Zentral gesteuerte Kampagne
Bundesagentur für Arbeit drangsaliert Arbeiter aus Osteuropa
In der Tätigkeit als Migrationsberaterin ist mir schon länger aufgefallen, dass vor allem Arbeiter und ihre Familien aus Rumänien und Bulgarien extrem schikaniert und diskriminiert werden.
Das EU-Freizügigkeitsrecht, also das Recht für Unionsbürger, sich in den anderen Staaten aufzuhalten, dort erwerbstätig zu sein und dabei in fast jeder Hinsicht den Staatsangehörigen des anderen Staates rechtlich gleichgestellt zu sein, gilt offensichtlich nur für bestausgebildete Zuwanderer, wenn sie sofort Arbeit und Wohnung finden und keine Probleme haben.
Die Realität sieht aber anders aus: Viele Familien versuchen, für sich und ihre Kinder bessere Lebensbedingungen als z.B. in Rumänien zu erreichen. Sie arbeiten unter oft sehr schlechten Arbeitsbedingungen mit wenig Geld, leben in minderwertigen Wohnungen auf engstem Raum und haben Anspruch auf Geldleistungen, wenn der Lohn zu gering ist – dann müssen die Jobcenter aufstocken. Und genau da setzen diese an: Sie erkennen gezielt die Arbeitsverträge von vielen rumänischen und bulgarischen Arbeitern nicht an und stellen somit die Freizügigkeit in Frage. Damit verbunden ist die Einstellung der Geldleistungen (Sozialhilfe) und der Mietzahlungen, was nach einiger Zeit zum Verlust der Wohnung führt.
Das ist z.B. in Lünen mehrfach geschehen: Eine Familie mit vier Kindern saß z.B. deshalb auf der Straße. Sie bekamen eine Notunterkunft der Stadt Lünen (in einer alten Schule gemeinsam mit einer anderen Familie in einem Klassenzimmer, wofür die Stadt Lünen 1300.- € pro Familie vom Jobcenter kassiert). Mittlerweile ist geklärt, dass das Jobcenter falsch gehandelt hat und alle Leistungen von über einem Jahr zurückzahlen muss – aber das ist kein Einzelfall. Dieser Familie ist es nur mit langem Atem und anwaltlicher Hilfe gelungen, durchzuhalten, und ihr Recht einzufordern. Aber die Wohnung ist weg und eine neue zu bekommen sehr schwierig, wie jeder weiß.
Jetzt wurde publik, dass dieses Verhalten der Jobcenter auf Anweisungen der Bundesagentur für Arbeit beruht, die eine „Arbeitshilfe Bekämpfung von bandenmäßigem Leistungsmissbrauch im spezifischen Zusammenhang mit der EU-Freizügigkeit“ herausgegeben hat. Die Arbeitshilfe trägt den Zusatz „Nur für den Dienstgebrauch“ und ist durch die BA nicht veröffentlicht worden, da ihr Bekanntwerden nach offizieller Auffassung „die öffentliche Sicherheit gefährden“ könne.
Die GGUA (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. Münster) hat diese „Arbeitshilfe“ veröffentlicht und schreibt dazu im Februar 2021 u.a: „In der Folge sollen die Jobcenter Leistungsanträge besonders streng prüfen, im Zweifelsfall die Leistungen ablehnen und Repressionsmaßnahmen verschiedenster Art gegenüber Unionsbürger*innen in die Wege leiten. …. Die Arbeitshilfe führt zu gezielter Stigmatisierung und Kriminalisierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, der ethnischen Zugehörigkeit oder schlicht aufgrund eines prekären Beschäftigungsverhältnisses.“
Ohne Zweifel gibt es organisierte, kriminelle Machenschaften mit der Erschleichung von Sozialleistungen, dem Ausstellen von falschen Arbeitsverträgen, der Vermietung von Schrottimmobilien an Arbeiterfamilien durch Banden usw. Opfer sind aber immer die jeweiligen Familien, die sich auch durch Mund-zu Mund-Propaganda in ihren Ländern darauf eingelassen haben, ohne zu wissen, welche Gesetze und Auflagen es in Deutschland gibt. Darum ist es auch wichtig, dass sie sich sofort mit den Arbeitern hier in Deutschland verbinden, statt sich teilweise abzuschotten und keinen Kontakt aufzunehmen.
Was hier aber durch die Bundesagentur für Arbeit gemacht wird, ist, demagogisch alle Arbeiter und ihre Familien unter Generalverdacht zu stellen und zu diskriminieren, was unbedingt zurückgewiesen werden muss. Die Veröffentlichung dieser Anweisungen ist mutig und wichtig, weil man daraus ersehen kann, dass die Diskriminierung von Arbeitern aus Osteuropa und ihren Familien eine zentral gesteuerte Kampagne ist.