Russland
Massenproteste richten sich gegen Putin
Am Samstag fanden in ganz Russland große Demonstrationen statt, angefangen am Stillen Ozean bis Moskau und Sankt Petersburg. In bis zu 100 Städten protestierten die Menschen trotz massiver Unterdrückung seitens Polizei und Militär gegen die Inhaftierung von Alexei Nawalny. Dieser war vor einer Woche aus Deutschland nach Russland zurückgekehrt.
Aufgerufen hatte Alexej Nawalny, der, heimtückisch vergiftet, den Anschlag überlebt hat, in Deutschland behandelt wurde und der nun mit einem Video Putin Korruption und grenzenlose Selbstbereicherung nachzuweisen versucht. Dabei ist Nawalny selbst kein wirklicher Gegner des Regimes. Nur die Aufdeckung der Korruption macht ihn populär. Das Video wurde innerhalb weniger Tage mehr als 70 Millionen Mal aufgerufen.
„Da ist viel Dampf im Kessel!“
So ein Genosse der ICOR-Organisation Marxistisch-Leninistische Plattform Russland aus Moskau in einem telefonischen Bericht:
"In Moskau waren es mindestens 5000 Demonstranten, und das auf einer nicht erlaubten Demo. In Sankt Petersburg waren es ähnlich viele. In den großen Städten in Sibirien 1000 und mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Junge Leute machten die Mehrheit aus, und zwar ganze junge. Mehr Schüler als Studenten. Es gab von Anfang an Auseinandersetzungen mit der Polizei, die sehr brutal vorging. Viel Demonstranten wurden zusammengeschlagen, verhaftet.
Wir sind dahin gegangen, weil es sich um eine Massenbewegung des Protests handelt. Im Mittelpunkt steht für die Teilnehmer, dass es gegen Putin geht, gegen die Korruption und auch dagegen, wie Putin mit Nawalny umgegangen ist. Nawalny selbst kann man dabei kaum als Gegner der Herrschenden bezeichnen. Klar, er deckt Machenschaften der Korruption auf, das macht ihn populär. Aber er ist Nationalist. Er hat schon mit ganz Rechten zusammen demonstriert, mit dem „Russischen Marsch“, in dem Monarchisten und andere Reaktionäre zusammenkommen. Er ist nicht gegen die Machtpolitik Putins. Auffällig ist ein kleiner Vergleich: er kam jetzt für 30 Tage in Haft. Als neulich ein Anarchist bei einer Aktion ein Fenster zerschlagen hat, bekam er sechs Jahre Gefängnis. Man sieht, dass das Regime Nawalny dagegen längst nicht so hart anfasst.
Wir fragten die jungen Leute, was ihr Ziel bei der Demo ist. Die meisten sagten: Es ist gegen Putin, gegen die Korruption und gegen die Vergiftung und Verhaftung von Nawalny. Im Mittelpunkt steht eindeutig der Protest gegen Putin: Er ist schon viel zu lange an der Regierung. Die Leute haben es satt mit ihm, mit seinen unterdrückerischen Methoden und mit ihrer Lage; besonders Arbeitslosigkeit und damit große Armut bedrücken viele Familien sehr. Die ganze Situation steht auch der Jugend bis zum Hals.
Ich schätze es so ein, dass da wirklich viel Druck im Kessel ist. Diese Demos, dieser Mut, auf die nicht erlaubten Demos zu gehen, wohl wissend, wie brutal die Polizei vorgeht, das kommt nicht wie der Geist plötzlich aus der Flasche. Es ist einfach so, dass die bisherige Weise, wie sie regiert werden, von vielen immer weniger akzeptiert wird. Und mein Eindruck ist, dass die Regierung durchaus mit Befürchtungen auf das schaut, was in Belarus passiert ist."