Rücktrittsangebot von Kardinal Marx
Katholische Kirche in existenzieller Krise
Am 4. Juni hat Kardinal Reinhard Marx, katholischer Erzbischof von München und Freising sowie langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Das will schon was heißen in einem Umfeld, in dem man für gewöhnlich bis zuletzt an der eigenen Karriere klebt.
Marx schreibt in seinem Brief an Papst Franziskus, er wolle „Mitverantwortung tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“. Es habe dabei "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben, "aber eben auch institutionelles und 'systemisches' Versagen". Die Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen, von dem Marx allerdings hofft, dass er auch zu einem "Wendepunkt" werden könne.
Dass der Endpunkt der sich vertiefenden institutionellen und mittlerweile existenziellen Krise der katholischen Kirche in Deutschland bereits erreicht ist, dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Von "Wendepunkt" ganz zu schweigen. Auch wenn es Marx nicht offen ausspricht, richtet sich seine Kritik vor allem gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und seine "Brüder im Nebel"1, die penetrant an der systematischen Vertuschung und Verharmlosung der zahllosen Fälle sexueller Gewalt durch kirchliche Amtsträger festhalten.
"Offener Aufstand" der Kirchenbasis
Woelki weist bis heute alle Forderungen nach einem Rücktritt - trotz erdrückender Belege für seine eigene Vertuschung von Fällen sexueller Gewalt unter anderem enger Bekannter - zurück. Seitdem gibt es eine Welle der Empörung. Der Stern spricht von einem "offenen Aufstand". Sowohl Priester als auch katholische "Laien" fordern in Stellungnahmen und offenen Briefen seinen Rücktritt. 140 Mitglieder einer Düsseldorfer Kirchengemeinde baten Woelki eindringlich darum, von der Durchführung der Firmung am 9. Juni abzusehen - vergeblich. Einen Woelki wird man so schnell nicht los.
Dafür wird die katholische Kirche ihre Mitglieder immer schneller los. In Köln zählte das Amtsgericht im ersten Quartal mehr als 3.300 Austritte, etwa 30 Prozent mehr als im vergleichbaren Zeitraum 2019 - das bisherige Rekordjahr. Dass es aktuell nicht noch mehr sind, liegt unter anderem daran, dass die Termine beim Amtsgericht limitiert sind. Sobald zu Monatsbeginn neue anberaumt werden, sind sie schneller ausgebucht als ein Konzert der "Bläck Fööss". Seit 1990 haben die katholische und die evangelische Kirche bundesweit fast ein Drittel ihrer Mitglieder verloren.
Auch Marx nicht frei von Doppelmoral
Dass sich jetzt sogar Leute wie Kardinal Marx aus dem Staub machen, lässt nichts Besseres erwarten. Zumal er sich selbst kaum freisprechen kann von Verstrickung und bürgerlicher Doppelmoral. Marx hielt im Jahr 2010 ebenfalls ein Gutachten zu sexueller Gewalt in der katholischen Kirche unter Verschluss. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 2014 bis 2020 hat er viele Vertuschungsfälle mitgetragen.
Die katholische, in abgeschwächter Form auch die protestantische Kirche, unterliegen einer lang anhaltenden Vertrauenskrise. Der perverse und menschenverachtende sexuelle Missbrauch vor allem von Jugendlichen und Kindern ist nur eines der Erdbeben, die die Kirchen erschüttern. Die Bewegung „Maria 2.0“ protestiert etwa gegen die Unterdrückung von Frauen in der Kirche.
Reinhard Marx ist führender Vertreter der Bewegung „Synodaler Weg“. Sie will die schlimmsten Auswüchse reformieren und die Kirche „zukunftsfähig“ machen. Bisher mit wenig Erfolg. Gegenspieler wie Kardinal Woelki fürchten um ihre Pfründe. Auch der Papst hat im Jahr 2020 eine Absage an die Lockerung des Zölibats und an die Weihe von Frauen erteilt.
MLPD begrüßt Protest der Kirchenbasis
Die MLPD begrüßt den Protest der Kirchenmitglieder. Sie respektiert die religiösen Gefühle der Menschen und arbeitet unter anderem mit Christen in vielen Bewegungen und Organisationen zusammen. Atheist zu sein, ist keine Voraussetzung, Mitglied in der MLPD zu werden. Im Sozialismus wird es ebenso religiöse Glaubensfreiheit geben.
Die MLPD sagt aber auch, dass sich die Kirchen nicht zu fortschrittlichen Institutionen reformieren lassen. Sie kritisiert die Kirchen als Machtinstrument der Herrschenden und Institution zur Verbreitung der bürgerlichen Ideologie. Und sie leistet Überzeugungsarbeit für die Weltanschauung des dialektischen Materialismus. Diese geht davon aus, dass die Menschen in Übereinstimmung mit den objektiven Gesetzmäßigkeiten über ihr Schicksal selbst bestimmen können, statt auf Erlösung durch ein höheres Wesen zu hoffen.