IfSG, vor einem „verfassungsrechtlichen Gewöhnungseffekt“ (Legal Tribune Online, 21.10.20).

 

Diese Art der Ausübung der Herrschaft der Monopole richtet sich daher auch in erster Linie gegen die Arbeiterklasse und ihre Partei. Nicht umsonst war die Methode des „Regierens auf den Verordnungswege“ ein Wegbereiter der Übergabe der Macht an die Faschisten zum Ende der Weimarer Republik. Allerdings ist eine Gleichsetzung mit dem "Ermächtigungsgesetz", das 1933 dem Hitler-Faschismus seine diktatorische Macht verlieh, falsch. Dies ist im Gegenteil eine der "Hauptargumente" der selbst faschistischen "Querdenker", die damit eine Querfront aufzubauen versuchen.

 

Trotzdem ist höchste Wachsamkeit gegen alle Versuche geboten, grundlegende demokratische Rechte auf diese Weise einzuschränken. Diese Rechte sind nicht nur notwendig, um den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung wirksam zu führen sondern auch für den Kampf um eine befreite Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Kampf gegen solche Verschärfungen wie jetzt im IfSG ist daher Bestandteil des gesamten Kampfes gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der weiteren Versicherung des Staatsapparats.


Wirksamer Gesundheitsschutz ja! Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten und Notstandsgesetzgebung nein!