Glanzlichter

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Gewonnen! Eine Nachlese zum Prozess

"Das Begehren der Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen bei der Razzia am 3. Mai 2018 in der LEA Ellwangen und am 20. Juni bei der Abschiebung von Alassa Mfouapon nach Italien". So heißt die Klage von Alassa Mfouapon, die am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart verhandelt wurde, in Juristensprache.

Von gis / Alassa
Gewonnen! Eine Nachlese zum Prozess

Das Gericht hat, wie berichtet, der Klage weitgehend stattgegeben. Ein Flüchtling als Kläger, eine Regierungsbehörde auf der Anklagebank und dann ein solches Urteil - da hätte man doch zu gern die Gesichter von Horst Seehofer, Thomas Strobel (Innenminister von Baden-Württemberg), Alice Weidel und der Alassa-Spezialisten bei der Bild-Zeitung gesehen. Detailliert kamen bei der Verhandlung die Umstände der polizeilichen Maßnahmen zur Sprache, an ihnen blieb im Sinne von anständiger Behandlung von Menschen kein gutes Haar, und als rechtswidrig wurden sie auch eingestuft. Die Gegenseite versuchte gar nicht erst, ihren Antrag auf Abweisung der Klage zu untermauern. Wortkarg und verbissen saß sie, trotz schmucker Polizeiuniform und elegantem Kostüm, im Hemd da. Die immer wieder von außen hereinwehenden Rufe "Hoch die internationale Solidarität!" verbesserten ihre Laune nicht.

Videoübertragung abgelehnt

Natürlich begleitete nicht nur sein Anwalt Frank Jasenski den Kläger Alassa Mfouapon, sondern seine Unterstützerinnen und Unterstützer waren von 8.45 Uhr bis 18 Uhr aktiv mit Kundgebungen, einer Demonstrationen, Liedern, Parolen und als Prozessbeobachter. Dazu musste man sich allen Ernstes einer Leibesvisitation unterziehen. "Eine angemessene Kompensation für den unter Corona-Bedingungen nur wenigen Beobachtern Platz bietenden Saal", warf Frank Jasenski bei Verhandlungsbeginn auf, "wäre doch eine Video-Übertragung in einen größeren Raum". Dies wurde erst vor kurzem vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg praktiziert. Das Gericht hatte den Antrag schon im Vorfeld abschlägig beschieden, wogegen Kläger und Anwalt neuerlich protestierten.

Rechtsgrundlage nachträglich gestrickt

Am 30. April 2018 - dem Tag, an dem der solidarische Protest der Flüchtlinge in der LEA die Abschiebung eines Flüchtlings aus Togo vorläufig verhinderte - hat die Polizeidirektion Aalen für den 3. Mai 2018 bei einem Caterer 100 Lunchpakete für Polizeikräfte bestellt. Da war schon klar, dass es die Razzia geben würde. "Sie können sich nicht vorstellen, was da in den Zeitungen los war", so Alassa. Dreiste Lügen über die Flüchtlinge bereiteten die Razzia vor.

 

Gleichzeitig wurde an der Rechtsgrundlage gestrickt. Aus dem Büro des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobel war die Ansage an die Polizei und die Betreiber der LEA gegangen: Ja, wenn das geht, macht es, unbedingt. Das bestäigte die Vertreterin des Landes Baden-Württemberg. Am 2. Mai abends war es dann so weit: "Wir haben die Rechtsgrundlage im Sechsundzwanziger gefunden". Das ist der § 26 EGL. Demnach sollte die LEA ein "gefährlicher Ort" sein. Um das zu erhärten, gab es eine Tabelle mit Straftaten, die von dort ausgegangen sein sollen. Dafür wurden 16 zurückliegende Monate hergenommen. Ein Straftatbestand heißt "Illegale Einreise". Tatsächlich haftet dieser Straftatbestand jeder Einreise eines Flüchtlings nach Deutschland an, bevor er einen Asylantrag stellen kann.

Gesucht: Selbstgebastelte Werkzeuge für Gefangenenbefreiung

Ein Polizeizeuge: "Wir hatten den Auftrag, etwaige selbstgebastelte Hieb- und Schlagwerkzeuge zu finden. Zweck der Durchsuchung war die Suche nach gefährlichen Gegenständen im Zusammenhang mit einer möglichen versuchten Gefangenenbefreiung". Gefunden wurde dann im Zimmer von Alassa Mfouapon ein altes Teppichmesser. Ausnahmsweise einheitliche Aussage aller Polizeizeugen, die sich sonst in vielerlei Widersprüche verwickelten: Teppichmesser nicht relevant. Auftrag und Zweck der Aktion rufen, das weiß jeder Krimi-Leser, nach einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Das Gericht beschrieb die Flüchtlingsunterkünfte so düster wie möglich. Um das juristische Schlupfloch vorzubereiten, das seien keine Wohnungen im Sinne des § 13 GG.

 

Alassa Mfoupon, sein Mitbewohner und zahlreiche andere Flüchtlinge wurden während der Razzia mit Kabelbindern gefesselt, auf den Fluren auf den Boden gesetzt, zum Teil halbnackt, konnten ihre Handies nicht benutzen, mit niemandem kommunizieren. Als um 7 Uhr nichts im Sinne des Auftrags gefunden worden war, wurde die Razzia abgebrochen. "Die entsprechenden Bewohner bekamen farbige Bändchen, die bedeuteten "Nicht relevant", so ein Polizeizeuge. "Die Betreuuung der geschlossenen (so sagt man bei der Polizei zu 'gefesselten') Personen hat die Gangsicherung übernommen."

Die Abschiebung am 20. Juni 2018 nach Italien

Am 20. Juni 2018 wurde Alassa Mfouapon "gemäß Dublin" nach Italien abgeschoben. In Nacht und Nebel. Weil Alassa seinen Geldbeutel zurückhaben und einen Anwalt anrufen wollte, wurde er des Widerstands gegen die Staatsgewalt bezichtigt und mit Gewalt in das Transportfahrzeug geschleppt, gefesselt. Dabei wurde er bewusstlos. Polizeizeuge: "Er hat ja noch geatmet. Ich habe also gedacht, er stelle sich bewusstlos". Ob er denn nicht auf die Idee gekommen sei, einen Arzt zu holen, ihn in eine stabile Seitenlage zu bringen? Ungläubiges Staunen beim Polizisten. Nein, natürlich nicht. Im weiteren Verlauf der Fahrt in drei Abschnitten zum Flughafen in Frankfurt gab es dann einen anständigen Polizisten, Fischer. Er befreite Alassa von den Hand- und Fußschellen und erlaubte ihm, zu telefonieren. Solche Leute gibt es also auch in Polizeikreisen.

Glanzlicht gestern Abend: Das Tribunal 2.0 - Jetzt reden wir!

Zum Abschluss des flüchtlingspolitischen Ensembles letzte Woche ging gestern Abend das mitreißende Tribunal "Jetzt reden wir - gegen die reaktionäre Flüchtlingspolitik der EU!" über die Bildschirme. 1.140 Menschen haben es gesehen, fast vier Stunden Zeugenaussagen, Beiträge, darunter von Konstantin Wecker, Ulla Jelpke und Carola Rakete, Fragen, Kommentare, Lieder und Musik - man muss es gesehen und gehört haben. Zu finden über die Startseite von Rote Fahne News und unter diesen Links:

 

Für die Durchführung des Tribunals, Prozesskosten und den Aufbau des Freundeskreises sind Spenden nötig. Spenden über: „Solidarität International e.V.“, IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84, Stichwort: „Flüchtlingssolidarität"