Thyssenkrupp Steel

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Ganz genau, Herr Osburg! Abzuwarten wäre fatal!

Da hat Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg den Nagel tatsächlich mal auf den Kopf getroffen. „Abzuwarten wäre fatal“ titelt sein Interview in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ) vom 13. Februar 2021.

Von Landesleitung NRW der MLPD
Ganz genau, Herr Osburg! Abzuwarten wäre fatal!
Kämpferische Stahlarbeiter am Stahlaktionstag auf den Düsseldorfer Rheinwiesen (rf-foto)

Dieser Meinung werden sich die Kolleginnen und Kollegen bei Thyssenkrupp sicher gerne anschließen. Erleben sie doch, wie sie mit immer neuen Verzichts-, angeblichen „Beschäftigungssicherungstarifverträgen“ und entsprechenden Betriebsvereinbarungen seit Jahren hingehalten werden und eine bittere Pille nach der anderen schlucken sollen. Zuletzt mit dem bombastisch „Stahlstrategie 20-30“ genannten Rationalisierungs- und Konzentrationsplan vom März 2020, dem dann auch eine entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarung und ein „Tarifvertrag 20-30“ mit der IG Metall folgten.

Stillhalten bis zum Rauswurf?

Die „Stahlstrategie 20-30“ des Thyssenkrupp-Vorstands zielt nach seinen Worten auf die „Technologieführerschaft bei wettbewerbsfähigen Kosten“. Das Produktionsnetzwerk soll optimiert, das Produktangebot auf profitable Stahlsorten konzentriert werden. Thyssenkrupp zielt auf eine Marktführerschaft bei hochwertigen Stählen für die Elektromobilität und beim Angebot klimaneutraler Stahlsorten1. Die angebliche  „Beschäftigungssicherung“ sieht bereits die Vernichtung von 3000 Stellen bis 2026 vor, wobei die ersten 2000 Stellen bereits bis 2023 wegfallen sollen. So wurde das auch mit der IG Metall-Führung und der Betriebsratsführung vereinbart. Das war schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie unter Dach und Fach.

 

Da waren die Manager von Thyssenkrupp doch sehr kreativ: Arbeitsplatzvernichtung wird dreist in Beschäftigungssicherung umgetauft! Und die rechte IG Metall– und Betriebsratsspitze übernimmt diese Sprachregelung auch noch widerspruchslos. Aber damit nicht genug. Wir zitieren aus dem o.g. Artikel wörtlich: „Derzeit führt die Corona-Pandemie zu einem drastischen Rückgang der Kundenabrufe und zu einer verschlechterten Auftragslage. (…) Die Tarifparteien sind übereingekommen, dass in der aktuellen Situation einzelne Maßnahmen der 'Stahlstrategie 20-30' im Verlauf der Umsetzung regelmäßig überprüft werden. Dazu ist für die Dauer der Pandemie ein gemeinsames monatliches Monitoring der Situation zur Umsetzung der heute erzielten Einigung (mit IG Metall und Betriebsrat, Rote Fahne News) vereinbart.“ Im Klartext: wir behalten uns vor, jede auch noch so halbseidene „Beschäftigungssicherung“ jederzeit zu dem zu machen, was sie in Wirklichkeit immer war: Makulatur!

Corona-Opfer Bernhard Osburg?

Nein, wir wünschen ihm kein Corona an den Hals. Aber als wirtschaftliches „Corona-Opfer“ braucht weder er noch der Konzern sich darstellen. Denn natürlich hat sich seit letzten März „unsere Situation dramatisch verändert“ (Osburg in der WAZ vom 13.2.21). Es sei ein „immenser finanzieller Schaden durch Corona“ (ebd.) entstanden, den der Stahlvorstand durch weitere Arbeitsplatzvernichtung über die bereits angekündigten 3000 Stellen auf die Belegschaften und ihre Familien abwälzen will. Genaue Zahlen nennt Osburg nicht. Seine Ankündigung ist eine glatte Erpressung. Für den angeblichen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen – die damit übrigens angedroht werden – fordert er, dass Betriebsrat, IG Metall und die Kolleginnen und Kollegen diesen neuen, erweiterten Jobabbau mittragen. Dazu hofft er auf die „Mitbestimmung“ von Betriebsrat und IG Metall. Eine arbeiterfeindliche Mitbestimmung. Eine "Mitbestimmung" ins Abseits von Arbeits- und Ausbildungsplatzvernichtung, von Rentenkürzungen bei erzwungenem früherem Renteneintritt, trügerischen Abfindungen.

 

Aber Stahlchef Bernhard Osburg verrät in dem WAZ-Interview noch mehr. Weder einen Verkauf von Thyssenkrupp Steel an  den Konzern „Liberty Steel“ des indischen Industriegroßmoguls Sanjeev Gupta noch eine Abspaltung der Stahlsparte, wie sie Thyssenkrupp-Konzernchefin Martina Merz vorschwebt, schließt er aus. Denn für beides soll die Stahlsparte "verschlankt" und durch die Rationalisierungen attraktiver für eine Übernahme gemacht werden. Aber er verrät noch mehr. „Rechnen Sie mit Widerstand aus der Belegschaft?“ fragt die WAZ. „Es wird mit Sicherheit Druck aufkommen. Mir ist es sehr wichtig, dass wir alle fair miteinander umgehen.“ Dieses Betteln um Fairness ist die bange Sorge vor einem selbständigen und unbefristeten Kampf um jeden Arbeitsplatz durch die Stahlarbeiter.

Der Tarifvertrag 20-30 ist offen gescheitert

Er war immer nur ein Vehikel für den Thyssenkrupp-Vorstand, um die Belegschaften ruhig zu halten und die Aufspaltung des Konzerns voranzutreiben, immer konzentriert auf die Bereiche, wo eine Weltmarktführerschaft  möglich erscheint. Diese sogenannte „Mitbestimmung“ oder „Sozialpartnerschaft“ ist ein einziger Betrug. Schon hat der Konzernvorstand weitere Giftpfeile im Köcher:  Kürzung 13. Monatsgehalt, des Urlaubsgelds, der Zulagen, bei der Absicherung von Kollegen bei Erkrankungen usw..

 

In der aktuellen Stahltarifrunde muss ein offensiver Kampf für die gewerkschaftlichen Forderungen entwickelt werden. Ein Kampf um jeden Arbeitsplatz und für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, was tatsächlich zeitweilig Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen kann, kann alleine im gewerkschaftlichen Rahmen nicht geführt werden. Das braucht eine gewerkschaftliche Bewegung und Kämpfe im Rahmen der Tarifrunde und selbständig organisierte und geführte Streiks und Kämpfe, die vom kastrierten Streikrecht nicht abgedeckt werden. Die Tarifrunde ist eine gute Gelegenheit, um diesen Gedanken zu verbreiten und zu erproben, wie unter den notwenigen Coronaschutzbedingungen gekämpft werden kann. Der Kampf um ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikreicht gehört auf die Agenda!

 

Die Genossinnen und Genossen der MLPD und die Freundinnen und Freunde der Kollegenzeitung „Stahlkocher“ haben dazu jahrzehntelang, beginnend mit dem Kampf in Rheinhausen, ein einzigartiges Know-how aufgebaut, das sie mit den Belegschaften gerne teilen!