Grünen-Kanzlerkandidatin
Annalena Baerbock bewirbt sich als Ärztin am Krankenbett des Kapitalismus
Am 19. April wurde Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen präsentiert – gekürt in einer Hinterzimmer-Entscheidung der beiden Vorsitzenden ohne jegliche Beteiligung der Basis.
Bündnis 90 / Die Grünen sind die einzige Monopolpartei, die in den letzten Jahren vom fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Arbeitern, der Jugend und den Massen profitieren konnte. Ihre Umfragewerte steigen. Laut einer aktuellen "Forsa"-Umfrage liegen die Grünen mit 28 Prozent Wähleranteil deutlich vor CDU und CSU mit 21 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass sie auf Bundesebene nicht in der Regierung sind und deshalb von der wachsenden Unzufriedenheit mit deren Krisenmanagement in der Corona-Pandemie nicht so betroffen sind. Zudem profitieren sie noch von einem sich hartnäckig haltenden Nimbus, dass sie sich angeblich für Umweltschutz und gegen Rechtsentwicklung einsetzen.
Grüne in Regierungen mitverantwortlich für reaktionäre Politik
Nun streben die Grünen erneut eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene und erstmals sogar die Übernahme des Bundeskanzleramts an. Kein Wort war zu hören zu ihrer letzten Beteiligung an einer Bundesregierung von 1998 bis 2002 unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Es waren die Grünen, die damals einen nie dagewesenen Kahlschlag sozialer Rechte unter der „Agenda 2010“ mit vorantrieben, die erstmals nach dem Ende des 2. Weltkriegs die Beteiligung der Bundeswehr an einem imperialistischen Angriffskrieg mitbeschlossen und unter dem Vorwand des sogenannten "Atomausstiegs" den Energiekonzernen jahrzehntelange Restlaufzeiten der Atomkraftwerke zubilligten.
Ihre damalige Regierungsbeteiligung hat die Verwandlung der Grünen von einer kleinbürgerlichen Protestpartei in eine staatstragende bürgerliche Monopolpartei endgültig besiegelt. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. In der baden-württembergischen Landesregierung setzt Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann gemeinsam mit der CDU eine konsequente Monopolpolitik vor allem im Interesse der Autokonzerne durch. Die Grünen in Hessen gaben sich in den letzten Jahren für eine stramme Rechtsentwicklung der Landesregierung unter Volker Bouffier (CDU) her, die zum Beispiel die faschistischen Strukturen im Staatsapparat systematisch vertuscht und den umweltschädlichen Weiterbau der Bundesautobahn 49 gegen den erbitterten Widerstand der Umweltbewegung durchzusetzen versucht. Und Robert Habeck erklärte sich in seiner Zeit als Umweltminister der SPD/Grünen-Landesregierung in Schleswig-Holstein dazu bereit, Castoren aus dem britischen Sellafield in Brunsbüttel zwischenzulagern - was ebenfalls auf die Empörung vieler Anti-AKW-Aktivisten stieß.
Die Grünen tragen in verschiedenen Landesregierungen die forcierte Rechtsentwicklung mit einschließlich massenhafter Abschiebungen von Flüchtlingen und Durchsetzung reaktionärer Polizeigesetze. Das geht noch viel weiter als ihre Politik unter Schröder und Fischer!
Monopole finden Baerbock gut
Das ist doch echt peinlich für eine grüne Kanzlerkandidatin, die Umweltschutz und eine soziale Politik verspricht: In einer Umfrage der Wirtschaftswoche wünschten sich 26,5 Prozent der befragten Führungskräfte sie als Kanzlerin, nur 14,3 Prozent Armin Laschet und 10,5 Prozent Olaf Scholz. Kein Wunder, macht sie sich doch Sorgen um die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Konzerne, weil „unsere Industrie im absoluten Wettbewerb steht“. Alle noch so gearteten Versuche, dem Kapitalismus ein grünes Mäntelchen umzuhängen, werden den systemimmanenten Zwang des Kapitalismus zur gesetzmäßigen Zerstörung der Umwelt und Ausbeutung und Unterdrückung der Massen nicht aufheben können.
Für die Monopole und die anderen bürgerlichen Parteien ist der wichtigste Pluspunkt der Grünen ihr strammer Antikommunismus. Was haben sie sich abgemüht, revolutionäre Kräfte wie MLPD und REBELL aus der Jugendumweltbewegung Fridays for Future hinauszuekeln, damit der Kapitalismuskritik der jugendlichen Umweltkämpfer die Spitze bzw. die Perspektive genommen wird? Grüne gehören zu den Kräften, die jegliche Kritik an der Unterdrückung des palästinensischen Volks durch die reaktionäre israelische Regierung als "Antisemitismus" qualifizieren.
Einen Kapitalismus, der den Menschen dient, gibt es nicht
In welcher Situation wollen die Grünen erneut die Illusion wecken, mit ihnen in der Regierung würde eine Politik für die Massen gemacht? Inmitten der tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise, verschärft durch die Corona-Krise, in der die Regierung die Staatsverschuldung im Interesse der Monopole sprunghaft erhöht hat. Es ist doch jetzt schon klar, dass das nur mit einer massiven Abwälzung der Krisenlasten finanziert werden kann.
Während immer mehr Menschen den Kapitalismus infrage stellen, wollen die Grünen ihn gerne behalten. Aber so nennen wollen sie ihn nicht. Deshalb fabulieren sie in ihrem Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021davon, „eine sozial-ökologische Marktwirtschaft in Europa (zu) begründen, ... (die) den Menschen dient“ (S. 30). "Marktwirtschaft" ist eine schön klingende Umschreibung für Kapitalismus. Allerdings regelt nicht der "Markt" im Sinne der Bedürfnisse der Menschen dieses Wirtschaftssystem, sondern die Konkurrenz bis zur gegenseitigen Vernichtungsschlacht der nach Maximalprofit strebenden Konzerne. Indem man dem Adjektiv "sozial" noch das Adjektiv "ökologisch" beifügt, wird die Illusion, den Kapitalismus in diesem Sinne reformieren zu können, nicht wirklich glaubhafter. Warum haben Grüne oder auch SPD das denn bisher nicht geschafft, nachdem sie sich schon jahrzehntelang an den verschiedensten Regierungen beteiligen? Ganz einfach. Weil es nicht geht und weil sie es auch nicht wollen. Vom biederen Image der Monopolpolitikerin sollte man sich also nicht täuschen lassen.