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IGBCE: "Transformationspartner" oder Kampforganisation?

Die Denkschrift des IGBCE-Hauptvorstands zur „Perspektive 2030“ befeuert den Richtungskampf: IGBCE als "Transformationspartner"oder Kampforganisation?

Von einem Korrespondenten
IGBCE: "Transformationspartner" oder Kampforganisation?

Der Gewerkschaftskongress der IGBCE mit Neuwahl der Bundesgremien und der Festlegung des künftigen Kurses findet vom 24. bis 29. Oktober 2021 statt. In der Vorbereitung verstärkt der IGBCE-Hauptvorstand unter seinem Vorsitzenden Michael Vassiliadis die weltanschauliche und politische Ausrichtung der Mitgliedschaft und der ehren- und hauptamtlichen Funktionäre. Dieser Kurs richtet sich gegen die Gewerkschaften als Kampforganisationen und gegen den Übergang in die Arbeiteroffensive. Die weltanschauliche Offensive gegen diese neu verpackte, (pseudo)wissenschaftlich begründete Sozialpartnerschaftsideologie ist ein wichtiges Vorgefecht für den Übergang in die Arbeiteroffensive.

Denkschrift für eine Sozialpartnerschaft 4.0

Zu den Bezirksdelegiertentagen 2021 erhielten alle Delegierten die Denkschrift „Mit.Mut.Machen. Perspektive 2030 - Zukunftsgewerkschaft in Bewegung“ vom Hauptvorstand der IGBCE. Sie ist ein komplexes Konstrukt aus reformistischen Theorien einer „sozialen Transformation“ des Kapitalismus, Illusionen in mehr Mitbestimmung der Gewerkschaften und Betriebsräte in Betrieb und Gesellschaft, aber auch verschiedener Fakten. Die gesamte Schrift knüpft an realen Entwicklungen an - Konkurrenz USA, China, EU; Digitalisierung und anderes mehr. Fragen der wirklichen Arbeitsverhältnisse in Betrieben, Verwaltungen oder „Home-Office“, der Ausbeutungsoffensive, der Folge tariflicher Öffnungsklauseln, die die Abspaltung ganzer Werksteile in schlechtere Tarife ermöglichen, sucht man aber vergeblich.

 

Es gibt in dieser Schrift keine Arbeiter, keine Streiks, keinen Klassenkampf, keine gesellschaftlichen Alternativen über den Kapitalismus hinaus. Dabei soll dies ein Zukunftsausblick sein. Ab Seite 46 werden vier Szenarien für das Jahr 2030 entwickelt, deren Ausgangspunkt immer die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und Wirtschaft angesichts der internationalen Konkurrenz und des „Klimawandels“ ist.

Warum jetzt diese Ausrichtung der IGBCE-Führung?

Mitglieder der IGBCE, insbesondere die Bergleute, stehen in wichtigen Klassenauseinandersetzungen und lassen nicht locker. Da ist der unermüdliche Kampf der Kollegen gegen die Politik der verbrannten Erde der RAG. Zu den bisherigen Demonstrationen im Ruhrgebiet haben sich die Kumpel mit Bergarbeiterfrauen, mit der Umweltbewegung, mit den Initiativen gegen die Flutung der Zechen, mit Stahlarbeitern, mit Aktivisten der Flüchtlingsbewegung, mit der MLPD und weiteren fortschrittlichen Kräften zusammengeschlossen. Kolleginnen und Kollegen bei Henkel wenden sich gegen die verschärfte Ausbeutungsoffensive der Konzernleitung. Sie brauchen eine IGBCE als Kampforganisation und nicht als Organisation des Co-Managements mit den Kapitalisten. Da will die IGBCE-Spitze vorbeugen. Auf S. 34 der gewichtigen Schrift liest man leise Zweifel, ob das Wortgeklingel unter den Mitgliedern so gut ankommt: „Werden die Lebenswirklichkeiten, Arbeitsbedingungen und Weltanschauungen in den Belegschaften immer stärker auseinanderdriften?“ Da ist sie, die Angst vor dem Klassenkampf, obwohl dieses Wort krampfhaft vermieden wird.

„Leitbild moderne Beschäftigtenorganisation“?

Zweifellos suchen die Mitglieder der IGBCE nach Orientierung und Perspektive. Aber was geboten wird, widerspricht den Interessen der Gewerkschaftsmitglieder. Dem „gobalen Kapitalismus“ wird „drängender Reformbedarf“ unterstellt (S. 22). Mit diesen verbalen Zugeständnissen an die zunehmende antikapitalistische Stimmung unter den Massen ist dann auch gut. Denn die Antwort darauf soll die sozialchauvinistische Unterstützung der EU- und deutschen Monopole in der Konkurrenz gegen die USA und vor allem China sein: „Die Idee eines souveränen Europas muss dafür auch wirtschaftlich, technologisch und sozialpolitisch ausbuchstabiert werden.“ (S.22)

 

Deutschland wird zur Sozialutopie verklärt: „Wir wollen die Stimme für ein erneuertes „Made in Germany“ sein, das mit einem nachhaltigen Produktionsmodell seinen Beitrag für die Lösung der großen Menschheitsaufgaben leistet.“ (S.32) Die deutschen Monopole sagen danke. Die IGBCE-Führung bietet die Kostenbeteiligung der Arbeiter und Angestellten gleich mit an: „Dazu gehört auch der Einsatz dafür, die Kosten der Transformation nicht einseitig bei den Arbeitnehmer*innen abzuladen, sondern gesellschaftlich gerecht zu verteilen.“ (S. 32)

 

Forderungen, Inhalt und Methoden passen sich der kleinbürgerlichen Intelligenz in den IT-Bereichen, bei den höheren Angestellten und bis hinein in die Ebene der außertariflich Beschäftigten (AT), sprich Manager, an. Sie sind willkommen, aber nicht als Wortführer, sondern als Bündnispartner der Arbeiterinnen und Arbeiter. Dieser liquidatorische Kurs der Umwandlung der IGBCE in eine Agentur des Co-Managements muss entschieden bekämpft werden.

 

 

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