Neues Versammlungsgesetz Nordrhein-Westfalen
CDU und FDP: Der Entwurf der Regierungsparteien dokumentiert deren weitere Rechtsentwicklung
Die CDU/FDP-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat ihren Entwurf für ein Versammlungsgesetz dem Landtag vorgelegt, das dieser am vergangenen 27. Januar in erster Lesung behandeln sollte. Bisher war die Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit (GG Artikel 8) durch ein Bundesgesetz geregelt. Nach der Föderalismusreform (Grundgesetzänderung vom 28. August 2006) muss das künftig durch Landesgesetze erfolgen.
Die CDU/FDP-Landesregierung will diese Verpflichtung für eine deutlich weitergehende Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gegenüber dem bisherigen Bundesgesetz nutzen. Gleichzeitig werden weitere Grundrechte eingeschränkt.¹ ...
Was sind die wesentlichen geplanten Änderungen:
- Das Gesetz gilt grundsätzlich für öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen: „Insbesondere die Vorschriften über die Beschränkungen, Verbote und Auflösungen sind auch auf nichtöffentliche Versammlungen anwendbar.“ Damit maßt sich die Landesregierung einen weitgehenden Eingriff in das grundgesetzliche Recht der Versammlungs- und Koalitionsfreiheit an.
- Ein „Uniformierungsverbot“ war bereits bisher festgeschrieben, jetzt soll zusätzlich ein „Militanzverbot“ gelten: Eine Versammlungen unter freiem Himmel, „die Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt“ (§ 18,2), ist verboten und kann aufgelöst werden. Entscheiden über diesen „Eindruck“ soll die Polizei!
- Schon das bisherige Versammlungsgesetz kennt das Störungsverbot. Der Gesetzesentwurf verschärft dieses erheblich und weitet die Strafverfolgung auf die Vorbereitung aus, wobei lt. Begründung direkt „Blockadetrainings“ ins Visier genommen werden: „Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist. Zusammenkommen müssen vielmehr lediglich eine subjektive Verhinderungsabsicht und objektiv Handlungen, die die Durchführung der Versammlung behindern können. Das ist bei einem „Blockadetraining“ der Fall. …
- Auf den Versammlungsleiter (im Zweifel Anmelder oder Anmelderin) einer Versammlung unter freiem Himmel kommen weitere Verpflichtungen zu, unter anderen auf Anforderung der Polizei eine Namensliste der vorgesehenen Ordnerinnen und Ordner abzugeben. Gleichzeitig soll auch die Veranstaltungsleitung das Recht erhalten, Teilnehmer wegen erhebliche Störung der Ordnung der Versammlung auszuschließen, was bei „Versammlungen unter freiem Himmel“ bisher nur der Polizei gestattet war. Es drängt sich hier der Verdacht auf, dass hier das Recht an ungehinderter Teilnahme an einer solchen Versammlung nach Gutdünken der Versammlungsleitung unterlaufen werden soll.
- Neu gegenüber dem Bundesversammlungsgesetz sind ausführliche und weitergehende Regeln für polizeiliche Befugnisse gegen Teilnehmer öffentlicher Veranstaltungen. ...
Zum Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Versammlungsgesetz NRW fasst Peter Römmele, Landesvorsitzender der MLPD in NRW, zusammen: „Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein in der Rechtsentwicklung der Landesregierung und der sie tragenden Parteien. Wenn die Landesregierung gegen das Auftreten und die Propaganda neofaschistischer Kräfte vorgehen wollte, dann kann sie das auf der Grundlage GG Artikel 139 tun. Auf dieser Grundlage fordert die MLPD seit vielen Jahren das Verbot aller faschistischen Organisationen und faschistischer Propaganda.
Dass dieses Gesetz gerade jetzt auf die Schiene gesetzt wird, liegt sicher nicht hauptsächlich daran, dass sich die Landesregierung unter den Bedingungen der Corona-Pandemie weniger öffentlichen und kämpferischen Protest erhofft. Dieses Gesetz kommt gerade jetzt, weil die Monopole und ihre Regierungen sich fürchten, dass in der sich entwickelnden gesamtgesellschaftlichen Krise auch die Massen in Bewegung geraten: Kämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Masse der Arbeiter und Bevölkerung, Kämpfe der Arbeiter, der Jugend, der Umweltbewegung, Kämpfe gegen Krieg und faschistische Gefahr, die Suche nach gesellschaftlichen Alternativen werden sich mit der bewusstseinsbildenden Arbeit der Marxisten-Leninisten durchdringen und so zu einer Schule für einen gesellschaftsverändernden Kampf werden. ...
Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist eher eine „Versammlungsverhinderungsgesetz“ und muss grundsätzlich abgelehnt werden!
Wir treten ein für ein fortschrittliches und demokratisches Versammlungsrecht auf antifaschistischer Grundlage!
... Die notwendigen Proteste gegen diesen Gesetzentwurf sind ein guter Anlass, im Internationalistischen Bündnis mitzuarbeiten und an der Organisierung des Kampfs mitzuwirken.“
Peter Römmele ergänzt:
"Dass Innenminister Reul besonders die Vorbereitung oder Einübung von „Störungshandlungen“ verbieten und unter Strafe stellen will, zeigt dass ihm die erfolgreichen Proteste gegen die Rodung des Hambacher Waldes, gegen die Zerstörung von Lebensraum durch den Braunkohletagebau und erfolgreiche antifaschistische Proteste, wie gegen Aufmärsche von „Pegida“ oder gegen die die faschistischen „Steeler Jungs“ in die Glieder gefahren sind. Das soll kriminalisiert und unterdrückt werden.
Gegen mögliche Ausschlüsse aus Versammlungen hat die MLPD zur Verteidigung ihrer, und damit auch aller demokratischer Rechte und Freiheiten in den letzten Jahre vielfach Erfolge gegen schikanöse Polizeiwillkür und antikommunistisch motivierte Fahnenverbote erzielt. Diese werden mit diesem Gesetzentwurf jetzt legitimiert.
Sehr erfreulich ist, dass sich der Protest gegen diese Veränderungen des Versammlungsgesetz bereits regt. Nötig ist eine breite demokratische, antifaschistische Bewegung die dieser Einschränkung bürgerlich demokratischer Rechte den Kampf ansagt. Die MLPD und Internationalistische Bündnis werden nach Kräften daran mitarbeiten."
Hier gibt es den Gesetzentwurf der Landesregierung als pdf-Datei
Hier geht es zur Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge zum Gesetzentwurf