Merkels Eiertanz
Die Rückkehr ins frühe Mittelalter
Es war schon einigermaßen erstaunlich, mit welcher Offenheit die Verbandsvertreterin der Autoindustrie, Hildegard Müller (1), die Regierung angewiesen hat, jede Einbeziehung der Betriebe in den Lockdown, selbst nur für einen Tag vor Ostern, aufzuheben.
Natürlich hüllte sie diese Vorgabe in das Mantra: „Wir setzen auf Impfen und Testen, statt Lockdown und Pause“. Tun sie nicht! Das könnten Tausende von Kollegen in der Autoindustrie postwendend bezeugen. Mit falschen Behauptungen leugnen bzw. vertuschen die Konzernherrn die hohen Inzidenzen in den Betrieben. Produktion und Lieferketten sind dem Konzern wichtiger als Menschenleben. Bis alle geimpft sind, sollen die Beschäftigen eben Opfer bringen. Deswegen kommt für Frau Müller nur ein „persönlicher Lockdown“ außerhalb der Arbeit in Frage.
Von den Bischöfen beider Konfessionen kam die Forderung, auch die Kirchen offen zu lassen. Das wiederum griff Innenmister Horst Seehofer (CSU) sofort auf. Er habe kein Verständnis dafür, den Kirchen nahezulegen, keine Präsenzgottesdienste (2) abzuhalten. Aber wofür hat er denn dann Verständnis? Inzwischen hat Frau Merkel diese Auflage ja auch zurückgenommen, wodurch der Kniefall komplett wird.
Zur Arbeit und zur Kirche zu gehen, und ansonsten zu Hause zu bleiben, ist heute die moderne Version der mittelalterlichen Losung „Ora et labora“ (bete und arbeite). Diese alte Herrschaftslogik wurde von Luther im Sinne des aufkommenden Bürgertums „reformiert“: „Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt, und arbeite, als ob alles Beten nicht nützt.“ Sich der Obrigkeit zu beugen, gegen sie keine Forderungen zu erheben, oder gar „böses Zeugnis“ abzulegen (also über die Obrigkeit zu schimpfen), ist Teil dieser Maxime. Die Bourgeoisie machte dann daraus die Version, „nur kurz beten, um lang zu arbeiten“, wie es der Dichter Georg Herwegh in seinem Lied „Bet und arbeit ruft die Welt, bete kurz, denn Zeit ist Geld“ angreift.
In der neuesten Lockdown-Variation von Frau Müller wird daraus die Forderung, um jeden Preis, auch wenn es Menschenleben kostet, zur Arbeit zu kommen, damit der Rubel rollt. Ein entschlossener Kampf zur Überwindung der Pandemie ist ein Kampf gegen die Profitgier der Monopole.