Sachsen-Anhalt

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Zocker, Ultrarechte und 86 Cent – Offene politische Krise in Magdeburg

Seit mehr als einer Woche wird im Landtag und in den Medien heftig gestritten. Es geht um das mögliche Ende für die „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Am Freitag wurde Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) von Ministerpräsident Reiner Haseloff, ebenfalls CDU, entlassen. Die Regierung in Sachsen-Anhalt ist damit in einer offenen politischen Krise. Der Anlass scheint geringfügig zu sein. Ein Streit um die berühmten Peanuts?

Von daw
Zocker, Ultrarechte und 86 Cent – Offene politische Krise in Magdeburg
Auch wenn es auf dem Bild friedlich aussieht - Im Magdeburger Landtag rummst es aktuell kräftig (foto: Torsten Maue (CC BY-SA 2.0 Generic))

Zum 1. Januar 2021 soll der Rundfunkbeitrag um 86 Cent pro Monat auf 18,36 Euro steigen. Das geht nur, wenn alle Bundesländer dem Staatsvertrag zustimmen. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat sich im Rundfunkrat enthalten, schließlich aber doch unterschrieben, spricht sich aber in Interviews weiter gegen eine Erhöhung aus. Es fehlt noch die Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt. SPD und Grüne sind dafür, die CDU ist für irgendwie nein, aber dann doch für ja?

 

Holger Stahlknecht hat sich als Landesvorsitzender der CDU festgelegt, die Erhöhung wäre „nicht verhandelbar“.¹ Auf diese ultimative Äußerung in der Volksstimme folgte am nächsten Tag seine Entlassung. Reiner Haseloff will keine Abstimmung im Medienausschuss des Landtages, denn dann müsste die CDU Farbe bekennen. Und diese Farbe wäre hässlich schillernd von braun bis blau. SPD, Grüne und Linkspartei wollen dort für die Erhöhung stimmen, die CDU und die AfD würden zusammen dagegen stimmen. Damit würde die Legitimation für die „Kenia“-Koalition fallen, die 2016 als angebliches „Bollwerk gegen rechts“ ins Amt kam.

 

Die MLPD lehnt die Kritik von rechts an den Rundfunkgebühren ab!

 

Holger Stahlknecht brachte in seinem Interview mit der Volksstimme vom 3. Dezember eine CDU-Minderheitsregierung ins Spiel. Scheinheilig distanzierte er sich von der AfD. Eine Minderheitsregierung bräuchte aber eine parlamentarische Mehrheit. Also eine Tolerierung durch die AfD. Das bedeutet eine Verschärfung eines ultrarechten Kurses, für den Holger Stahlknecht steht. Nicht umsonst bekam er umgehend Zustimmung von Friedrich Merz. Teile der CDU sind durchaus zu einer Zusammenarbeit mit der AfD bereit. Darum wackelte die „Brandmauer gegen rechts“ bereits öfters bedenklich, wie selbst die Volksstimme schreibt.²

 

CDU-Landesschatzmeister Karl Gerhold hatte dagegen am Dienstag, 1. Dezember mit Rücktritt gedroht, falls die CDU gemeinsam mit der AfD stimmt. Der Unternehmer gilt als einflussreich. Er befürchtet ein „politisches Desaster für die CDU“, meint, sie würden dann als „Schmuddelkinder“ dastehen.³ Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Paul Ziemiak, ruft SPD und Grüne zu „staatspolitischer Verantwortung“ auf und lehnt eine Zusammenarbeit mit der AfD ab.⁴

 

Eine direkte Zusammenarbeit der Ultrareaktionäre mit den Wegbereitern des Faschismus ist Ende 2019 in Österreich mit ordentlich Krach gescheitert und abgewählt worden. Die maßgeblichen Teile des deutschen Kapitals setzen gegenwärtig nicht auf diesen Kurs. Holger Stahlknecht hat sich „verzockt“.⁵ Das schreibt die Volksstimme einen Tag, nachdem sie ihm die Plattform für sein Ultimatum bot. Nun wirds wohl nichts mehr mit seinen Ambitionen, als nächster Ministerpräsident Reiner Haseloff zu beerben.

 

Reiner Haseloff bemüht sich, die Kuh vom Eis zu zerren. Keine Abstimmung, Neuverhandlung des Staatsvertrages, Zustimmung, „weil Corona die Voraussetzungen verändert hat“ - mal sehen, was die parlamentarische Trickkiste noch zu bieten hat. SPD und Grüne profilieren sich als Kämpfer gegen die AfD, sie warten ab. Linkspartei-Fraktionschef Thomas Lippmann bedauert sogar, dass „durchsichtige Machenschaften dem Vertrauen in Politik und Demokratie sowie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Schaden zufügen.“⁶

 

Welches Vertrauen in die Politik? In der Bevölkerung ist die Distanz zu den bürgerlichen Parteien schon so groß, dass die politische Krise fast Desinteresse hervorruft. Sachsen-Anhalt liegt im Anteil von Niedriglöhnen und Armut an der Bundesspitze. Der Abbau von Arbeitsplätzen in Betrieben und vielen kleineren Geschäften wird weitergehen. Die Wälder sterben großflächig ab, und mehr als jede zehnte Schule in Magdeburg ist von Quarantäne-Maßnahmen wegen Corona betroffen. Es gab schon bisher überhaupt keinen Grund, in diese Landesregierung einzutreten und den Kapitalismus mit zu verwalten.

 

Bei weiter wachsender Unzufriedenheit sinkt die Zustimmung für die AfD ab. SPD und Grüne bekommen Zuspruch bei den Zwischenschichten, bei den Arbeitern sind sie zu Recht unbeliebt. Es reicht nicht aus, dagegen zu sein. Es kommt darauf an, Einflüsse des Antikommunismus und der Ausländerfeindlichkeit zu überwinden, damit sich die Arbeiterbewegung entschieden weiter entwickeln kann und diesem Chaos eine Alternative entgegen setzt. Dafür macht sich die Internationalistische Liste / MLPD stark.