Weltflüchtlingstag

Weltflüchtlingstag

Wachsende selbstorganisierte Flüchtlingsbewegung

Am gestrigen 20. Juni war Weltflüchtlingstag, zu dem seit 2001 von den Vereinten Nationen (UN) aufgerufen wird. Ende 2020 waren über 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht – dies ist die größte Zahl an Flüchtlingen, die je registriert wurde. Die reaktionäre, rassistische Flüchtlingspolitik der Herrschenden steht in heftigster Polarisierung. Die Abschiebungen nach Afghanistan durch die imperialistische deutsche Bundesregierung wurde und wird von Protesten begleitet. In über 50 Städten Deutschlands fanden am Wochenende Aktivitäten, unter anderem des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in Solidarität International (SI) und der „Seebrücke“ statt: Mit kleinen Mahnwachen und Demonstrationen.

Von jj
Wachsende selbstorganisierte Flüchtlingsbewegung
Selbstorganisation der Flüchtlinge: Im Lager Kara Tepe werden neue Zelte für den Unterricht der Kinder fertig gemacht. (foto: Solidarität International)

Gerne bekunden bürgerliche Politiker an solchen Tagen vollmundig ihre Solidarität mit Flüchtlingen. Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres twitterte: „Der beste Weg den Weltflüchtlingstag zu begehen, ist die Aktivität und indem wir Schutz für Menschen in Not gewähren. Indem wir die Genfer Flüchtlingskonvention – die vor 70 Jahren geschaffen wurde - hochhalten“. Dabei hat sie maßgeblich den EU-Pakt für Migration und Asyl ausgearbeitet, der unter anderem Asylschnellverfahren an den EU-Außengrenzen, beschleunigte Abschiebeverfahren usw. vorsieht.

 

Eine geplante Reform des Ausländerzentralregisters durch die Bundesregierung verschärft die Rechtsentwicklung ihrer Flüchtlingspolitik. Am 10. Juni verpflichtete der Europäische Gerichtshof, anlässlich einer Klage zweier afghanischer Flüchtlinge, die EU-Mitgliedsstaaten dazu, künftig umfassend alle relevanten Umstände des Einzelfalls Schutzssuchender zu berücksichtigen. Ein Zugeständnis an die massenhafte Kritik! Im Kampf gegen diese reaktionäre Flüchtlingspolitik entwickelte sich eine wachsende selbstorganisierte und demokratische Flüchtlingsbewegung. Daraus entstand am 26. Juni 2020 der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in Solidarität International (SI) – ein überparteilicher, selbstorganisierter Zusammenschluss von Flüchtlingen und Aktivisten der demokratischen und revolutionären Bewegung in Deutschland.Er hat vier Regionalgruppen und baut auf den reichhaltigen Erfahrungen der selbstorganisierten Flüchtlinge aus Ellwangen auf, die gegen den martialischen Polizeieinsatz oder Abschiebungen entschlossen gekämpft haben und kämpfen (aus dem Elf-Punkte Programm, zu finden unter freunde-fluechtlingssolidaritaet.org).

 

Alassa Mfouapon, Flüchtlingsaktivist und Sprecher des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität, zu den Verlautbarungen der EU-Imperialisten zum Weltflüchtlingstag: „Was für eine Heuchelei. Ich habe von vielen Menschen in der Gesellschaft Solidarität erfahren – von Arbeitern , Frauen aus der Nachbarschaft, von fortschrittlichen und revolutionären Menschen. Die Regierungen dagegen stehen für die menschenverachtende Flüchtlingspolitik, wie in der EU und der BRD, gegen die wir uns gemeinsam wehren. Diese Politik ist auch verantwortlich dafür, dass wir aus unseren Ländern fliehen mussten. Und dann werden wir als Flüchtlinge wie Menschen zweiter und dritter Klasse behandelt. Die Regierungen machen die EU-Sammelcamps zu Gefängnissen , organisieren illegale Pushbacks, lassen Flüchtlinge ins Meer zurücktreiben. Wo ist die Teilhabe an allen Lebensbereichen, wenn z. B. die griechische Regierung bei der Corona-Infektion in Kara Tepe auf Lesbos, bei sexuellen Übergriffen und faschistischen Angriffen keine Hilfe leistet? Hilfe kommt dort von den Flüchtlingen selbst, die sich mit Einwohnern aus Lesbos organisiert haben, die überfluteten Zelte im Winter trocken legen, Schulen für die Kinder aufgebaut haben und die Sauberkeit im Lager und auch auf der Insel organisieren. Unsere Asylanträge werden abgelehnt oder gar nicht erst angenommen, weil z. B. von der Bundesregierung Herkunftsländer willkürlich zu ‚sicheren Herkunftsländern‘ erklärt und Menschen in den Tod abgeschoben werden. ... Da verkommen die Verlautbarungen des UNHCR schlicht zu leeren Worthülsen, und lenken von denen ab, die für diese Zustände verantwortlich sind.“ Und er erklärt abschließend: " Wir sind keine hilflosen Opfer. In diesem Sinne stimme ich dem UNHCR durchaus zu: Gemeinsam können wir alles erreichen! Ich habe hier gelernt, dass Teilhabe in allen Lebensbereichen heißt, zu lernen, wie hier in Deutschland Arbeiter gegen Entlassungen und um ihre Rechte kämpfen, wie sich Menschen für die Umwelt und das Klima organisieren und sich Gedanken um eine Welt machen, in der kein Mensch mehr flüchten muss. Dies alles können wir nur gemeinsam erreichen.“

 

Gudrun Kimmerle und Philipp Gäbel sind Direktkandidaten der Internationalistischen Liste/MLPD in Leipzig und unterstützen von ganzen Herzen die Aktivitäten des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in SI: „Es ist sehr bedeutend, dass die Flüchtlinge selbst sprechen und für ihre Rechte eintreten... In unserer Kleinarbeit im Wohngebiet, sowie unter Kollegen in den Betrieben treten wir entschieden gegen jede Spaltung von Deutschen und Ausländern, gegen einen völkischen Einfluss der AfD ein und fördern die Arbeitersolidarität, im Sinne "Proletarier aller Länder vereinigt Euch" … Unseren Wahlkampf werden wir nutzen für eine engere Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Initiativen und Stärkung der proletarischen Flüchtlingsarbeit gerade unter der Jugend!“, so Kimmerle.

 

Eine Kernfrage der weltanschaulichen Auseinandersetzung in der Flüchtlingsfrage ist die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative, in der niemand wie ein Mensch zweiter oder dritter Klasse behandelt wird und überhaupt die Fluchtursachen beseitigt werden. Die MLPD fördert den selbstbewussten Weg der selbstorganisierten Flüchtlingsbewegung und ihren Zusammenschluss mit der Arbeiterbewegung und Volksbewegung. Sie kämpft für ein Asyl- und Flüchtlingsrecht auf antifaschistischer Grundlage! Sie verteidigt das Recht auf Flucht, propagiert aber nicht die Auswanderung. Auf der Grundlage des proletarischen Internationalismus leistet sie Überzeugungsarbeit dafür, den Kampf gegen die Fluchtursachen in den Ursprungsländern und international koordiniert aufzunehmen und sich in revolutionären Bewegungen zu organisieren oder sie aufzubauen. Sie weist die Perspektive der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt auf, in der die Fluchtursachen tatsächlich überwunden werden.