Umwelt
Mensch, Krankheitserreger und Impfung: In der Natur geht es dialektisch zu
Bakterien sind nicht immer „böse Krankheitserreger“. Gesicherter Stand des Wissens ist heute:
Der Mensch lebt in Symbiose mit ca. 10 Billionen bis 100 Billionen Bakterien, die seine Körperoberfläche besiedeln, vor allem aber den Darm als größte Oberfläche zur Umwelt. Ohne diese „freundlichen Bakterien“ wäre der Mensch zu einem raschen Tod verurteilt, sie leisten Grundlegendes für Immunsystem, Verdauung, Stoffwechsel und halten gefährliche Krankheitserreger in Schach. Das ganze hat heute auch einen wissenschaftlichen Namen, das „Mikrobiom“. In der Behandlung vieler Krankheiten wird die Reparatur eines gestörten Mikrobioms als unverzichtbare Maßnahme erkannt und mittels Ernährungstherapie, probiotische Präparate oder sogar Stuhl-Transplantation durchgeführt.
Und was ist mit den Viren? Bis vor wenigen Jahren galten Viren prinzipiell als Schädlinge. Doch auch dieses Vorurteil musste die Medizin inzwischen korrigieren. Professor Helmut Schatz, Bochum, schreibt im Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie: „Jetzt wendet sich das Blatt und man beginnt die Darmviren, das Virom, als positiv und ebenso wichtig anzusehen wie das Mikrobiom.“¹
Verfolgt man die Spuren der Entwicklungsgeschichte höherer Lebewesen, dann kann man heute nachweisen, dass immer wieder Bakterien, andere Einzeller oder Viren in das menschliche Erbgut (Genom) und damit auch in den menschlichen Organismus eingebaut wurden. Unsere Zellkraftwerke, die Mitochondrien, waren ursprünglich eigenständige Einzeller. Durch ihre Eingliederung in die eigene Zelle und die Erbsubstanz wurden sie nach vorausgegangener nützlicher Symbiose dann fest in alle Zellen höherer Lebewesen eingebaut. So erging es auch vielen nützlichen Viren – aber auch umgekehrt: Gewisse Stränge von Erbgut (RNA, DNA) wurden aus zellulären Organismen entfernt und begannen ein Eigenleben als Viren: Da sie selbst über keine eigene Zelle verfügen, sondern nur Erbgut mit umhüllender Eiweißkapsel sind, können sie sich nicht eigenständig vermehren, sondern müssen dazu in Wirtszellen eindringen. Daraus resultieren gefährliche, oft tödliche Krankheitserreger.
Die Impfung gegen pathogene Viren (Krankheitserreger) ging bisher in der Regel folgende Wege:
- Lebendimpfung: Ein abgeschwächter Stamm des Krankheitserregers wird geimpft, regt den Körper zur Produktion von Antikörpern an. Beispiel: Masern-Mumps-Röteln-Impfung. Vorteil: In der Regel reicht eine einmalige Impfung. Risiko: Die Impfviren können in seltenen Fällen auch Komplikationen und Impfschäden auslösen.
- Totimpfung: Inaktivierte, abgetötete Viren oder Teile von ihnen werden geimpft und rufen die Immunantwort hervor. Das sind heute die meisten Impfstoffe, die Impfung muss in der Regel aufgefrischt werden, da die Immunantwort in der Regel schwächer ausfällt.
Einen neuen Weg gehen Impfstoffe gegen SARS-CoV2, die auch von Start-ups in Deutschland wie CureVac (Tübingen) oder Biontec (Mainz) entwickelt wurden und gegenwärtig getestet werden. Für den Biontec-Impfstoff wurde am 20. November der Zulassungsantrag bei der US- und der europäischen Arzneibehörde eingereicht, ebenso für den Impfstoff des Konkurrenten Moderna. Beides sind sogenannte Messenger-RNA (mRNA²)-Impfstoffe.
