Hochwasserkatastrophe
"Die Menschen legen eine unglaubliche Moral und Zuversicht an den Tag" - mit Bildreport
Beim Stand am Freitag in Kalk war die Solidaritätsbereischaft sehr groß. Es kamen 40 Euro Spenden zusammen und 10 Leute trugen sich in eine Liste ein für Hilfseinsätze in Ahweiler. Ein kleiner Junge, 11 Jahre zog extra noch in den Supermarkt los, um Kekse für die Menschen in Ahrweiler zu kaufen. Die Leute sind wütend über die Politik, die sich nicht um den Umweltschutz schert.
Wir wollen der Bevölkerung dienen und sind ein Verband der praktischen Tat, das hab ich von Rebell und MLPD gelernt. Als ich von dem Unglück erfuhr, habe ich sofort versucht rauszufinden, was man tun kann. Über ehemalige Kollegen und Bekannte wusste ich, wo Hilfe gebraucht wird und bin mit Stiefel, Besen und Handschuhen früh morgens losgefahren. Vorher noch eine Tour bei Freunden vorbei, die alle spenden wollten.
Dort, wo das Wasser weg ist, sieht aus wie im Kriegsgebiet. Die Straßen sind aufgerissen, unterspült oder auf mehrere Meter einfach verschwunden, Bäume, Autos, Straßenschilder und Laternen liegen wie Spielzeug überall verteilt herum. Kein Strom, kein Wasser. Der Kollege hatte die Nacht auf einem Hausdach verbracht und berichtete von schwimmende Gastanks, die explodiert waren, von Fluten, die Mauern einrissen und binnen Minuten auf Häuserhöhe anschwollen. Das Jahhunderthochwasser von vor einigen Jahren hatte nichtmal den Keller angefeuchtet. Allen ist klar, der sogenannte Klimawandel macht vor uns nicht halt und ist nicht so harmlos wie das Wort „Wandel“ klingt, das war eine richtige Umweltkatastrophe. Die Naturgewalt ist unglaublich, die selbst ein vermeintlich harmloses Flüsslein wie die Ahr entfesseln kann.
Die Leute haben viel verloren, manch einer alles. Verwandte und Freunde sind gestorben, Ernte und Gewerbe, Auto und Haus, die Wohnungseinrichtung weg und unbrauchbar. Eine Frau berichtet, wie sie zusehen musste, wie jemand Notsignale mit der Taschenlampe sandte, das Wasser unaufhaltsam stieg und er schließlich in den Fluten verschwand. Sie machen sich Sorgen, wie es weitergeht: Die Handwerker werden nicht verfügbar sein, die Versicherungen werden sie zahlen? Wird es wirklich Unterstützung vom Staat geben? Bei Corona und Oder-Flut hat man andere Erfahrungen gemacht. Muss man nicht einfach alles einreißen und neu aufbauen? Aber leisten kann man es sich nicht. Und man macht sich sorgen, was mit den Vermissten ist, mit denen, die niemanden haben der mit anpackt, die keine Familie haben wo sie unterkommen können.
Gleichzeitig legen die Menschen massenweise eine unglaubliche Moral und Zuversicht an den Tag. Mit Kampfgeist und Tatkraft und ein wenig Galgenhumor wird angepackt, die Leute unterstützen sich, fahren Suppe aus, leihen Werkzeug, ein Unbekannter verteilt Wasser an die Arbeitenden. Auf einmal ist jeder Arbeiter, alle packen an, jung und alt gemeinsam, die kleinen kehren Schlamm und reißen Schränke ein und tragen raus. Die Großen organisieren die Pumpen und legen trocken, sichern, bauen, reißen ein und die Ungelernten, z.B. ein Schulrektor und ein Doktor, schaufeln stundenlang Schlamm in Eimer. Im ganzen Stadtteil wimmelt es vor arbeitenden Menschen. Die Arbeitsproduktivität ist unglaublich, in nur einem Tag wurden gigantische Mengen Schlamm aus den Häusern geschaufelt, zerstörte Einrichtung rausgebracht und Wohnungen entkernt.
