Henkel

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Transformation in die Ausbeutungsoffensive

Es war ein Nackenschlag für ein starkes Dutzend Schlosser und Elektriker in der Waschmittelfertigung von Henkel Düsseldorf, als eine Liste mit ihren Namen auftauchte, die ihre Versetzung aus der Produktion hin zu den Zentralen Werkstätten vorsieht. Eben noch hatte der Henkel-Konzernchef Carsten Knobel der Belegschaft für ihre Arbeit trotz Corona-Gefahren gedankt. Nun werden etliche von ihnen eiskalt abserviert.

Von einem Korrespondenten
Transformation in die Ausbeutungsoffensive

Die Versetzung in die Zentralen Werkstätten ist mit Verschlechterungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen verbunden (siehe im nächsten Abschnitt). Es betrifft nicht nur Facharbeiter aus der Waschmittelproduktion, sondern auch aus der Klebstofffertigung. Im IT-Bereich sollen dutzende Stellen wegfallen. Hier trifft es Kolleginnen und Kollegen, die bereits 20 Jahre oder mehr in diesem Bereich arbeiten und durch frisch ausgebildete Kräfte aus den Universitäten, von sogenannten Startup-Firmen usw. ersetzt werden sollen. Die Konzernleitung vermeidet offene Ansagen über die Vernichtung von Arbeitsplätzen. Stattdessen sollen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen „freiwilligen Maßnahmen“ zustimmen.

Jobabbau auf kaltem Wege

Offene Versetzungen, Umstrukturierungen usw. finden dem Wortlaut nach nicht statt. Stattdessen werden z.B. den Kollegen bei Waschmittel geboten:

  • Erstens den Wechsel zur Zentralwerkstatt. Dafür winkt eine „Turboprämie“ von 10.000 € für Schnellentscheider. Die Crux dabei: die Kollegen wissen nicht, welche Arbeit auf sie zukommt. Und sie wandern nach einer vom Arbeitgeberverband Chemie, dem BAVC, und der IGBCE-Führung im Jahr 2005 vereinbarten Tariföffnung in einen Bereich mit einer 40-Stundenwoche ohne Lohnausgleich. In den Produktionsbetrieben bei Henkel gilt die 37,5-Stunden-Woche.
  • Zweitens, sie bleiben in der Produktion, gehen aber als Maschinenführer an die Anlagen und arbeiten dann in 3-Schicht. Die meisten dieser betroffenen Kollegen sind aber gesundheitlich schwer beeinträchtigt (Herzinfarkt, überstandene Krebserkrankungen, Burnout) und können keine Schichtarbeit mehr leisten, aber auch nicht eine Arbeit in der Zentralwerkstatt, was wechselnde Arbeiten im gesamten Chemiepark Holthausen bedeutet.
  • Drittens, klar: Abfindungen und Vorpensionierung, mit erheblichen Rentenabstrichen für die Kollegen.

 

Wie der Ablauf im IT-Bereich ist, ist noch nicht raus, aber das Muster wird ähnlich sein.

Das Märchen vom „Transformationsprozess“

Da wundert man sich doch, wenn der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis in der letzten „igbce news“, einer Online-Zeitschrift für IGBCE-Mitglieder, im Zusammenhang mit der Vorbereitung des 7. ordentlichen Gewerkschaftskongresses im Herbst 2021 schreibt: „Unsere Gewerkschaft ist ein wesentlicher Garant dafür, dass soziale Verantwortung bei Entscheidungen in Wirtschaft und Politik zum Tragen kommt. Wir haben daran mitgewirkt, dass Deutschlands Wirtschaft bislang ... vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise gekommen ist. Das ist ein Beleg dafür, dass Gewerkschaften wichtiger denn je für den Ausgleich und den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft sind.“

 

Der Mann hat Sorgen! Aber nicht um Arbeits- und Ausbildungsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern um das Funktionieren des Kapitalismus! Der „Transformationsdruck“, von dem Vassiliadis ein paar Zeilen weiter spricht, erscheint fast wie ein Naturgesetz, hervorgerufen durch Digitalisierung, die Klimakrise und die Corona-Pandemie. Es ist die trügerische Illusion von einer Anpassung an das Krisenchaos, in das der Imperialismus immer tiefer versinkt.

Massive Steigerung der Ausbeutung

Die Digitalisierung führt in der Produktion zu einer massiven Steigerung der Ausbeutung und der Konkurrenz zwischen den Kollegen. Nicht nur in Düsseldorf, sondern europa- oder sogar weltweit, und zwar in Echtzeit. Der Henkel-Konzern hat seine operative Zentrale von Düsseldorf in die Niederlande, nach Amsterdam, verlagert. Sie steuert die „Global Supply Chain“, die weltweite Wertschöpfungskette. Die Düsseldorfer Anlagen melden ihre Effizienzen, die Produktionszahlen, Ausfälle, Störungen, Dauer der Fehlerbehebung usw. in Echtzeit nach Amsterdam, genauso wie alle anderen Werke in Europa und der Welt. Das treibt die Konkurrenz zwischen den Werken und den Kollegen auf die Spitze, denn mühelos lassen sich die Daten auf einzelne Schichten, sogar auf Personen herunterbrechen. Nicht selten kommt auf Nachtschicht der Anruf aus Amsterdam: wieso läuft die Anlage nicht oder warum so langsam?

 

Eine weitere Schiene bei Henkel ist die Konzentration auf Bereiche, in denen unmittelbar der Mehrwert erzeugt wird – eben die Produktion. Produktionsbegleitende Tätigkeiten werden zumindest werksintern ausgelagert oder sogar komplett fremdvergeben. Deswegen werden die Schlosser und Elektriker bei Waschmittel oder Klebstoff auch auf kaltem Wege „entsorgt“. Im IT-Bereich geht es darum, dass Henkel künftig wachsende Teile seines Umsatzes direkt übers Internet erzielen will, mit flexibler Produktion passgenau zu den Kundenwünschen, sowohl zeitlich als auch von der Art der Produkte her. Das erhöht noch mehr den Druck auf die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion. Seinem bisherigen Stamm an IT-Leuten traut der neue IT-Chef bei Henkel eine solche Umstellung offenkundig nicht zu. Auch sie geraten auf die Abschussliste.

Im Sozialismus sind diese technischen Möglichkeiten ein Segen

In einer sozialistischen Gesellschaft sind solche technischen Möglichkeiten ein Segen, um die Produktion entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft zu steuern und in Einheit mit der Natur zu entwickeln. Im Grunde treibt die „Global Supply Chain“ von Henkel die Planmäßigkeit der Produktion auf die Spitze, aber eben unter kapitalistischen Vorzeichen und nur in einem Konzern. Im Sozialismus, in den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt, können so geistige und materielle Ressourcen geschont, Erfahrungen und Wissen rasch ausgetauscht, Produktion und Forschung zum gegenseitigen Nutzen und Vorteil entwickelt werden.

 

Heute ist diese Entwicklung eine Geißel für die Arbeiter und Angestellten. Wut und Unsicherheit sind groß, doch das Bedürfnis und die Suche danach, sich zusammenzuschließen, selbst aktiv zu werden und gemeinsam zu handeln, wachsen. Und dabei gerät auch die Klassenzusammenarbeitspolitik von IGBCE-Führung und Betriebsrat immer mehr ins Visier.