Zeitung "Unsere Zeit"

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Wundersame Wandlung der faschistischen Taliban?

In ihrer Zeitung „UZ“ vom 27. August 2021 verbreitet die DKP-Führung in einem Artikel eines gewissen Matin Baraki die Einschätzung, dass die faschistischen Taliban sich völlig gewandelt haben.

Von Dieter Ilius
Wundersame Wandlung der faschistischen Taliban?
Bild vom Protest- und Aktionstag, der vor einigen Tagen in Kara Tepe stattgefunden hat (foto: SI)

In dem Artikel heißt es unter der Überschrift "Taliban wollen Anerkennung": "Die Taliban von heute sind nicht die Taliban von 1996 oder von 2001. ... Die derzeitigen Taliban-Führer haben pakistanische theologische Hochschulen absolviert. Nun wollen die Taliban Afghanistan regieren. Sie wissen, dass auch das Afghanistan von heute nicht das Afghanistan von 1996 ist. Da die fremden Mächte nun weg sind und die korrupte Administration kapituliert hat, besteht die Hoffnung auf ein friedliches Land am Hindukusch."

 

Dass die imperialistischen Besatzer, die Afghanistan 20 Jahre unter ihrer Knute hielten, in Afghanistan ihre größte Niederlage seit dem Vietnam-Krieg einstecken mussten und das Land verlassen mussten, ist natürlich unbedingt zu begrüßen und entspricht dem Willen der Volksmassen in Afghanistan.

 

Die faschistischen Taliban haben jedoch nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in den letzten Monaten und Wochen ihre brutale Unterdrückung von Frauen, von Jugendlichen und von demokratischen Kräften unter Beweis gestellt. Matin Baraki fällt auf die wortreichen Bekenntnisse der Taliban und ihr taktisches Vorgehen herein. Das ist keine Veränderung ihres Wesens. Der UZ-Autor schreibt: "Nun wollen die Taliban Afghanistan regieren. ... Als die Taliban vor einer Woche Kundus eingenommen haben, teilen mir Frauen von dort mit, dass man ihnen nichts angetan habe. ... Die Menschen gehen einkaufen, ohne dass ihnen etwas passiert, wie ich am 16. August direkt aus Kabul erfuhr. ...  Die Taliban haben eine Erklärung veröffentlicht, dass sie (diese) Fachleute brauchen, sie sollen im Land bleiben und beim Aufbau helfen. Wer mit den ausländischen Feinden und Ungläubigen gearbeitet habe, solle dies nur bereuen."

 

Journalisten, u.a. von der tagesschau berichten aus Katar, wo sich eine Verhandlungsdelegation der Taliban seit Monaten aufhält: "Die Taliban haben dazugelernt, zumindest in der Außenkommunikation. Menschenrechte, Frauenrechte - 'dagegen haben wir nichts'. Mädchen dürften zur Schule gehen, Frauen natürlich auch arbeiten. Tatsächlich? Wenige Tage zuvor hatte ein anderer Taliban-Vertreter das deutlich eingeschränkt: Frauen sollten nur in bestimmten Bereichen arbeiten: im Bildungswesen, in Gesundheitsberufen oder in der Verwaltung." Von Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Frauen kann also keine Rede sein.

 

Eine junge Afghanin, die in Hamburg lebt, sagte im Gespräch mit einem Rote-Fahne-News-Korrespondenten: "Für uns Afghanen bedeutet Familie auch Neffen, Nichten usw. – natürlich habe auch ich noch Familie im Land. Sie halten sich alle versteckt, können nicht zur Arbeit gehen. Anfangs sagten die Taliban, Frauen können mit Hidjab (Schleier) zur Arbeit gehen – einige Frauen sind gegangen. Ihnen wurde der Zugang zum Arbeitsplatz verwehrt. 'Erst wenn die Scharia ausgerufen ist, entscheiden wir, ob ihr arbeiten dürft.' So ist es auch mit den Kindern, die unser Verein „Kufa“ unterstützt mit schulischer Bildung, Essen – sie dürfen trotz anderer Aussagen der Taliban nicht in die Schule, Mädchen und Jungs dürfen ab sofort nicht mehr gemeinsam unterrichtet werden und die Lehrkräfte werden ebenfalls geschlechtlich getrennt – ob Frauen weiterhin unterrichten dürfen, ist unklar."

 

Tatsächlich gelang es den Taliban, sich unter einem Teil der Menschen in Afghanistan als Kraft zu profilieren, die sich gegen die imperialistische Besatzung wendet. Sie sind und bleiben aber eine faschistische, islamistisch verbrämte Kraft und nicht umsonst entwickelt sich in Afghanistan selbst Widerstand und in vielen Ländern, darunter in Deutschland. Eine Vertreterin der Frauenorganisation RAWA erklärte am 21. August beim bundesweiten Wahlkampfauftakt der Internationalistische Liste/MLPD in Hannover: "Wir bleiben und kämpfen. ... Wir glauben an den Erfolg und werden mit dem afghanischen Volk gemeinsam kämpfen. Wir bitten alle Menschen in Deutschland, unseren revolutionären Kampf zu unterstützen."

 

Die DKP-Führung fällt dagegen dem Widerstand fortschrittlicher und revolutionärer Kräfte gegen die faschistischen Taliban in den Rücken. Einen möglichen Grund nennt der Autor des Artikels selbst: "China will die Südroute seiner 'Seidenstraße' durch Afghanistan ziehen". Sowohl das neuimperialistische Russland unter Putin als auch das sozialimperialistische China, wirtschaftlich bereits erste Supermacht, versuchen, das Desaster der NATO zur Ausweitung ihres Einflusses in Afghanistan und der Region zu nutzen. Sie haben deshalb den Taliban Duldung und Unterstützung zugesagt. China ist inzwischen der größte Investor in Afghanistan.

 

Die Irrungen und Wirrungen der DKP-Führung unterstreichen, wie wichtig es ist, dass sich Demokraten, Friedenskämpfer, Internationalisten darüber klar werden, dass man sich konsequent gegen alle Imperialisten, seien es alte oder neue, östliche oder westliche, wenden muss. "Es gibt keinen anderen Weg als die Selbstbefreiung der Völker, als Teil des weltweiten Kampfes zur Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Als Mitglied der revolutionären Weltorganisation ICOR (Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen) gilt diesem Befreiungskampf gerade am Antikriegstag unsere Solidarität", so die MLPD in ihrem Aufruf zum Antikriegstag.