Man lässt sich nicht unterkriegen. Ein Helfer kommt vorbei und fragt, ob er die Schuhe im Wohnzimmer ausziehen solle; ein anderer erzählt mit einem verschmitzten Grinsen das Märchen, er könne am Abend bereits anfangen neu zu tapezieren, die Hauseigentümerin erzählt, wir sollen bloß keinen Schlamm auf die wertvolle Zimmerdecke spritzen und ermuntert ihren Sohn heimlich, es doch zu tun, da die Decke ihr eh nie gefallen habe. Die Menschen werden Monate, eher Jahre mit den Folgen zu kämpfen haben, fragen sich, wann kommt die nächste Flut, der „Klimawandel“ geht weiter - und doch lassen sich den Mut nicht nehmen. Dutzende Krankenwagen und Feuerwehrleute sind überall im Einsatz, auch der THW ist unterwegs. Das Wasser ist noch nicht abgeflossen, Menschen sind noch eingeschlossen und die Arbeit ist auf gefährlich.
Dauernd muss ich an die große proletarische Kulturrevolution denken, als genau diese Initiative, Solidarität und Schaffenskraft der Massen durch die sozialistische Arbeiterregierung in China bewusst gefördert und organisiert wurde, als Studenten und Intellektuelle bewusst aufs Land gingen um körperliche Arbeit zu lernen, und mit den Bauern gemeinsam die Landwirtschaft und Versorgung zu entwickeln.
Das Gegenteil wird heute gemacht: Wenn man ZDF und ARD schaut, hört sich das an, als würde die Bundeswehr die Arbeit machen - ein einziges Bundeswehrfahrzeug habe ich an dem Tag gesehen, vielleicht sind sie ja wo anders mit ihrem schweren Kriegsgerät, aber den Großteil der Arbeit machen Sie bestimmt nicht, sonder die Massen und die Rettungskräfte. In der Tagesschau schimpft die Gewerkschaft der Polizei demagogisch gegen die Massen als wären die meisten schaulustige „Katastrophentouristen“, die den Hilfskräften im Weg rumstünden. Sie sollten sich lieber „eine Schippe holen“ statt schaulustig zu sein. Tatsächlich hat die Masse der Leute längst Schippen in der Hand und Menschen die helfen wollen müssen chaotisch übers Internet oder persönliche Kontakte selbst danach suchen was man machen kann. Mich erreichten denTag über dutzende Anfragen von Leuten, die niemanden kennen an der Ahr, aber helfen wollen.
Wir könnten die modernen Massenmedien, Logistik und Kommunikationsmittel doch nutzen, um das alles bestens zu organisieren, statt diese zu missbrauchen, um gegen die Massen zu schimpfen. Die Malteser raten sogar davon ab, zu helfen; sie wollen das scheinbar stellvertretend für die Leute machen. Auch zeigen die bürgerlichen Medien einseitig das Elend und die Zerstörung, statt auch die Seite der Schaffenskraft, Produktivität und Moral der Menschen zu zeigen.
Sonntag und Montag werden wir mit dem Rebell wieder fahren, es haben sich bereits über 15 Leute gemeldet, die mitfahren wollen, viele weitere Anfragen erreichen mich übers Internet von Bekannten und Freunden. Diesmal sind wir besser vorbereitet, bringen Essen und mehr Ausrüstung mit, und viele Freunde, die selbst Arbeiter sind und Fähigkeiten haben, zum Beispiel Bagger fahren können.
Der Kommunismus zeigt sich in der Einstellung zur Arbeit, er fängt da an, wo Leute bereit sind uneigennützig für andere zu arbeiten, für Menschen die sie selbst nicht kennen. Und genau das erwacht mitten im Katastrophengebiet in den Menschen. Das steht im krassen Widerspruch zu dem Märchen vom egoistischen Mensch, eine Gesellschaft, wo Mensch und Natur im Mittelpunkt stehen, ist möglich und dringend notwendig. Die Menschen können die Welt selbst umgestalten, das alles beweisen die Menschen an der Ahr.