Interview
,,Auch die praktische Solidarität hat bei der ICOR einen großen Stellenwert
Am Freitag hat die kurdische Nachrichtenagentur ANHA ein ausführliches Interview mit Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR, veröffentlicht. "Rote Fahne News" dokumentiert jetzt den deutschen Text des Interviews.
Frage: Wie schätzen Sie die türkische Aggression in Mount Gara ein?
Monika Gärtner-Engel: Zunächst mal vielen Dank für Ihre Interview-Anfrage. Ich bin gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten und die Position der ICOR vorzustellen. Es ist in der Tat eine Aggression des türkischen faschistischen Erdoğan-Regimes, die völkerrechtswidrig ist. Diese Besatzung reiht sich ein in verschiedene Besatzungen und Überfälle in den letzten Jahren, so die Besatzung von Efrin in der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyriens 2018, der Besatzung des Gebietes zwischen Gire Spi und Serekaniye 2019, ebenfalls in der demokratischen Föderation Nord- und Ostsyriens als auch immer wiederkehrender Bombardierungen des Gebietes im Nordirak in den letzten Jahren. Wir verurteilen das entschieden!
Es ist Bestandteil einer Politik der Türkei, die mittlerweile ein neuimperialistisches Land ist. Ein grundlegendes Bestreben aller imperialistischen Länder ist das Streben nach Eroberung fremder Territorien bis hin zum Anspruch auf Weltherrschaft. In dieses Streben reihen sich die Pläne der Türkei ein. Erdoğan hat schon des Öfteren erwähnt, dass er strategisch ein Gebiet in Syrien und im Irak beansprucht, das sich an den Grenzen des Osmanischen Reiches orientiert.
Gleichzeitig leistet die Politik der Türkei auch Reaktion nach innen gegen die Arbeiterklasse und die breiten Massen in der Türkei und auch gegen den Kampf für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden, den er vollständig niederschlagen möchte. Es findet eine brutale Aggression nach außen und Reaktion nach innen statt, die die gesamte kurdische und türkische Bevölkerung trifft.
Die jetzt im Nachhinein für die Invasion gelieferte Begründung der Ermordung von 13 Soldaten und MIT-Angehörigen angeblich durch die PKK ist eine vorgeschobene Rechtfertigung. Zu Recht hat die HDP eine Untersuchung gefordert. Einen Tag nach der viertägigen Besatzung des Gebietes in Südkurdistan / Nordirak begann eine neue Repressionswelle gegen HDP-Mitglieder und ihr Umfeld mit über 700 Verhaftungen. Wir verurteilen ebenso entschieden diese Verhaftungen und fordern die Freilassung aller politisch Verhafteten in der Türkei! Es ist auch zu verurteilen, dass es seitens der europäischen Regierungen keine eindeutige Verurteilung dieser Aggression in Mount Gara gibt, ebensowenig eine eindeutige Verurteilung der Verhaftungen und Repressionen gegen Kritiker der Erdogan Regierung. ...
Frage: Was ist die Lösung zur Unterstützung der Türkei durch Europa?
Monika Gärtner-Engel: Die Regierungen der europäischen imperialistischen Länder arbeiten mit dem faschistischen Erdoğan-Regime zusammen, insbesondere der deutsche Imperialismus. Weder gibt es eindeutige Verurteilungen der völkerrechtswidrigen Besatzungen, noch eindeutige Verurteilungen der Repressionen gegenüber der türkischen und der kurdischen Bevölkerung. Im Gegenteil. In Deutschland zum Beispiel werden Revolutionäre, die in der Türkei gegen die Repression und Unterdrückung gekämpft haben und dort inhaftiert waren, vor Gericht gestellt. So bei den Münchner Prozessen, bei denen im letzten Jahr 10 Revolutionäre wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer revolutionären Organisation in der Türkei verurteilt wurden. Keiner dieser 10 hat sich weder in der Türkei noch in Deutschland irgendetwas zuschulden kommen lassen. Verurteilt wurde eine Gesinnung, die sich für Freiheit, Demokratie und Sozialismus einsetzt. Ebenso werden aktuell kurdische Aktivisten, denen Mitgliedschaft und Unterstützung der PKK vorgeworfen wird, verurteilt, angeklagt und unterdrückt.
Deshalb muss man die Frage auch so formulieren: Was ist notwendig zur Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Arbeiter-, der Frauen-, der Jugend- und der revolutionären Bewegung in der Türkei? In der Türkei gibt es Proteste und Aktivitäten im Aufbau einer antifaschistischen Einheitsfront, es gibt Arbeiterkämpfe gegen Entlassungen, für Lohnerhöhungen usw. Es gibt Proteste der Jugendlichen, wie aktuell an der Bosporus-Universität. Die ICOR, sowohl ihre weltweite wie ihre europaweite Koordinierung machen diese Kämpfe bekannt, organisieren die Solidarität und stärken die internationale Zusammenarbeit der Arbeiter-, Jugend-, Frauen- und revolutionären Bewegung. Ebenso organisiert sie die Solidarität gegen Verhaftungen von Revolutionären, Kommunisten oder Marxisten-Leninisten.
Auch die praktische Solidarität hat bei der ICOR großen Stellenwert: der Aufbau des Gesundheitszentrums in Kobane 2015 durch 177 ICOR-Brigadisten aus 10 Ländern war so eine praktische Solidarität. Erst vor wenigen Tagen erfuhren wird, dass dort inzwischen über 23.000 Babies geboren wurden. Auch Medikamenten-Spendensammlung, die dafür seither läuft oder weltweit koordinierte Aktionstage und Kämpfe gehören dazu. ...