Buchrezension
"Der neunte Arm des Oktopus" von Dirk Rossmann
Weihnachten gehen viele Bücher über den Ladentisch. Aktuell wird man in allen Medien mit Werbung und Rezensionen des Buches "Der neunte Arm des Oktopus" von Dirk Rossmann geradezu bombardiert. Dieses Buch liegt gut im Rennen. Ein Thriller, zu den brennenden Fragen unserer Zeit, zur Krise des Klimas und zur wachsenden Gefahr von Kriegen. Udo Lindenberg war begeistert: „Super spannend, Respekt!“ Spannend und lesenswert ist das Buch, unbedingt. 400 Seiten, in zwei Tagen war ich durch. Also ein gutes Buch? Nein, das ist es gerade nicht!
Das Buch ist geschrieben wie eine Reportage. Die kurzen Kapitel aus der Gegenwart, aus der nahen Zukunft und dem Jahr 2100 von verschiedenen Kontinenten, realen und fiktiven Personen entwickeln ein düsteres Szenario. Die bedrohliche Entwicklung des Weltklimas und seine Folgen werden drastisch beschrieben. Anhand von Szenen aus Sibirien, Afrika und Indien, betroffen sind die armen Einwohner dieser Länder. Greta Thunberg wird kurz erwähnt, aber eine eigenständige Bewegung der Weltbevölkerung gibt es wohl nicht.
Einige Hundert Menschen beherrschen die Welt, das gibt der Autor zu. In dieser Welt kennt er sich aus. Dirk Rossmann ist Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette und Milliardär, befreundet mit Gerhard Schröder und anderen Politikern, die gerne im Buch erwähnt werden. Von den internationalen Konzerne ist nur am Rande die Rede, die Politiker haben das Sagen. Im Buch wird Bill Gates zum Boten der amerikanischen Regierung.
Aber 2025, man weiß nicht warum, haben die Mächtigen ein Einsehen und wollen die Welt retten. Xi Jinping, Wladimir Putin und Kamala Harris gründen die G3, zuerst im Geheimen, dann offiziell. Sie verkünden der Welt, dass unbedingte Klima-Neutralität und Ein-Kind-Politik verordnet ist. Rüstungsausgaben müssen auf Null gefahren werden. Außer für die G3 natürlich. Und wenn eine Regierung das nicht akzeptiert, muss sie mit drakonischen Strafen rechnen – bis zum Einsatz militärischer Mittel. Zuerst trifft diese Drohung Brasilien. Die G3 wollen die Zerstörung des Regenwalds aufhalten. Kann der Krieg vermieden werden? Der Thriller nimmt Fahrt auf ...
Mir fallen viele Paralellen der Geschichte ein. Weltweit setzt ein Teil der Milliardäre auf eine faschistoide Politik: Einfach draufschlagen, das Profitinteresse rücksichtslos durchsetzen. Andere setzen auf die Manipulation von Massenbewegungen, auf die Verfeinerung des Betruges durch ein System der kleinbürgerlichen Denkweise. Zu ihnen gehören Georg Soros, Bill Gates – und Dirk Rossmann. Getrieben sind beide Fraktionen vor der Angst vor der sich anbahnenden revolutionären Weltkrise. In der Abwehr einer Massenbewegung der Weltbevölkerung arbeiten beide Fraktionen zusammen.
Das erinnert an die Zeit um 1900, als der Imperialismus entstand. Es kam auf die Vorbereitung der Revolution an. Der Theoretiker der SPD Karl Kautsky entwickelt die Theorie des Ultra- oder Überimperialismus. Er vertrat, die gegeneinander konkurrierenden Monopole würden sich zu einem einzigen Monopol und der Imperialismus in einen friedlichen Imperialismus verwandeln. Darum könnte die Arbeiterbewegung auf den revolutionären Kampf verzichten. Das bezeichnete Lenin als den "reaktionäre(n) Versuch eines erschrockenen Kleinbürgers, sich über die grausame Wirklichkeit hinwegzusetzen" und Kautsky als Verräter. Der Erste Weltkrieg und die Oktoberrevolution gaben Lenin recht.
Dirk Rossman wärmt Kautskys Theorie in literarischer Form wieder auf und spricht nicht umsonst von einer Weltregierung der G3. Alle sozialen Probleme lösen sich so schiedlich-friedlich in den Zukunftskapiteln auf. Das passt auch ganz konkret zu den Plänen, weltweit Friday for Future in eine zahme Unterstützungsbewegung bürgerlicher Parteien zu verwandeln und die Arbeiterbewegung an die ausgelutschen Phrasen des Reformismus zu binden. Und dazu muss man kräftig glauben – das passt zu Weihnachten und dem „kleinen Lord“ – an die sozialen Versprechungen und die Einsicht der Reichen.
Das Buch kann man durchaus mal lesen. Man sieht, das Kapital hat das Problem der weltweiten Krise erkannt. Dem vorgeschlagenen Weg kann ich mich aber nur entgegen stellen. Bei People to People finde ich Bücher, die nicht nur spannend sind, sondern helfen, die Krake des Kapitalismus zu beseitigen.