Bundestagsbeschluss
Antisemitismuskeule gegen BDS scheitert an massenhafter Kritik
Am 17. Mai 2019 stimmten die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und große Teile von Bündnis 90/Die Grünen für einen Antrag, der die BDS-Bewegung als antisemitisch diffamiert. Der Bundestag folgte damit in seiner Mehrheit der vom israelischen Geheimdienst Mossad und reaktionärsten US-amerikanischen und israelischen Kreisen initiierten und gelenkten Hetz- und Unterdrückungskampagne.
Seit 2004 richtet sich die internationale Bewegung "Boykott, Desinvestition, Sanktion" (BDS) gegen die Apartheitspolitik der ultrareaktionären israelischen Regierung, insbesondere gegen die völkerrechtswidrige Besetzung palästinensischer Gebiete. Sie kämpft für die Durchsetzung der UNO-Resolution 194. Diese fordert, dass palästinensische Flüchtlinge das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat haben und dort mit ihren Nachbarn in Frieden leben können. Die MLPD unterstützt die BDS-Kampagne kritisch, wie dies zahlreiche internationale Organisationen, Kulturschaffende, Gewerkschaften, ja sogar Staaten tun. Denn weltweit finden immer mehr Menschen die blutige Unterdrückung des palästinensischen Volks und seines Befreiungskampfs durch die Netanjahu-Regierung unerträglich - darunter viele fortschrittliche Juden in Deutschland und in Israel selbst.
Sogar eine Diskussion über BDS bekommt keine Räume
Mit der Bundestagsresolution, die jedwede Kritik an Israel des Antisemitismus bezichtigt, glaubten Reaktionäre aller Sorten, darunter die sogenannten "Antideutschen", eine wirksame Waffe gegen Kritik an der herrschenden Politik Israels in der Hand zu haben. In Frankfurt, Göttingen, München und weiteren Städten bekamen Veranstaltungen fortschrittlicher Initiativen, darunter der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost", keine Räume - immer mit Berufung auf diese Bundestagsresolution mit dem diffamierenden Titel "Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten - Antisemitismus bekämpfen". In München ging das so weit, dass eine Diskussionsveranstaltung, in der auch Kritiker der BDS-Kampagne auftreten wollten, untersagt wurde. Die drei Buchstaben lösten in manchen Kreisen eine richtiggehende Hysterie aus.
Vor wenigen Tagen wurde nun ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des deutschen Bundestags öffentlich, wonach die Bundestagsresolution vom Mai 2019 Kommunen keineswegs dazu verpflichte, "Einzelpersonen oder Organisationen, die der BDS-Bewegung nahestehen und diese unterstützen, die Nutzung öffentlicher Räume zu untersagen". Der Bundestagsbeschluss sei keine Richtschnur für die Exekutive, sondern als "schlichter Parlamentsbeschluss" lediglich eine politische Meinungsäußerung im Rahmen einer kontroversen Debatte. Meinungsfreiheit also auch für den Bundestag, aber mehr auch nicht. Damit folgt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zahlreichen Kritikern der Resolution, darunter MLPD, Internationalistisches Bündnis, Richterinnen und Richter, Wissenschaftler, Kulturschaffende und viele andere. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Anfang Juni 2020 so geurteilt.
MLPD entschieden gegen den wirklichen Antisemitismus!
Die MLPD, selbst von unhaltbaren "Antisemitismus"-Vorwürfen betroffen, hat sich von Beginn an entschieden gegen die Diffamierung von BDS, Israelkritikern und Menschen, die sich einfach weigerten, sich lauthals von BDS zu distanzieren, gewandt. Gerade deswegen, weil sie jeglichen tatsächlichen Antisemitismus als eine rassistische, antikommunistische, reaktionäre, zutiefst spalterische Ideologie brandmarkt und ablehnt. Vor lauter Gegeifer gegen angeblichen "linken Antisemitismus" von BDS, fortschrittlichen Juden, palästinensischen Revolutionären, MLPD und anderen kommen "Antisemitismus"-Beauftragte der Bundesregierung und der Länder, Regierung und bürgerliche Politiker doch gar nicht dazu, den wirklichen Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen, zu bestrafen und zu überwinden. Was geschah denn im Vorfeld des faschistischen Anschlags auf die Synagoge in Halle und die Menschen, die sie besuchten? Wo ist denn das Verbot aller faschistischen Organisationen, diesen Menschenverächtern, den wirklichen Antisemiten?
Nicht "die beabsichtigte Wirkung" entfaltet - im Gegenteil!
Mit einiger Verzögerung, so schreibt die Süddeutsche Zeitung vor einigen Tagen, habe der Bundestagsbeschluss enorme Wirkung entfaltet - "allerdings nicht die beabsichtigte." Als "unproduktiv und einer demokratischen Öffentlichkeit abträglich", kritisierten ihn jüngst zahlreiche deutsche Kulturinstitutionen in der gemeinsamen Initiative "GG 5.3". Einer der Initiatoren, der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, sagt zur Begründung, in der Praxis führe der Beschluss "zur Ausladung von Künstlern und Wissenschaftlern, die seit vielen Jahren in Deutschland gearbeitet haben, ohne dass ihre Arbeit gegen die Werte unseres Grundgesetzes verstößt". Weitere Kulturschaffende, unter ihnen die Schriftstellerin Eva Menasse, ergänzten das in einem offenen Brief mit der Klage, der Beschluss habe ein "repressives Klima erzeugt", deshalb sei er so problematisch. Die "nicht beabsichtigte Wirkung" ist eine breite fortschrittliche Kritik, die Menschen unterschiedlicher Weltanschauung und politischer Richtung eint, bis hinein in bürgerliche Kreise, und an der so leicht keiner vorbeikommt.
So ging die reaktionäre Hetzkampagne gegen den afrikanischen Historiker und Politologen Professor Dr. Achille Mbembe, der in diesem Jahr die Eröffnungsrede der Ruhrtriennale halten sollte, komplett nach hinten los. Zahlreiche Menschen, zahlreiche Organisationen solidarisierten sich mit ihm, darunter auch die MLPD. Nebenbei bemerkt: In Südafrika, wo Mbembe lebt und arbeitet, ist BDS keineswegs als "antisemitisch" eingestuft. Die MLPD unterstützt auch die Forderung nach Absetzung des "Antisemitismus"-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, einem führenden Vertreter der Lüge vom "linken Antisemitismus". Mit dieser infamen Unterstellung, deren Verbreitung dem ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck gerichtlich verboten wurde, wurde die Kündigung von Konten der MLPD gerechtfertigt sowie der Versuch, ihr Thälmann-Gedenken in der Buchenwaldgedenkstätte zu untersagen.
Die angeblich gegen Antisemitismus gerichtete Bundestagsresolution vom Mai 2019 ist zu Recht am fortschrittlichen Stimmungsumschwung gescheitert. Das ist eine sehr bedeutsame Entwicklung. Sie gibt auch der Bewegung "Gib Antikommunismus, Rassismus, Faschismus und Antisemitismus keine Chance!" weiteren Auftrieb.