1400 Todesopfer

1400 Todesopfer

Katastrophen in Haiti: Widerstand gegen Umweltschäden und US-Imperialismus

Mehr als 1400 Menschen starben bisher bei dem Erdbeben in Haiti vor wenigen Tagen. Es gab bisher 7000 Verletzte und 80.000 Häuser wurden zerstört. Der Tropensturm "Grace" brachte vorgestern starke Regenfälle und weitere Opfer. Das war nicht die erste Katastrophe. Schon am 12. Januar 2010 forderte ein Erdbeben im südlichen Teil Haitis bis zu 316.000 Tote und zerstörte das Zentrum der Hauptstadt. Das war eine Katastrophe von noch ganz anderer Größenordnung.

Von gos
Katastrophen in Haiti: Widerstand gegen Umweltschäden und US-Imperialismus

Neun Monate nach dem Erdbeben 2010 rief die Regierung nach dem Ausbruch von Cholera den Notstand aus – UN-Truppen hatten sie ins Land geschleppt. Mehr als 300.000 Menschen infizierten sich im ersten Jahr der Epidemie, bis 2013 starben über 8000 Menschen. Und schon 2016 war die Region im Süden wieder schwer betroffen von dem Hurrikan Matthew. Auch politisch scheint eine Katastrophe der anderen zu folgen: Militärputsche, gefälschte Wahlen, korrupte Diktatoren gab es fast ununterbrochen bis zur Ermordung des letzten Präsidenten Moise im Juli durch Söldner eines Konkurrenten.

 

In den Medien wird so der Eindruck verbreitet: In Haiti geht die Welt unter. Aber das ist weniger als die halbe Wahrheit.

  • Haitis Bevölkerung hat sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht: 1960 wurden 3.688.000 Einwohner gezählt, 2019 waren es bereits 11.263.000. Das mittlere Alter der Bevölkerung liegt bei 23 Jahren (2017)! 95 % sind kreolisch sprechende Schwarze, Nachfahren der Sklaven aus Afrika. Die Spanier hatten sie im 17.Jahrhundert geholt, um Zuckerplantagen zu bewirtschaften; vorher hatten sie sämtliche indigene Ureinwohner abgeschlachtet. 0,1 % der Bevölkerung sind Weiße und ca. 5 % Leute mit weißen und schwarzen Vorfahren. Die beherrschen die Wirtschaft, - und die hat sich so entwickelt:
  • 2016 lag das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung bei ca. 761 $, das geringste Einkommen in Lateinamerika. Die Inflation liegt bei über 14 %, was den gesetzlichen Mindestlohn von 4,85 € pro Tag - der ab 2017 gilt – ständig schmelzen lässt.
    58,5 % der Bevölkerung lebten unter der relativen Armutsgrenze (Stand 2012). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter haben keine Arbeit. Nach FAO-Angaben von 2010 ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterernährt. Weit über 2 Millionen Haitianer sind in den letzten Jahren geflohen; die meisten in die USA (ca. 1 Million), andere in die Bahamas, die Dominikanische Republik und andere Länder.
  • Das war nicht immer so! 1791 führten die Sklaven einen erfolgreichen Aufstand gegen die französischen Plantagenbesitzer durch. Bald nach der Unabhängigkeit wurden die Großplantagen unter den Sklaven aufgeteilt! Trotz dieser Kleinproduktion produzierte Haiti einen Überschuss von Kaffee, Kakao, Häuten und Blauholz, der erfolgreich exportiert wurde. Dieser Reichtum in „seinem Vorgarten“ lockte den damals jungen US-Imperialismus an. Von 1915 bis 1934 besetzte das United States Marine Corps das Land. Aber schon damals gab es einen starken bewaffneten Widerstand gegen die Besatzungstruppen und die einheimische Hilfspolizei.

 

Warum haben sich Armut und Hunger so dramatisch erhöht – ein Drittel der Fläche Haitis wird doch von Landwirtschaft genutzt? Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen ist das die Verdrängung der bäuerlichen Kleinproduktion durch Importe von subventioniertem US-amerikanischem Reis und Zucker. Die Bauern konnten ihre Produkte nur noch schwer gegen diese Konkurrenz verkaufen, gaben auf und wanderten in die Slums der Städte. Gleichzeitig förderte die US-amerikanischen Entwicklungs“hilfe“ die Gründung von Kaffee- und Mangoplantagen, die ausschließlich für den Export produzierten und an amerikanische Firmen lieferten.

 

Den zweiten Grund für Hunger und Armut nennt Rote Fahne News beispielhaft am 31.10.12: „Bill Clinton, Spezialbeauftragter der UNO für Haiti und US-Außenministerin Hillary Clinton, haben im Norden von Haiti den Grundstein für ein Mega-Projekt gelegt: eine bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche von 243 Hektar soll in einen riesigen Industriepark für das koreanische Textilunternehmen Sae-A Trading und diverse Zulieferer umgewandelt werden. Die Rede ist von der Schaffung von 30.000 bis 100.000 Arbeitsplätzen. Das Projekt bedeutet jedoch vor allem entschädigungslose Vertreibung aller Kleinbauern und Hungerlöhne für die Arbeiter.“

 

Und das sind nicht nur einzelne Unternehmen. Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) Haitis wurde für 2017 auf 8,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Davon gingen 1,11 Milliarden US $ (2016) - hauptsächlich Textilien – in den Export, produziert mit Hungerlöhnen! Da die Importe gleichzeitig 2,95 Milliarden US $ betrugen (2016), ist das Land einseitig von den Vereinigten Staaten abhängig: Es exportiert rund 80 Prozent dorthin und importiert etwa die Hälfte von dort.

 

Deshalb hat US-Präsident Joe Biden eine hochrangige Delegation zu der Beisetzung des ermordete Diktators Moise nach Haiti beordert. Er befürchtet zu Recht den wachsenden Widerstand gegen diese imperialistische Ausplünderung. Nicht nur 2020 gab es Massenproteste gegen den korrupten Moise. 2019 gab es allein drei Generalstreiks, ebenso wie viele Massenaktionen in diesem Jahr und in den Jahren davor. Immer wieder streikten vor allem Textilarbeiterinnen und -arbeiter in den Freihandelszonen für einen höheren Mindestlohn, oft schlossen sich ihnen Lehrer, Krankenhauspersonal und viele andere an.

 

Schon am 7.12.10 meldete sich die Neue Kommunistischen Partei - Marxisten-Leninisten Haitis zur damaligen Wahlfarce energisch zu Wort. Und anlässlich der Einweihung des Lenin-Denkmals in Gelsenkirchen schrieb sie u.a.: „Lenin kann von unseren Klassenfeinden nur als 'Ausgestoßener', 'Unruhestifter' behandelt werden, eben weil er mit der ihm eigenen Kraft und Beständigkeit eine Politik verteidigt hat, die darauf abzielt, das Proletariat und alle unterdrückten Gruppen in eine Macht zu verwandeln, die in der Lage ist, die Herrschaft der Bourgeoisie zu stürzen, in eine unabhängige politische Kraft, die in der Lage ist, die Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse ein für alle Mal abzuschaffen."