Solingen
"Kannst du mich holen? Wir werden alle evakuiert!"
Mittwoch-Abend 22.45 Uhr, ich wollte gerad ins Bett gehen, rief mich ein Genosse aus Solingen-Unterburg an: "Kannst du mich abholen? Wir werden alle evakuiert".
Die Straßen nach Solingen-Burg waren weiträumig abgesperrt. Ich wurde nur durchgelassen, weil ich einen Evakuierten abholen wollte. Der stand fast ohne alles am Straßenrand und berichtete: Die Polizei hat den ganzen Stadtteil evakuiert, weil sowohl die Wupper als auch der Wupperzufluss Eschbach über die Ufer getreten waren. Der Eschbach war erst vor kurzen in einer Langzeitbaustelle für Millionen tiefergelegt und neu befestigt worden. Doch dieser neue "Hochweasserschutz" half nichts gegen die Wassermassen des Tiefs "Bernd": 100 Liter kamen an einem Tag auf 1 qm, so viel wie sonst in einem ganzen verregneten Juli.
Die sonst flache Wupper mit einem Pegel von ca. 1 m schwoll um das Dreifache auf einen Rekordpegel von 3,40 m an. Gaststätten, Häuser, Parkplätze, Schwimmbäder, uralte Schleiferei-Kotten an der Wupper ... waren meterhoch überflutet. Mit Hartschalenbooten und Hubschraubern wurden Menschen evakuiert. eine Tote war zu beklagen. Die Stadt richtete einen Krisenstab ein, hunderte auswärtige Kräfte wurde hinzugezogen. Mit Shuttle-Bussen wurden die Bewohner in eine höhergelegene Schule ausquartiert. In der Bevölkerung gab es eine große Hilfebereitschaft mit Notquartieren.
Donnerstag früh: Ein anderer Genosse aus Radevormwald rief mich an: "Ich bin wie mein ganzer Stadtteil an der Wupper heute Nacht zwangsevakuiert worden. Ich konnte gerade noch das Nötigste in meinen Rucksack packen - die Katze war auch dabei, dafür dann eben nicht mehr der Laptop. Dann marschierte ich durch die Nacht den steilen Berg hoch zu einem anderen Genossen. Trotz allem Schreck und Stress: Die Maßnahme war nötig. Die nahegelegene Wuppertalsperre mit 25,6 Mio m³ Wasser auf 227 ha und einer Staumauerhöhe von 32 m war durch den massiven Regen überflutet. Offensichtlich stellten sich die Verantwortlichen auf das Schlimmste ein und evakuierten alle Stadtteile, die unterhaln der Staumauerhöhe lagen: Die Wuppervororte in Radevormwald, Wuppertal-Beyenburg ... bis in das zig km entfernte Solingen-Unterburg. Zum Glück hörte der Regen in der Nacht auf. Es gelang, die Wuppertalsperre durch gezieltes Ablassen von Wasser zu entlasten. Aber dafür war auch in allen tiefliegenden Gebieten von Wuppertal und Solingen "Land unter": Unterführungen gesperrt, weil geflutet, das Sonnborner Autobahnkreuz gesperrt.
Eine regionale Umweltkatastrophe, wie wir sie in Solingen noch nie erlebt haben...