Ausnahmsweise treffende Regierungsanalyse
"Schwierige Stimmung in der Bevölkerung ..."
… so die treffende Beschreibung von Markus Söder, nachdem am 10. Februar wieder mal die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten getagt hatte. „Schwierige Stimmung“ ist eine zarte Umschreibung dessen, was die Regierung umtreibt: Die Zustimmung der Bevölkerung zur Corona-Krisenpolitik der Regierung ist seit Jahresbeginn abgesackt – nur noch 40 Prozent sind einverstanden.
Inzwischen sind über 60.000 Menschen in Deutschland an Covid-19 gestorben, zigtausende bangen um ihre Existenzgrundlagen. Und dann sind gerade mal drei Prozent der Bevölkerung inzwischen geimpft! Es ist kein Wunder, dass die aktuelle Stimmung unter den Massen durch zunehmende Kritik geprägt und an einem Wendepunkt angelangt ist. Schließlich waren sie es, die durch ihre Zustimmung zu einschneidenden Maßnahmen, durch ihre Disziplin und Solidarität maßgeblich für die fallenden Inzidenzen verantwortlich sind.
Ihre Kritik richtet sich gegen die laschen Beschlüsse von Bund und Ländern, die von der Bevölkerung viel und von den Konzernen nichts verlangen. Schon das geheime Strategiepapier von Seehofers Innenministerium vom 18. März 2020 warnte: „Die gegenwärtige Krise ... hat das Potential, das Vertrauen in die demokratischen Institutionen in Deutschland nachhaltig zu erschüttern. Dem kann und muss entgegengewirkt werden.“
Entgegenwirken - aber wie?
Da geht’s nicht nur um Corona, sondern auch um die Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die mit Corona regelrecht vertuscht wird, aber deren Auswirkungen, v.a. die steigende Arbeitslosigkeit, die Bevölkerung hart treffen. Also „entgegenwirken“ - aber wie?
Versuch Nummer 1: Häppchenweise Zugeständnisse. Verschiedene kleine Maßnahmen wurden in den letzten Wochen beschlossen – von der Aufstockung des Kindergelds über Prämien für Krankenhausbeschäftigte, Zuschuss zur Grundsicherung bis zu einer bestimmten Menge von kostenlosen FFP2-Masken für Ältere. Und trotzdem wird das Volk immer unzufriedener.
Versuch Nummer 2: Schönreden. „Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen ist“, sagte Angela Merkel am 2. Februar in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Da ging es um die Impfstoffbeschaffung. Nichts schiefgelaufen? Die viel zu späte Bestellung von Impfstoffen? Das Chaos bei der Vergabe von Impfterminen? Das unterbesetzte Krankenhauspersonal? Corona-Ausbrüche in einem Drittel der Alten- und Pflegeheime, während viel zu wenig getestet wurde, Schutzkleidung fehlte usw.? Das Abladen aller Erziehungs- und Bildungsverantwortung auf überforderte Eltern? Die verschleppte Auszahlung von Hilfsgeldern? Die vollen Busse und Bahnen, weil die Leute zur Arbeit müssen, wo sie sich hohen Infektionsrisiken aussetzen?
Geht doch auf die vielen positiven Vorschläge der Bevölkerung ein!
Was muss eigentlich noch passieren, damit die Regierung eingesteht, dass ihr Krisenmanagement ohne Vertrauen in die Massen nicht hinhaut? Darauf kann man lange warten, den von der MLPD und anderen geforderten zeitwilligen kompletten Lockdown müssen wir erkämpfen! Die MLPD sagt klar: Konzentrierter zeitweiliger Lockdown, aber komplett auf Kosten der kapitalistischen Profite und keinen Deut auf Kosten der Massen!
Die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker probieren es mit einer Gegenoffensive. An der Spitze der selbstgefälligen Schönredner: Gesundheitsminister Jens Spahn. „Dass da eine gewisse Müdigkeit eintritt, das lässt sich kaum vermeiden“, vermeldete er bei „Anne Will“ am 7. Februar. Als ob die zunehmende Kritik an der Regierungspolitik ein Naturgesetz sei.
Gleichzeitig startet er seinen Versuch Nummer 3: Das Volk ist blöd und selber schuld. „Wir hatten alle zusammen das trügerische Gefühl, dass wir das Virus gut im Griff hätten. Die Wucht, mit der Corona zurückkommen könnte, ahnten wir, wollten es aber in großer Mehrheit so nicht wahrhaben.“ (Interview mit Bild am Sonntag, 24.1.21).
Von welcher großen Mehrheit spricht der Mann? Wer wollte denn „zusammen“ mit Jens Spahn die Entwicklung nicht wahrhaben? Gab es nicht eine deutliche Mehrheit, die die Einschränkungen des öffentlichen Lebens diszipliniert unterstützte und befolgte und sogar strengere Maßnahmen forderte? Und dann die arrogante Belehrung bei „Anne Will“ am 7. Februar: "Alle wünschen sich einen Sechs-Monats-Plan, aber den kann es halt in dieser Dynamik, in dieser Pandemie nicht geben“, sagte Spahn. „Ich weiß, alle haben eine Sehnsucht nach irgendetwas, das dann hält für sechs oder zwölf Monate. Aber das geht nicht“.
Inzwischen ist auch der Begriff des unzureichenden „Erwartungsmanagements“ bei Spahn und seinen Regierungskollegen en vogue. Nicht sie haben versagt - nein, die Leute haben einfach falsche Erwartungen ...
Die „schwierige Stimmung in der Bevölkerung“ - das ist wachsende Kritik an den völlig unzureichenden Maßnahmen. Die Corona-Pandemie kann und muss eingedämmt, die Ansteckungszahlen müssen massiv gedrückt werden, damit es nicht zu einer dritten Welle kommt. Unter den Massen gibt es eine Menge positiver Vorschläge, z. B. wie statt unkontrollierter Schulöffnungen die Betreuung der Kinder in Klein- und Kleinstgruppen organisiert werden kann. Man kann z.B. Räume in Museen und Bibliotheken zur Verfügung stellen, die sonst leer stehen. Zusammen mit geschultem Personal können ehrenamtliche Helferinnen und Helfer eingesetzt werden. Und anderes mehr. Das muss dem Staat im Kampf abgerungen werden!