Arbeitsschutz im Betrieb
Schutzmaßnahmen durchsetzen – demokratische Rechte verteidigen
Im Anschluss an das Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder hat SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil eine „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ erlassen, die vom 27. Januar bis 15. März verbindlich ist.
Bislang galt Abstandhalten von 1,5 Meter und Mund-Nasenschutz. Dort, wo dies nicht möglich ist, Bereitstellung von Flüssigseife und Handtuchspender und regelmäßiges Lüften. Neu wurde festgelegt: Die Verpflichtung der Unternehmen, Homeoffice anzubieten; Bildung kleinerer Arbeitsgruppen in Betrieben ab zehn Beschäftigten; in Räumen mit mehreren Personen müssen zehn Quadratmeter pro anwesender Person zur Verfügung gestellt werden, „sofern die auszuführenden Tätigkeiten dies zulassen“¹ und die Bereitstellung von medizinischen Mund-Nasen-Schutzmasken.
Die Verordnung ist allerdings an den meisten Stellen so unverbindlich formuliert, dass den Betrieben sehr viel Spielraum bei der Umsetzung bleibt. Das kritisiert auch der DGB: „Leider sind die Vorgaben der allgemein gehaltenen Verordnung für die betrieblichen Arbeitsschutzakteure und die Interessenvertretungen in Betrieben und Dienststellen schwer zu handhaben.“² So heißt es z. B. Im Paragraf 2,2 und 2,3 der Verordnung: „Der Arbeitgeber hat alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte … auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren.“³
Wer kontrolliert die Betriebe?
Für die Kontrolle sind gesetzlich die Arbeitsschutzbehörden verantwortlich. Wie es um die Kontrolle bestellt ist, dazu haben Report Mainz und Buzzfeed News eine Recherche bei 70 Arbeitsschutzbehörden durchgeführt. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis: „Nicht nur wird selten kontrolliert, die zuständigen Arbeitsschützerinnen und Arbeitsschützer können sich wegen mangelnder rechtlicher Grundlagen vor Ort auch oft nicht durchsetzen. … Teilweise, so berichten es die Beamtinnen und Beamten, schrieben sie gar keine Anordnungen mehr, weil sie wüssten, dass diese ohnehin nicht durchgesetzt werden könnten.“⁴
Nicht nur, dass zwei Drittel der Behörden über zu wenig Personal verfügen - die Hälfte musste auch noch Personal in andere Ämter abgeben. Der Leiter der Berliner Behörde, Robert Rath, berichtet, dass es 25 Jahre dauern würde, um alle Berliner Betriebe wenigstens einmal zu kontrollieren! Das ist sicher kein Zufall, sondern hat System. Bewusst ist die Verordnung so unverbindlich geschrieben. Alle Verordnungen sind an die „Betriebsnotwendigkeit“ gebunden. „Betriebsnotwendig“ ist nichts anderes als eine Umschreibung der Aufrechterhaltung der Produktion, der Unterordnung der Gesundheit unter den Profit!
Konzentrierter kompletter Lockdown erforderlich!
Deshalb enthält die Sars-CoV-2- Arbeitsschutzverordnung – anders als die Corona-Schutzverordnungen für den öffentlichen Raum – auch keinerlei Bußgelder oder Strafen bei Verstößen. Wer in der Fußgängerzone keine Maske trägt, riskiert ein Bußgeld in dreistelliger Höhe. Ein Konzern darf seine Beschäftigten auf engem Raum zusammenarbeiten lassen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. In den Betrieben sind deshalb die Kolleginnen und Kollegen gezwungen, selbst dafür sorgen, dass notwendige Gesundheitsschutzmaßnahmen eingeführt und eingehalten werden.
Jetzt aber geht es angesichts der Gefahr einer drohenden dritten Welle durch aggressive Corona-Mutationen darum, einen sofortigen, konzentrierten, Lockdown auch der Betriebe bei voller Lohnfortzahlung durchzukämpfen! Dafür steht die MLPD – ohne Wenn und Aber. Aber auch andere fortschrittliche Initiativen, wie die gewerkschaftlichen Initiativen für Zero-Covid fordern einen solchen Lockdown! Das gehört auf den bundesweiten Aktionstag der IG Metall am 1. März.
Was heißt das für Betriebsversammlungen?
Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt im § 43 Abs. 1 Satz 1 dem Betriebsrat vor, in jedem Vierteljahr eine Betriebsversammlung durchzuführen. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Regierung das BetrVG dahingehend ergänzt, dass zeitlich befristet bis 30. Juni 2021 neben Präsenzveranstaltungen auch audiovisuelle Betriebsversammlungen durchgeführt werden können. Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wurde im November 2020 ein Fall verhandelt, wo ein Betriebsleiter sich weigerte, die Kosten für eine Präsenzversammlung außerhalb des Betriebes zu übernehmen, obwohl der Betriebsrat ein vom Gesundheitsamt genehmigtes Hygienekonzept erarbeitet hatte. Das LAG entschied, dass der Unternehmer die Kosten übernehmen muss. Das LAG billigte dem Betriebsrat „ausgehend vom gesetzlichen Leitbild der Präsenzveranstaltung, einen Beurteilungsspielraum zu.“⁵
D. h. unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zum Infektionsschutz ist es möglich, Präsenz-Betriebsversammlungen, auch als Abteilungsversammlungen, durchzuführen. Gerade jetzt, wo in vielen Betrieben die Vorstände versuchen, die Arbeitshetze zu verschärfen, Arbeitsplätze zu vernichten, soziale Standards infrage zu stellen, konsequente Schutzmaßnahmen gegen Corona zu verweigern, sind Präsenz-Betriebsversammlungen mit entsprechenden Hygienekonzepten zur Aussprache und Beratung notwendig! Die MLPD hat von Beginn an den Standpunkt vertreten: notwendiger Gesundheitsschutz JA – Einschränkung demokratischer Rechte und Freiheiten NEIN!