Krise der EU

Krise der EU

Brexit-Deal – mit heißer Nadel gestrickt

Buchstäblich in letzter Minute präsentierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson ein - vorläufig bis zum 28. Februar 2021 gültiges - Handels- und Kooperationsabkommen, mit dem ein „harter Brexit“ vermieden wurde.

Von em
Brexit-Deal – mit heißer Nadel gestrickt
Britische Fischer (screenshot)

Am Mittwoch stimmten die 27 EU-Staaten dem Abkommen zu und jetzt soll es im Eilverfahren durch das britische Parlament. Einzigartig in der Geschichte der EU ist, dass das EU-Parlament erst nachträglich um seine Zustimmung gefragt wird – ein eindrückliches Beispiel dafür, dass das EU-Parlament eine (teure) Schauveranstaltung ist, die v.a. zur Vortäuschung „demokratischer Verhältnisse“ dient.

 

Sowohl die EU als auch – entgegen seinem großspurigen Auftreten Boris Johnson - standen unter enormem Druck durch den verschärften internationalen Konkurrenzkampf vor dem Hintergrund der zu erwartenden Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Wechselwirkung mit der Corona-Pandemie. Unter den Imperialisten herrscht Uneinigkeit über die beste Taktik im internationalen Konkurrenzkampf. Boris Johnson wie auch Donald Trump setzen v.a. auf nationale Abschottung, während die EU den Schwerpunkt auf internationale Durchdringung legt. Nach der Abwahl von Donald Trump rückte das Prestigeobjekt von Boris Johnson, das Freihandelsabkommen mit den USA, in weite Ferne. Das erhöhte den Druck zum Abschluss des Abkommens mit der EU. Die EU wird durch den Brexit in ihrem Weltmachtanspruch geschwächt (sowohl wirtschaftlich als auch militärisch) und betreibt mit dem Abkommen Schadensbegrenzung.

Ist jetzt also alles in Butter?

Das Abkommen hat drei Hauptfelder: ein Freihandelsabkommen, Vereinbarungen zur Zusammenarbeit für Polizei- und Justizbehörden insbesondere bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und „Terrorismus“, Vereinbarungen über die Handhabung und Kontrolle des Abkommens. Es hat mehr als 1200 Seiten mit zahllosen Zusatzerklärungen und Protokollen mit „Regeln, Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen“ (Spiegel vom 28.12.20). Der ganze Gehalt ist bisher nicht in allen Details bekannt.

 

So wurde zwar die Aufrechterhaltung eines „hohen Schutzniveaus in Bereichen wie Umweltschutz, Sozial- und Arbeitnehmerrechte usw. vereinbart, hier ist aber höchste Wachsamkeit geboten. „Schutzbedürftig“ ist für die Verfasser des Abkommens in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit der internationalen Übermonopole in der EU und Großbritannien und nicht das Wohl der breiten Massen in der EU und Großbritannien.

 

Mit dem Abkommen ist die EU-Freizügigkeit für Arbeiter, Angestellte und Studenten vorbei. Für sie gelten höhere Hürden. In Bezug auf die Einwanderung und Asylgesetze hat Großbritannien seine „volle Souveränität“ zurück, bekanntermaßen ein besonders beliebtes Thema des ultrareaktionären Boris Johnson. Das Freihandelsabkommen besagt, dass es keine Zölle und Mengenbegrenzungen für Waren von und nach Großbritannien geben wird. Die Sonderregelungen für Nordirland bleiben bestehen, wie von der EU gefordert. Die internationalen Monopole aus EU und Großbritannien können damit ihre Maximalprofite wahren.
Im Bezug auf die Fischereirechte musste Boris Johnson Zugeständnisse machen. Die EU-Fischereikonzerne müssen zwar Einbußen hinnehmen, aber statt der geforderten 80% müssen sie nur 25% der Fangmenge zurückgeben, gestreckt auf fünf Jahre.

 

Aus diesem Deal erhofft sich Großbritannien strategische Vorteile im zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf. Auf der einen Seite weiterhin ungeschmälerter Handel mit der EU. Auf der anderen Seite die Option, jederzeit flexibel politische und wirtschaftliche Bündnisse einzugehen bis hin zu Träumen, das einstige britische Weltreich wieder aufleben zu lassen. Allerdings hat die EU die Nase vorn: kurz nach dem Brexit brachte sie ein Investitionsschutzabkommen mit der derzeit größten Wirtschaftsmacht China unter Dach und Fach.

 

Ein Kernbereich der britischen Wirtschaft, der „Dienstleistungssektor“, mit dem Kern der Finanzindustrie, „die rund sieben Prozent der britischen Wirtschaftskraft ausmacht und rund eine Million Menschen beschäftigt,“ (Welt vom 25.12.20) bleibt beim Abkommen außen vor und verliert ihren „EU-Pass“, was eine Schwächung des britischen Finanzmarkts bedeutet. Um das zu umgehen, bauen britische Banken ihre Filialen in Deutschland aus.

Fazit

Das getroffene Abkommen kann die Krise der imperialistischen EU vorübergehend etwas mildern. Das jetzt geschmiedete Handelsabkommen vertieft aber den Konkurrenzkampf zwischen der EU und Großbritannien und ist bereits Ausdruck der vertieften Krise des imperialistischen Weltsystems. Die bürgerliche Propaganda, wer jetzt Sieger im Brexit-Streit sei, lenkt davon ab und soll uns spalten. Stattdessen ist unsere Losung: Proletarier aller Länder vereinigt euch! Proletarier aller Länder und Unterdrückte, vereinigt euch! Über Ländergrenzen hinweg gilt es die Einheit zu schmieden gegen die Abwälzung der Krisenlasten und für eine Gesellschaft, die Schluss macht mit dem kapitalistischen Krisenchaos, den echten Sozialismus. Das ist die Perspektive für das Neue Jahr.