Erdgas
Blauer Wasserstoff für Thyssenkrupp?
In einer gemeinsamen Machbarkeitsstudie mit dem norwegischen Energieunternehmen Equinor plant Thyssenkrupp Steel (TKS), die Hochöfen des Unternehmens mit einer „ausreichenden Menge blauen Wasserstoffs“ zu versorgen. Die Produktion blauen Wasserstoffs aus Erdgas „könnte eine Brückentechnologie sein, die schon kurz- bis mittelfristig eine deutliche CO2-Reduktion durch eine nahezu klimaneutrale Stahlproduktion ermöglicht.“
Die beiden Konzerne denken dabei durchaus im großen Rahmen: „Die Partner sind überzeugt, dass blauer Wasserstoff als verlässliche und verfügbare Technologie das Potenzial zur Erschließung des europäischen Wasserstoffmarkts hat.“ [1]
Sind diese Pläne tatsächlich ein Schritt zur Umstellung auf H2-Stahlproduktion? Seit mehr als zehn Jahren fordern die Betriebsgruppen der MLPD, dass der Umstieg auf das Direktreduktionsverfahren mit grünem Wasserstoff endlich angepackt wird. Tatsächlich wird bei den genannten Plänen aber eigentlich Erdgas eingesetzt, das für TK auch noch maximalprofitbringend in H2 umgewandelt und mit CCS-Technologie wieder verpresst wird. (Siehe hierzu auch Artikel im Rote Fahne Magazin 3/2020: "Greenwashing der Stahlkonzerne – Umweltschutz geht anders".)
Equinor, zweitgrößter europäischer Erdgasförderer, will sein in der Nordsee gefördertes Erdgas über (noch zu bauende) Pipelines und Schiffe an der deutschen und der niederländischen Nordseeküste anlanden, dort sollen dann große Elektrolyse-Anlagen errichtet werden, die Thyssenkrupp bauen möchte. Der Kraftwerksbetreiber Steag plant zusammen mit TKS und der Thyssen-Tochter Uhde eine Elektrolyse-Anlage mit einer Leistung von bis zu 500 Megawatt auf dem Gelände des Kohlekraftwerks in Duisburg-Walsum.
Erwartet werden von den Konzernen „passende regulatorische Rahmenbedingungen in Deutschland und der EU“ und „Mechanismen zur Finanzierung klimarelevanter Projekte“. Das sei „grundlegend, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.“ [2] Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hat da sicher ein offenes Ohr. Im Rahmen der von der Bundesregierung 2020 beschlossenen „nationalen Wasserstoffstrategie“ strebt man ja nichts Geringeres als die „Führungsrolle auf dem Weltmarkt“ an.
Die Bundesregierung öffnet dafür zur Freude der Konzerne ihre Schatulle: „Insgesamt neun Milliarden Euro sollen den Energieträger marktfähig machen.“ [3] Gibt es jetzt dafür nun wenigstens echten Umweltschutz? Weit gefehlt! Blau steht in der Farbenlehre in der Tat auch als „Farbe der Täuschung“. Beim „grünen Wasserstoff“ wird mit Hilfe von erneuerbaren Energien Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt. Die Bundesregierung und die Konzerne planen allerdings nur mit 20% grünem Wasserstoff. Nun hat die Bundesregierung eine seltsame Umdeutung des Begriffs „CO2-frei“ definiert: „Eingeschlossen sind Energieträger, bei deren Erzeugung CO2 oder Kohlenstoff anfällt, aber abgeschieden und nachhaltig nicht in die Atmosphäre gelangt (Beispiel „blauer“ Wasserstoff, konventionell aus Erdgas hergestellt, jedoch gekoppelt mit Carbon-Capture-and-Storage (CCS)).“ [4]
Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?
336 Seiten
ab 13,99 €
Bei der Produktion von blauem Wasserstoff wird eigentlich zuerst mal „grauer Wasserstoff“ hergestellt: Erdgas (Methan, CH4) wird mit den Verfahren der Dampfreformierung (SMR) oder Autothermal Reforming (ATR) in H2 und CO2 umgewandelt. Beide Verfahren beinhalten bereits einen Energieverlust von 20-35%. Hinzu kommen die Energieverluste für die aufwendige Bereitstellung von Erdgas und von Wasserstoff. [5] Damit aus „grau“ dann „blau“ wird, muss das bei diesem Prozess entstehende CO2 abgeschieden und unterirdisch verpresst werden.
TKS und Equinor planen die Verpressung unter dem Meeresboden vor Rotterdam (Porthos-Projekt) und im bereits fortgeschrittenen Projekt „Northern Lights“ vor der norwegischen Küste. Es ist schon eine bizarre Vorstellung, das CO2 würde dann für „immer und ewig“ unterirdisch verbleiben. Dringt es langsam durch Ritzen wieder hoch, versauern die Meere noch mehr und es landet letztendlich doch wieder in der Atmosphäre! Bei einem schlagartigen Ausbruch, möglicherweise durch ein Erdbeben oder Bodenbewegungen ausgelöst, käme es zu einer gewaltigen regionalen Umweltkatastophe.
Das Buch „Katastrophenalarm“ von Stefan Engel hat dazu einen klaren Standpunkt: „Um die alten Profitquellen aus der Verbrennung fossiler Energieträger nicht versiegen zu lassen und künftige zu erschließen, wird mit dem »Geoengineering« eine völlig neue Branche aufgebaut.
Zu den wichtigsten Arten des »Geoengineering« gehören heute das Carbon Dioxide Removal (CDR) und das Solar Radiation Management (SRM). Eine der bekanntesten Formen des CDR ist das wahnwitzige Carbon Capture and Storage (CCS), eine Technik zur Abscheidung von CO2 in Kohlekraftwerken und zur unterirdischen Speicherung des Gases. Der aktive Widerstand von Umweltschützern sorgte dafür, dass CCS-Projekte in mehreren Bundesländern Deutschlands gestoppt werden mussten.“
Unter dem Dunst des Greenwashing sollen also auch noch dreist Steuerzahler-Milliarden abgesahnt werden:
- anstatt die erneuerbare Energie direkt einzusetzen und in Zeiten der Überlast in grünen Wasserstoff umzuwandeln, wird Etikettenschwindel betrieben und Begriffe die die Masse der Menschen mit erneuerbarer Energie verbinden für die weitere fossile Energiewirtschaft missbraucht.
- Die offshore Erdgasförderung führt zu einer weiteren Meeresschädigung und lässt Methan als Klimakiller in die Atmosphäre entweichen. Das konkurrierende Gas-Fracking muss gleichermaßen bekämpft werden!
- Bei TKS ist schon gar nicht mehr vom Direktreduktionsverfahren mit grünem Wasserstoff die Rede, sondern es soll in die bestehenden Hochöfen neben Koks nur schrittweise zunehmend „blauer Wasserstoff“ eingeblasen werden.
Es gilt, diesen Schwindel zu durchschauen und – Arbeiter- und Umweltbewegung gemeinsam – den Kampf für Arbeitsplätze und wirklichen Umweltschutz als gesellschaftsverändernden Umweltkampf zu führen!