Angriffslustige Bergarbeiterdemonstration in Gelsenkirchen-Horst
Solidarität unter Arbeitern ja – aber nicht mit den Kapitalisten
Am heutigen Samstag demonstrierten über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, natürlich Corona-gerecht, gegen die Politik der verbrannten Erde der RAG (ehemals Ruhrkohle AG - heute RAG Aktiengesellschaft). Sie folgten einem kurzfristigen Aufruf der Bergarbeiterinitiative Kumpel für AUF und AUF Gelsenkirchen (Kommunalwahlbündnis), die die Provokationen des RAG-Vorstands Peter Schrimpf von Anfang des Jahres zum Anlass nahmen, den Widerstand gegen die RAG-Politik zu verstärken.
Gleich zu Beginn der Auftaktkundgebung verwahrte sich Christian Link – Moderator und selbst aktiver Bergmann - gegen die Verunglimpfung der 200 auf Prosper entlassenen Bergleute durch Peter Schrimpf als „unsolidarisch“. Als Arbeiter müsse man wachsam sein, wenn ein Kapitalistenvertreter diesen Begriff der Arbeiterbewegung verwendet. „Da muss man seinen Geldbeutel festhalten und es wird jede Schweinerei damit überdeckt“, so Christian Link. 2007 wurde vereinbart, 3,3 Mrd. Euro für die „sozialverträgliche“ Schließung des Bergbaus aus der Staatskasse zur Verfügung zu stellen – doch was sei „sozialverträglich“ an betriebsbedingten Kündigungen?
Jan Specht, Stadtverordneter für AUF Gelsenkirchen im Gelsenkirchener Rat, überbrachte seine solidarischen Grüße und erinnerte daran, dass die RAG in Gelsenkirchen zahlreiche verseuchte Industrieflächen hinterlassen hat. Die Wirtschaftsförderung der Stadt hat im Falle einer Industriebrache 13 Jahre lang mit 80 Unternehmen verhandelt – keines wollte sich deshalb dort ansiedeln. Das ist ein Beispiel, wie sich die RAG auf Kosten neuer Arbeitsplätze und der kommunalen Finanzen aus der Verantwortung stiehlt.
Die Parteivorsitzende der MLPD, Gabi Fechtner, begrüßte Demonstrantinnen und Demonstranten sowie die Horster Bevölkerung herzlich. Denn dieser Protest stieß auf großes Interesse und Zustimmung, überall gingen Fenster auf, hörten Passanten zu. Sie machte deutlich: Der Bergbau ist zwar geschlossen, aber der Kampf gegen die Politik der verbrannten Erde der RAG geht jeden im Ruhrgebiet an. Der Vorstand der RAG stehe heute zwar im Mittelpunkt der Diskussion, weil er auf den Widerstand reagiert hat, aus der Deckung gekommen ist und seine wahre Einstellung öffentlich gemacht hat. Doch was wir bei ihm sehen, ist heute eine allgemeine Politik der Konzerne. Es ist die Logik der Konzerne, ständig die Ausbeutung zu verschärfen, das Lohnniveau zu drücken, den sogenannten „soziale Klimbim“ reduzieren zu wollen und die Umwelt weiter auszubeuten. Das ist doch das Grundkonzept der heutigen kapitalistischen Gesellschaft - deshalb sei jeder gefordert, sich hier anzuschließen.
Gabi Fechtner geißelte die Corona-Politik der Regierung, die alles tue, um die Wirtschaft zu schützen, und nicht den Menschen im Mittelpunkt hat. In Anspielung auf Schrimpfs Forderung nach Solidarität betonte Gabi Fechtner: „Solidarität unter den Arbeitern, unter den Familien, unter den Leuten, die arbeiten gehen – ja! Aber keine Solidarität mit der Klasse, die uns ausbeutet und hier auf unsere Kosten lebt.“ Der Sozialismus ist die grundsätzliche Antwort auf die Misere, die hier verursacht wurde.
