Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie

Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie

Verhandlungsergebnis NRW – Zurückweichen vor wachsender Kampfbereitschaft und Politisierung

In der siebten Verhandlungsrunde haben die Vertreter vom Unternehmerverband Metall NRW und die IG Metall NRW ein Verhandlungsergebnis in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie erzielt. Es soll im Kern den Charakter eines Pilotabschlusses für die anderen Bezirken haben. Dem Verhandlungsergebnis muss aber noch von der Tarifkommission zugestimmt werden.

Von gp
Verhandlungsergebnis NRW – Zurückweichen vor wachsender Kampfbereitschaft und Politisierung

Angesichts der wachsenden Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, der zunehmenden Forderung nach Urabstimmung und Streik, einer Politisierung - auch durch den Zustand einer Regierung am Rande einer politischen Krise – all das hat dazu geführt, dass Gesamtmetall, aber auch die IG-Metall-Führung ein Interesse an einer raschen Beendigung der Tarifauseinandersetzung haben.

Was wurde vereinbart?

Für 2021 soll es wie 2020 keine Erhöhung des Tarifentgeltes geben, sondern nur eine steuerfreie Einmalzahlung von 500 Euro im Juni, 300 für die Auszubildenden. Damit wird das Tarifentgelt das zweite Jahr nicht erhöht, was sich dauerhaft negativ auf die Löhne auswirkt. Dazu eine Kollege von Vitesco in Dortmund: „Wir wollen eine tabellenwirksame Lohnerhöhung, denn wir haben jeden Monat laufend steigende Kosten.“

 

Außerdem gibt es ein sogenanntes „Transformationsgeld“ in Höhe von 2,3 Prozent des Monatsentgelts ab Juli, das aber erst im Februar 2022 ausgezahlt wird und 18,4 Prozent des Monatsentgelts entspricht. Dieses „Transformationsgeld“ erhöht sich ab 2023 dauerhaft auf 27,6 Prozent des Monatsentgelts. Es kann durch Betriebsvereinbarungen bis maximal 36 Monate zur Verkürzung der Arbeitszeit verwendet werden. In Verbindung mit dem 2018 vereinbarten Tarifzusatzgeld kann auf diese Weise die Arbeitszeit zeitlich begrenzt auf 30 Stunden in der Woche gesenkt werden. „Damit sollen wir noch eine Arbeitszeitverkürzung aus der eigenen Tasche bezahlen. Durch die Produktivitätssteigerung sind wir doch längst in Vorleistung für eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich getreten,“ kritisiert ein Kollege von Daimler.

 

Mit dem Transformationsgeld und Tarifzusatzgeld haben die Unternehmer Instrumente zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit und zur Dämpfung der Widersprüche bei geplantem Arbeitsplatzabbau erhalten. Im Hinblick auf die geplante dauerhafte Vernichtung der Arbeitsplätze durch Steigerung der Produktivität, Folgen der Digitalisierung usw. ist aber eine dauerhafte Arbeitszeitverkürzung für alle notwendig, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!

 

Die Auszahlung des Tarifzusatzgeldes (sogenannter T-Zug) im Oktober dieses Jahres kann automatisch von Betrieben, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, ausgesetzt werden. Das ist ein Einstieg in die Forderung von Gesamtmetall nach einem „Automatismus“ zur Absenkung tariflicher Leistungen und muss prinzipiell abgelehnt werden!

 

Es wurde eine Rahmenvereinbarung getroffen, wonach die Betriebsparteien einen „Zukunftstarifvertrag“ für „Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ auf Antrag einer Seite abschließen können. Es gibt aber keinen Einigungszwang, das heißt: Wenn ein Unternehmer will, kann er den Betriebsrat auflaufen lassen. Deshalb ist es eine Täuschung, wenn der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann das als „Sicherung der Arbeitsplätze“ verkauft. Außerdem gibt es im Kapitalismus keine „sicheren“ Arbeitsplätze.

 

Ab sofort gelten die IG-Metall-Tarifverträge auch für die Dual-Studierenden. Das ist ein Zugeständnis, für das sich besonders die IG-Metall-Jugend in der Tarifrunde eingesetzt hat! Der Tarifvertrag gilt rückwirkend am Januar und hat eine Laufzeit von 21 Monaten, bis 30. September 2022.

