Religion
In der sexuellen Gewalt und dem Umgang damit offenbart sich die Krise der katholischen Kirche
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte versprochen, ohne Ansehen von Person und Amt alle Vorgänge im Umgang mit sexueller Gewalt in der katholischen Kirche aufzuklären. Er hat versagt. Er missbrauchte Amt und Macht, um die sexuelle Gewalt eines mit ihm befreundeten Priesters zu vertuschen.
Die Freigabe eines Gutachtens zur sexuellen Gewalt verweigerte er wegen angeblicher „methodischer Fehler“.
Wer dazu nun meint, ein Kardinal sollte sich an das achte Gebot halten, nach dem man nicht lügen solle, wird von www.katholisch.de eines Besseren belehrt. Da heißt es: „In den zehn Geboten wird keine absolute Pflicht zur Wahrheit formuliert“. Selbst Petrus habe gelogen.¹ Die Zahl der gemeldeten Fälle sexueller Gewalt in Irland, USA, Australien, Österreich, Polen, Belgien, Afrika und Südamerika zu verschweigen, deckt sich also nahtlos mit den römisch-katholischen Glaubensgrundsätzen.
Nach der im September 2018 veröffentlichten MHG-Studie² wurden zwischen 1946 und 2014 1670 Kleriker sexueller Gewalt beschuldigt. 3677 betroffene Menschen wurden ermittelt, die Studie geht von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Den Opfern ist großer Respekt dafür zu zollen, dass sie sich ihrem Trauma stellten und die Taten meldeten. In der Folge stellte sich heraus, dass Einschüchterung, Schläge, Missbrauch und Gewalt oft durchaus bekannt waren. So fleht der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken auf www.domradio.de Führungskräfte im Erzbistum Köln geradezu an, „mögliche Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen einzuräumen“ ³.
Die sexuelle Gewalt und Unterdrückung in der Kirche ist nicht die zeitweise Verfehlung Einzelner, sondern eines ihrer Wesensmerkmale bis ins frühe Mittelalter zurück. Frauen waren und sind bis heute ein bevorzugtes Opfer. In mittelalterlichen Abendgebeten wurden sie als „Gefäße der Sünde“, „verdammtes Geschlecht“ tituliert, deren „verruchte Aufgabe“ es sei, „die Menschheit zu verderben“.⁴
In ihrer Frauenverachtung machten die Päpste im 15. und 16. Jahrhundert ein Riesengeschäft mit der Prostitution.⁵ Frauen, die von Mönchen geschwängert wurden, kamen in höchste Not, ihnen blieb oft nur Abtreibung oder Kindstötung. Zeugnis dafür sind Kinderschädel, gefunden in einem römischen Klosterteich und Kinderskelette in ehemaligen Klosteranlagen. Die heutige polnische katholische Kirche bricht gnadenlos den Stab über Frauen, die für ihr Recht auf die Straße gehen, selbst über eine Schwangerschaft zu entscheiden - eine ungebrochene Fortsetzung der Heuchelei!
Der Idealismus der Katholischen Kirche geriet in der Zeit der Aufklärung und durch die materialistische Weltanschauung in die Krise. Das Kommunistische Manifest erklärte die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft aus den Klassenkämpfen statt aus Gottes Wille. Die Pariser Kommune 1871 erstritt erstmals die Macht des Proletariats. Sie hatte die Kirche als wichtigstes weltanschauliches Herrschaftsinstrument enteignet und verlangte von den Pfarrern, von den Almosen der Gläubigen zu leben. Es war eine Zeit angebrochen, die Friedrich Engels so charakterisierte: „Die Frage: Was ist das Ursprüngliche, der Geist oder die Natur? - diese Frage spitzte sich, der Kirche gegenüber, dahin zu: Hat Gott die Welt erschaffen, oder ist die Welt von Ewigkeit da?“.⁶
Für das Kirchenrecht ist nicht die Schädigung der Opfer sexueller Gewalt relevant, sondern die „Verletzung der Zölibatspflicht“.⁷ Von daher macht es auch „Sinn“, warum sich die Kirche so schwer mit Anzeigen an die Staatsanwaltschaft tut und warum die Bestrafung sich oft in der Versetzung in andere Gemeinden erschöpft.
Viele Mitglieder der katholischen Kirche empfinden den Widerspruch zwischen Wort und Tat als unerträglich. Er bedeutet nichts anderes, als dass man selbst nicht an das glaubt, was man predigt und sich deshalb auch nicht daran hält - ein typisches Merkmal einer zutiefst bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Denkweise. Sie äußert sich immer in Unehrlichkeit und in einer Entfernung von den Massen. Es ist zu begrüßen, dass 2018/19 fast eine halbe Million Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten sind.
Die Suche nach neuer Orientierung, echten Werten, unverbrüchlicher Solidarität und proletarischer Moral wächst. Sie findet sich bei marxistisch-leninistischen Parteien wie der MLPD, in den Selbstorganisationen der Massen und in den weltweiten Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Treffend heißt es in der „Internationale“ der Hymne der internationalen Arbeiterklasse: „Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.“