Namibia

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Wie echt ist die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama?

Nach mehr als sechs Jahren Verhandlung über ein Versöhnungsabkommen will die Bundesregierung die grausame Ermordung von mindestens 70.000 Männern, Frauen und Kindern der Herero und Nama in den Jahren von 1904 bis 1909 endlich als Völkermord anerkennen.

Korrespondenz aus Gelsenkirchen
Wie echt ist die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama?
Gefangene und in Ketten gelegte Herero (foto: gemeinfrei)

Die beiden Volksstämme in Namibia hatten sich in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika mit Aufständen gegen den Landraub und die koloniale Unterdrückung gewehrt. Erbarmungslos trieben die deutschen Kolonialtruppen die unterlegenen Herero nach einer Schlacht am Waterberg in die Wüste, wo ein Großteil samt Familien elend verdurstete. Die Nama stellten sich nach dieser Erfahrung den technisch weit überlegenen Kolonialtruppen nicht mehr in einer offenen Feldschlacht – Tausende wurden dafür in KZs zu Tode gequält.

 

Letztes Jahr bot die Bundesregierung 10 Millionen Euro als „Wiedergutmachung“ an, was Namibia empört ablehnte. Jetzt ist die Bundesregierung zur Zahlung von 1,1 Mrd. Euro gestreckt auf 30 Jahre, also knapp 40 Millionen Euro jährlich, bereit. Angesichts des jährlichen Staatshaushalts von Namibia von rund 4 Mrd. Euro zweifellos eine erhebliche Summe. Die beiden Volksstämme bilden jeweils eine Minderheit unter den verschiedenen Völkern im Land. Repräsentative Vertreter ihrer Opferverbände wurden in die geheime Verhandlung zwischen namibischer und deutscher Regierung nicht einmal mit einbezogen.¹ Sie fordern Auszahlungen an die Nachfahren der vom Völkermord Betroffenen, die weiterhin ohne Land meist prekär leben müssen und befürchten, dass die Zahlungen im namibischen Staatshaushalt zweckentfremdet untergehen.

 

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sieht in der geplanten Vereinbarung eine „echte Versöhnung im Andenken an die Opfer“. In der Tradition der bundesrepublikanischen Außenpolitik weigert er sich aber, einen Rechtsanspruch der Opfer anzuerkennen. Also: „Versöhnung“ nach deutschem Maßstab. Der namibische Staat musste sich dem beugen. Etwas deutlicher wird der Rechtsexperte der großbürgerlichen FAZ, Reinhard Müller. Er meint, aus „heutiger Sicht“ müsse man das Vorgehen der deutschen Truppen als Völkermord bezeichnen – also damals vertretbar?! Als die SPD noch eine revolutionäre Partei war, hatten ihre besten Vertreter auch aus „damaliger Sicht“ ein klares Urteil.²

 

Warum kommt ein SPD-Außenminister erst heute zur „echten Versöhnung“ - allerdings ohne Rechtsanspruch der Betroffenen? Vielleicht hilft die Bemerkung des Afrika-Beauftragten des Bundeskanzleramtes, Günter Nooke, vom 12. Februar weiter: „Ich will nicht, dass Amerika und China Afrika unter sich aufteilen“. Da möchte man wohl bei der Aufteilung lieber mit weißer Weste mitmischen, und „nebenbei“ ergäben sich so mit dem Geld gute Investitionsmöglichkeiten.

 

Im Geist der internationalistischen Einstellung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und August Bebel forderte das überparteiliche Kommunalwahlbündnis AUF Gelsenkirchen: „Aufarbeitung Völkermord: Waterbergstraße umbenennen!“ (s. rf-news vom 30.5.21.) In Essen fordert eine Initiative unter dem Titel „Die Heuchelei der bürgerlichen Politik gegen Rassismus“ nicht nur die Anerkennung der Verbrechen der europäischen Kolonialmächte. Angesichts der Fluchtursachen von Millionen Menschen im heutigen Imperialismus zieht sie die Schlussfolgerung: “Eine Welt ohne Rassismus, Faschismus, Kolonialismus, Antikommunismus muss erkämpft werden und wird uns der Kapitalismus nicht bieten!“