 

IG-Metall-Chef Jörg Hofman fordert die regionalen Arbeitgeberverbände zu einer schnellen Übernahme der Verhandlungsergebnisse auf. Dazu gehöre auch „die Angleichung der Stundenentgelte in den ostdeutschen Tarifgebieten.“ Damit verfälscht er die Forderung der Kolleginnen und Kollegen nach der 35-Stunden-Woche. Die Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht alleine gelassen werden. Deshalb darf es in keinem Bezirk einen Abschluss geben, bevor Gesamtmetall nicht seine Blockade zur flächendeckenden Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich im Osten aufgegeben hat!

Wie ist das Ganze einzuschätzen?

1. „Für mich ist das Ganze ein oberfauler Kompromiss,“ meint ein Kollege von Opel. Ein anderer: „Das muss ich mir erst Mal in Ruhe anschauen.“ Das konkrete Verhandlungsergebnis enthält zwar einzelne Zugeständnisse, ist aber ein fauler Kompromiss, der abgelehnt werden muss. Vor allem deshalb, weil der IG-Metall-Vorstand lieber auf die Politik der Klassenzusammenarbeit gesetzt hat, als die Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen zum Einsatz zu bringen. So lobt Jörg Hofmann das Verhandlungsergebnis, weil angeblich „die Krisenfolgen fair verteilt … werden.“¹ Weil die Interessen der Monopole und die der Arbeiter grundsätzlich verschieden sind, gibt es kein „faires“ Verteilen!

 

Entscheidend aber ist die positive Verarbeitung der Kampferfahrungen, auf denen die Kolleginnen und Kollegen aufbauen können und die als Schule des Klassenkampfs verarbeitet werden.

 

2. So großmaulig und provokativ Gesamtmetall auch aufgetreten ist, sind sie doch vor einer offenen Konfrontation mit dem Kern des Industrieproletariats zurückgeschreckt. Das versucht Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf zu vertuschen, wenn er behauptet, „wir haben unsere Ziel in der Tarifrunde erreicht.“² Die Kolleginnen und Kollegen fühlten sich durch die provokative Haltung herausgefordert. Gesamtmetall ist mit seiner Forderung nach einer weiteren Nullrunde und Abstrichen von bestehenden Tarifverträgen gescheitert und musste angesichts der wachsenden Kampfbereitschaft und Politisierung der Kolleginnen und Kollegen einen Rückzieher machen!

 

3. Fast 1 Million Kolleginnen und Kollegen haben in Warnstreiks die Forderung nach vier Prozent mehr Lohn und eine Arbeitszeitverkürzung – aber mit vollem Lohnausgleich – unterstützt. Sie haben sich weder durch die Weltwirtschafts- und Finanzkrise, noch durch Corona davon abhalten lassen, für ihre Forderungen zu kämpfen! Zunehmend setzten die Kolleginnen und Kollegen statt „virtueller Warnstreiks“ tatsächlich Kundgebungen und Protestaktionen durch und die Forderung nach einem 24-Stunden-Warnstreik und Urabstimmung über einen Streik - natürlich entsprechend dem notwendigen Gesundheitsschutz - gewannen an Boden. Das ist Ausdruck einer praktischen Kritik an der Politik der Klassenzusammenarbeit und der Stärkung der Gewerkschaft als Kampforganisation!

 

4. Die wachsende Kampfbereitschaft wurde auch durch das sinkende Vertrauen in die Regierung und in die bürgerliche Politik, sowie durch die Kulminationen in vielen Betrieben durch steigende Infektionszahlungen genährt. Dazu stieg das Interesse an der Auseinandersetzung um grundsätzliche Fragen nach einer gesellschaftlichen Perspektive und dem Sozialismus, die vor allem von den Betriebsgruppen der MLPD mit ihren Kolleginnen und Kollegen diskutiert wurden. Die Stärkung des Vertrauensverhältnisses einer wachsenden Zahl von Kolleginnen und Kollegen in die Zusammenarbeit mit der MLPD und ihre Stärkung sind jetzt schon nachhaltige Ergebnisse der Tarifrunde.