Brexit
Dinner for Two – Auf dem Rücken der Arbeiter und breiten Massen
Gedünsteten Steinbutt mit Kartoffelpüree gab es beim gestrigen Abendessen von EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem britischen Regierungschef Boris Johnson.
Einmal mehr kam es zu keinen Ergebnissen, wie der Austritt Großbritanniens aus der EU ab dem 1. Januar 2021 umgesetzt werden soll. Wir erinnern uns: Eine knappe Mehrheit der britischen Bevölkerung stimmte im Juli 2016 gegen die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU, was eine tiefe offene politische Krise der Europäischen Union ausgelöst hat. Diese Krise hat sich seither weiter vertieft und ist eng verzahnt mit der beschleunigten Herausbildung der Tendenz zur gesamtgesellschaftlichen Krise des Imperialismus.
Die internationalen Übermonopole aus Deutschland machen Druck:„Eine Einigung über ein neues Handelsabkommen in letzter Sekunde muss kommen. Alles andere wäre ein Desaster“, fordert BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. (RP-Online, 28.11.20) Immerhin betrugen die Exporte aus Deutschland nach Großbritannien im vergangenen Jahr 115 Milliarden Euro und Großbritannien liegt als Handelspartner für Deutschland bei den Ausfuhren auf Platz fünf.
Großbritannien ist schwer von der Wechselwirkung zwischen Corona-Krise und Weltwirtschafts- und Finanzkrise betroffen. Die Zahl der Toten, die an Corona verstorben sind, liegt aktuell bei 62.566, auf 66,65 Mio. Einwohner. Damit zählt Großbritannien zu den am schwersten von der Pandemie getroffenen Staaten in Europa, was die katastrophalen Zustände im Gesundheitssystem offenbart.
Die britische Regierung spricht vom größten jährlichen Wirtschaftseinbruch seit über drei Jahrhunderten. 2020 werden 11,3 Prozent Rückgang des BIP erwartet. Nach Schätzungen werden bis Dezember 650.000 Menschen ihre Arbeit verlieren. Das Einkommen von fast einem Drittel der Erwachsenen ist um ein Viertel gesunken. Wer schon einmal in Großbritannien war und die hohen Lebensmittelpreise kennt, kann nachvollziehen, dass 42 Prozent der Mieterinnen und Mieter Angst haben, dass sie ihre Mieten nicht mehr begleichen können.
Der ultrareaktionäre Premierminister Boris Johnson spricht davon, mit dem Brexit „wieder die Kontrolle über unser Geld, unsere Grenzen und unsere Gesetze (zu) haben.“ (SZ, 10.12.20) Was hier als scheinbare „Sorge“ um die Lebenslage der Arbeiter und breiten Massen aufpoliert wird, ist der nackte Anspruch, mit dem Brexit den britischen Imperialismus im internationalen Konkurrenzkampf zu stärken. Um diesen Anspruch nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch zu untermauern, hat Johnson vor kurzem mit zusätzlichen 18,5 Milliarden Euro das größte Investitionsprogramm für das britische Militär seit 30 Jahren angekündigt.
Der wichtigste ökonomische Trumpf im Ärmel von Johnson, ein Freihandelsabkommen mit den USA und Schon-bald-Ex-Präsident Donald Trump, hat sich mit der Abwahl Trumps allerdings in Schall und Rauch aufgelöst. Die Johnson-Regierung ist deshalb gezwungen, sich neu zu orientieren. Das ist der Hintergrund für die sich hin ziehenden Verhandlungen mit der EU. So hat Johnson das erst vor kurzem provokativ gegen die EU in Stellung gebrachte „Binnenmarktgesetz“ jetzt weitgehend entschärft. Damit bleibt – wie von der EU von Anfang an gefordert – die Grenze zwischen Irland und Nordirland und damit ein Zugang der EU zum britischen Markt offen. Unabhängig davon, ob und zu welchem Handelsabkommen es zwischen der EU und Großbritannien kommt.
Glaubt man der EU, geht es ihr „um faire Wettbewerbsbedingungen“. Aber auch hier verbergen sich hinter dem scheinbaren Eintreten für „Gleichberechtigung“ knallharte imperialistische Konkurrenzinteressen. So will sich die EU für Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, Holland, Deutschland und Dänemark dauerhaft das Recht sichern, die Fischbestände in britischen Gewässern auszubeuten. Die EU fürchtet u. a., dass Großbritannien z. B. durch Subventionen und Steuererleichterungen Bedingungen schafft, wodurch Betriebe aus der EU ihre Produktion nach Großbritannien verlagern und damit den britischen Imperialismus auf Kosten der EU stärken.
„Geregelter“ oder „ungeregelter“ Brexit – das sind bürgerliche Scheinalternativen, die vom Kern der Sache ablenken. Der imperialistische Konkurrenzkampf wird auf dem Rücken der Arbeiter und breiten Massen ausgetragen. Die echte Alternative liegt darin, dass die Revolutionäre in Großbritannien und auf der Welt eng zusammenarbeiten, sich in der ICOR organisieren und/oder am Aufbau einer antiimperialistischen Einheitsfront beteiligen. Der neue Engels-Film der MLPD trägt dazu bei: „Wir sind definitiv daran interessiert den Film zu verwenden ...“ heißt es in einer Zuschrift aus Großbritannien an die MLPD.