Peter Weispfenning berichtete von seinen Erfahrungen als Anwalt zahlreicher betriebsbedingt gekündigter Kumpel. Er forderte die Weiterbeschäftigung der 200 betriebsbedingt gekündigten Kumpel auf den Zechen und brachte seine Hochachtung gegenüber den Bergleuten zum Ausdruck, die nach anderthalb Jahren immer noch weiter kämpfen, sowohl auf der Straße, als auch vor Gericht. Es wurden mittlerweile auch in der zweiten Instanz die entscheidenden Prozesse gewonnen und die Entlassungen für rechtswidrig erklärt. Weispfenning warnte vor Illusionen, die RAG werde jetzt sich jetzt „sozial“ verhalten. Die RAG verweigert bis heute die Wiedereinstellung und Auszahlung des Lohnes, so dass am 1. April den Bergleuten ALG II droht. Peter Schrimpf habe deutlich gemacht habe, dass man knüppelhart an den Kündigungen festhalten werde. Ein erfolgreicher Kampf besonders auf der Straße und in den Betrieben – das wäre auch ein Signal an alle Arbeiter in der Situation, dass nur wer kämpft gewinnen kann - und wer nicht kämpft, von Anfang an verloren hat.
Anschließend zogen die Demonstranten diszipliniert und unter strikter Beachtung der strengen Hygieneregeln (Maskenpflicht, Mindestabstand) durch den Stadtteil Gelsenkirchen-Horst. Am Rande der Strecke viele Diskussionen, weit über 100 Euro Spende, hochgereckte Daumen. Mit dabei unter anderem: Kumpel für AUF, AUF Gelsenkirchen, MLPD, Jugendverband REBELL, Kinderorganisation Die Rotfüchse, Umweltgewerkschaft, Frauenverband Courage, Fahnen von IG Metall und ver.di.
Es gab zahlreiche weitere Beiträge am offenen Mikrofon. So wurde in Beiträgen die volle Wiederherstellung des Deputats für Rentner der RAG gefordert. Es sprach eine Stadtverordnete aus Bergkamen über den Kampf gegen die PCB-Verseuchung durch die Flutung der Zechen und die Umstellung auf eine kostengünstigere Wasserhaltung, die das verseuchte Grubenwasser direkt in die Flüsse leitet. Sie forderte PCB-Eleminierungsanlagen an jedem Grubenwasserstandort auf Kosten der RAG.
Der Hauptkoordinator der Internationalen Bergarbeiterkonferenz , Andreas Tadysiak, berichtete, dass die Bergleute in verschiedenen Ländern gerade in den Corona-Zeiten in erbitterten Auseinandersetzungen um Arbeitsplätze, Gesundheitsschutz und Umweltschutz und gegen rechte Regierungen stehen. In Solidaritätsbekundungen von Stahlarbeitern aus Duisburg von Thyssen-Krupp, die derzeit selbst um ihre Arbeitsplätze kämpfen, wurde deutlich, wie wichtig ein gemeinsamer entschlossener Kampf der Arbeiter ist und dass die RAG-Stiftung Milliarden in den Aufkauf der lukrativen Aufzugssparte steckte und andererseits vorgibt, den entlassenen Kumpels nicht helfen zu können.
Beiträge aus der in Horst ansässigen Wohngebietsgruppe der MLPD forderten die umgehende Einbeziehung der örtlichen Ärzte und Krankenhäuser in die Corona-Impfungen. Sie berichteten vom erfolgreichen Kampf um die Arbeit vor dem Werkstor von BP, wo die Polizei nach zig Polizeieinsätzen im Auftrag der Werksleitung nunmehr auf die Beschwerde von Lisa Gärtner erklären musste, künftig die Arbeit der MLPD und das Recht der Arbeiter, sich zu informieren, nicht mehr ver- oder behindern werde.
Ingrid Lettmann sprach für die Mieterinitiative HAMI, die sich bereits vor Jahren gegen den Verkauf der RAG-Wohnungen und anschließende Mieterhöhungen oder Schikanen gründete. „Wir haben im Stadtteil alle eine Rechnung mit der RAG offen – ob bei den Wohnungen, der Gesundheit oder dem Deputat“, so ihre Einschätzung.
Mit dem Erreichen des Arbeiterbildungszentrums sprachen auf der Abschluss-Kundgebung Vertreter der bundesweiten Montagsdemonstration, der Umweltgewerkschaft und eine Stadtverordnete der Partei Die Linke aus Herne.
Alles zusammen eine anziehende und kämpferische Aktion in Coronazeiten, die zugleich den Auftakt für die Werbung zur 3. Internationalen Bergarbeiter-Konferenz gab.