Belarus

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Streit um erzwungenen Flugzeugstopp: Geheuchelter Protest der EU

Nachdem am 23. Mai 2021 ein Passagierflieger der irischen Gesellschaft Ryanair auf dem Weg zwischen Athen und Vilnius (Litauen) im belarussischen Luftraum von einem Kampfflugzeug des russischen Typs MiG-29 zu einer Notlandung in Minsk (Belarus) gezwungen wurde, verschärfen sich die imperialistischen Rivalitäten beträchtlich.

Von es
Streit um erzwungenen Flugzeugstopp: Geheuchelter Protest der EU
Protest gegen die faschistische Unterdrückung in Belarus am 21.8.2020 in München (Foto: Henning Schlottmann)

Alexander Lukaschenko an der Spitze des faschistischen Regimes in Belarus hatte diese provokative Aktion persönlich angeordnet. Begründung: eine angebliche Bombendrohung solle verhindert werden. Doch das war nur ein Vorwand, um den im Flugzeug sitzenden und im polnischen Exil lebenden 26-jährigen Regimekritiker Roman Protassewitsch unmittelbar nach der Zwangslandung gemeinsam mit seiner Partnerin zu verhaften.

 

Seit den manipulierten Wahlen im Sommer 2020 hat das Lukaschenko-Regime mindestens 35.000 Menschen inhaftiert. Über Monate entwickelte sich trotz brutaler Unterdrückung der Massenwiderstand mit Arbeiterstreiks, vor allem der Kali-Kumpel, wöchentlichen beziehungsweise täglichen Demonstrationen von Zehn- bis Hunderttausenden. In Belarus hatte sich eine gesamtgesellschaftliche Krise entwickelt. Mittlerweile sind die Kämpfe zurückgegangen. Ein Korrespondent aus Belarus berichtet:

 

"Wir protestieren, aber in kleinen Gruppen, nicht wie früher mit Massendemonstrationen. Wir haben die Miliz an jeder Ecke. Menschen sind verschwunden. Solidarität untereinander ist notwendig, Zusammenschluss, Beratung der Fragen, welcher Weg eingeschlagen werden soll." (Mehr dazu) Die Erfahrungen mit dem brutalen Staatsterror müssen von den Massen bewusst verarbeitet werden, mit Schlussfolgerungen für neue Kampf- und Organisationsformen - auch in der Illegalität. Und sie müssen fertigwerden mit antikommunistischen Vorbehalten aufgrund der Erfahrungen mit dem als "Sozialismus" ausgegebenen früheren bürokratischen Kapitalismus.

Ikone der Massenbewegung?

Protassewitsch wird von den EU-Regierungen und bürgerlichen Medien nun wie eine Ikone der belarussischen Bewegung für Demokratie und Freiheit behandelt. Tatsächlich steht er genauso wie die ebenfalls im Exil lebende Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja für die Orientierung auf eine bürgerliche Demokratie westlicher Prägung. Mit Tichanowskaja hatte er sich vor seinem Rückflug auf einer Wirtschaftskonferenz in Griechenland getroffen. Der zuletzt in Warschau als Chefredakteur des Telegram- und Youtube-Kanals Nexta arbeitende Protassewitsch hatte auch Verbindung zu den Radiosendern Radio Free Europe und Radio Liberty - vom US-Geheimdienst CIA gesteuerte Propagandasender.

 

Kein Wunder also, dass die EU-Regierungschefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel so allergisch auf seine Verhaftung reagieren und die sofortige Freilassung der beiden Verhafteten fordern. Ihre Anklage gegen das "beispiellose Vorgehen der belarussischen Autoritäten" ist zutiefst geheuchelt. Mit anderen faschistischen Regimes wie dem von Recep Tayyip Erdogan in der Türkei arbeitet die Bundesregierung eng zusammen, obwohl auch dort Zehntausende Regime-Gegner inhaftiert sind und Proteste brutal unterdrückt werden. Die Verhängung von Sanktionen gegen die Türkei hat die Bundesregierung stets verhindert.

"Beispielloses Vorgehen"?

Und von wegen "beispielloses Vorgehen". Lukaschenko konnte sich ein Vorbild an Operationen der westlichen Imperialisten ganz ähnlicher Art nehmen. 2013 wurde ein aus Russland kommendes Flugzeug mit dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales an Bord auf Geheiß der USA stundenlang in Wien festgehalten und durchsucht. Die US-Geheimdienste vermuteten den von den USA gesuchten Edward Snowden an Bord.

 

Ein ähnlicher Vorfall hatte sich kurz darauf wiederholt. Der Lebensgefährte des Journalisten Glenn Greenwald wurde auf der Rückreise nach Brasilien bei einem Zwischenstop in der britischen Hauptstadt London in Gewahrsam genommen. David Miranda wurde neun Stunden lang von Behörden unter dem Vorwand des Terrorverdachts verhört. Greenwald war als Journalist bei der britischen Zeitung „The Guardian“ maßgeblich an den Enthüllungen über die weltweiten Machenschaften der Geheimdienste durch Edward Snowden beteiligt. Miranda hatte sich mit der US-Filmemacherin Laura Poitras getroffen, die ebenfalls im Zusammenhang mit den Enthüllungen von Snowden aktiv war.

 

Solche Aktionen sind in Europa aufgrund eines "Anti-Terror-Gesetzes" möglich. Es erlaubt Sicherheitskräften an Flughäfen, Häfen und Grenzen Menschen für maximal neun Stunden festzunehmen. Diese neun Stunden wurden voll ausgeschöpft. Dann wurde Miranda freigelassen, allerdings ohne seinen Laptop, Handy sowie Kamera und Speicherchips.

Jede imperialistische Einflussnahme ablehnen

Die nun von der EU gegen Belarus verhängten Sanktionen wie insbesondere eine Luftraumsperre haben nicht das Geringste mit Solidarität gegenüber den um Freiheit und Demokratie kämpfenden Massen zu tun. Es geht einzig und allein um den zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf gegen Russland und seinen Vasallen Lukaschenko - auch um den Preis einer weiteren Verschärfung der allgemeinen Kriegsgefahr. Verbunden mit einer systematischen Desinformation über die tatsächlichen Zusammenhänge wollen die EU-Imperialisten damit zugleich Einfluss auf die Protestbewegung nehmen.

 

Die Arbeiter und die breiten Massen müssen den richtigen Weg ihres Kampfs für Freiheit und Demokratie selbst finden. Notwendig ist dazu eine klare Positionierung gegen jede imperialistische Einflussnahme. Und Klarheit darüber, dass in Belarus, Russland und vielen anderen Ländern der Sozialismus seit 1956 durch revisionistische Bürokraten verraten wurde, weshalb ein neuer Anlauf für einen echten Sozialismus notwendig ist. Die Revolutionäre der ICOR-Organisation "Roter Keil" werden den Menschen dabei helfen.