Leben, Eiweißkörper, DNA und RNA
Friedrich Engels schrieb in seinem Werk „Dialektik der Natur“³: „Leben ist die Daseinsweise der Eiweißkörper, deren wesentliches Moment im fortwährenden Stoffwechsel mit der äußeren sie umgebenden Natur besteht und die mit dem Aufhören dieses Stoffwechsels auch aufhört und die Zersetzung des Eiweißes herbeiführt. Wenn es je gelingt, Eiweißkörper chemisch darzustellen, so werden sie unbedingt Lebenserscheinungen zeigen, Stoffwechsel vollziehn, wenn auch noch so schwach und kurzlebig.“
In der Regel besteht das Erbgut aller Lebewesen aus DNA (Desoxyribonukleinsäure), einzig einige Viren machen davon eine Ausnahme und haben – wie z. B. Corona-Viren RNA (Ribonukleinsäure) als Erbgut. Bei Lebewesen, deren Zellen Zellkerne entwickeln, liegt die DNA als sogenannte Doppelhelix im Zellkern. Zwei Stränge sind umeinander gewickelt, um abgelesen zu werden, müssen die Stränge an der benötigten Stelle auseinander gehen. Abgelesen wird die Information dann durch die Botenstoff-RNA („Messenger-RNA“, m-RNA). Die Codierung folgt über die Abfolge der sogenannten Basenpaare. Die m-RNA macht sich dann auf den Weg zu den Ribosomen, das sind die Chemiefabriken der Zelle, die dann aus Aminosäuren die von der Zelle benötigten Eiweißkörper zusammensetzen. Eingesammelt werden die Aminosäuren von der sogenannten Transfer-RAN (t-RNA), die sich dann an die in den Ribosomen befindliche r-RNA (ribosomale RNA) anheftet, zusammen mit der m-RNA, die diesen Ablauf steuert. „Endprodukt“ und Ziel des ganzen Vorgangs sind die Eiweißkörper (Proteine), die von der Zelle benötigt werden. Der ganze Vorgang zeigt die Selbstorganisation der Materie auf höchster Stufe und das Leben als dialektischen Prozess der Natur.
m-RNA Impfstoffe
Von diesen Impfstoffen, die aus genau ausgewählten Teilen der m-RNA des Virus bestehen, wird ausgenutzt, dass die Erbgutstränge von Viren die menschlichen Zellen kapern und im Produktionsapparat der Zelle ihr Erbgut kopieren und ihre Hüll-Eiweiße produzieren können.⁴ Für den Impfstoff wird natürlich nicht das komplette Virus-Genom verwendet (sonst würden ja komplette krankheitserregende Viren produziert), sondern nur ein kleiner Teil des Erbguts, der dann in der menschlichen Zelle zur Produktion einzelner Eiweiße der Virus-Oberfläche führt. Gegen diese entwickelt der Organismus Antikörper und immunaktive Zellen, die beim echten Eindringen des SARS-CoV-2 dann in Aktion treten und die Viren vernichten.
Die Technik, mit m-RNA zu arbeiten, wurde zuerst in der Tumormedizin entwickelt und jetzt auf den Kampf gegen Viren angewendet.
Pragmatismus und Mystizismus gegenüber alten und neuen Impfstoffen
Die Frage der Impfungen und ihrer Höherentwicklung steht im Kreuzfeuer auch einer weltanschaulichen Auseinandersetzung. Der von der Profitwirtschaft diktierte Zwang zu raschen „Markterfolgen“ steht Pate bei „beschleunigten Zulassungsverfahren“ unter Umgehung notwendiger Sicherheitsschritte und Bagatellisierung der Rest-Unsicherheit, die notwendig bei neuen Substanzen und Verfahren besteht. Die prinzipielle Verteufelung aller Impfungen durch generelle Impfgegner rückt Impfungen mystisch in das Zwielicht von Vergiftung und Genmanipulation. Die gleichen Impfgegner bejubeln dann „Masern-Parties“ und „Corona-Parties“. Was soll daran besser sein, Menschen das gesamte Erbgut gefährlicher Viren einzuschleusen und sie damit krank und im Überlebensfall immun zu machen, anstatt nur einen Teil des Erbguts mit dem Ergebnis einer Immunität ohne Krankheit?
Bei aller notwendiger Sorgfalt und noch notwendigen Studien über die dann erstmalig zur Anwendung kommenden m-RNA-Impfstoffe zeigt sich in der Impfstoffentwicklung der Zusammenhang zwischen Anwendung der Dialektik und medizinischem Fortschritt.