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Internationale Automobilausstellung (IAA): Skandalöse Vorbeugehaft gegen Umweltaktivisten

Am 7. September hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Internationale Automobilausstellung in München, „IAA Mobility“ eröffnet. Trotz des Versuchs des Verbands der Autoindustrie (VdA), der ganzen Veranstaltung ein grünes Mäntelchen umzuhängen, wird die IAA von Beginn an bis zum Ende am 12.9. von breiten Protesten von Umweltschützern begleitet.

Von Gerd Pfisterer
Internationale Automobilausstellung (IAA): Skandalöse Vorbeugehaft gegen Umweltaktivisten
Wegen dieser Proteste gingen bayerische Polizei und Justiz brachial gegen Demonstranten vor

Bayerische Polizei geht mit aller Härte gegen die Proteste vor

Bereits vor der Eröffnung am Dienstag seilten sich Klimaaktivisten von mindestens sechs Autobahnbrücken im Umkreis von München ab und befestigten Transparente gegen die IAA. Es kam zu stundenlangen Staus auf den Autobahnen. Solche Aktionen sind sicherlich spektakulär und erregen öffentliche Aufmerksamkeit. Um aber wirksame Sofortmaßnahmen zum Umweltschutz durchzusetzen und als Schule für einen gesellschaftsverändernden Umweltkampf zu nutzen, sind breite Massenkämpfe mit den Arbeiterinnen und Arbeitern als Rückgrat notwendig.

 

Doch die bayerische Polizei und Justiz sind offensichtlich von der Bundes- und der Landesregierung ausgerichtet, mit aller Härte gegen Proteste gegen die IAA vorzugehen. Bei ihrem Vorgehen wendet sie ausdrücklich das wie in allen Bundesländern verschärfte Polizeigesetz an. Neun Aktivisten der Autobahnblockierer wurden bis Sonntag in „Präventationshaft“ genommen . Diese Vorbeugehaft geschieht nicht aufgrund einer begangenen Straftat, sondern allein aufgrund der behaupteten Vermutung, es könnte eine begangen werden. Gegen andere Demonstranten wurden „präventivpolizeiliche Maßnahmen“, wie beispielsweise Betretungsverbote für den gesamten Veranstaltungsbereich der IAA Mobility 2021, ausgesprochen. Vier wurden sogar mit dem Vorwurf der Nötigung und schweren Eingriffs in den Straßenverkehr in U-Haft genommen. Den Betroffenen droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren!

 

Am Mittwoch Abend hat die Polizei 30 Klimaaktivisten auf dem Weg von dem Klimacamp auf der Theresienwiese in die Stadt willkürlich 1,5 Stunden eingekesselt, am Weitergehen gehindert und die Personalien aufgenommen. Dieses brutale Vorgehen der Polizei und Justiz ist Ausdruck der Rechtsentwicklung und Faschisierung des Staatsapparates und zeigt, wozu die Polizeigesetz in allen Ländern verschärft wurden: zur Niederhaltung von Massenkämpfen der Arbeiterinnen und Arbeiter und breiten Massen. Die MLPD verurteilt entschieden das Vorgehen der bayerischen Polizei und Justiz, fordert die sofortige Freilassung aller inhaftierten Umweltaktivisten, Einstellung der Verfahren und erklärt sich uneingeschränkt solidarisch!

Applaus der Automonopole für Merkel

Bei ihrem letzten Auftritt als Bundeskanzlerin wurde Angela Merkel mit Applaus der versammelten Größen der deutschen Autokonzerne begrüßt. Die wissen, was sie an ihr hatten: Milliardensubventionen in der letzten und jetzigen Weltwirtschafts- und Finanzkrise, erfolgreiche Verhinderung höherer Abgasnormen in Brüssel und nicht zuletzt die schützende Hand beim kriminellen Abgasbetrug und bei der Vertuschung und Verschleppung der Aufklärung. Das ist schon ein "Dankeschön für 16 Jahre" von BMW-Chef Oliver Zipse wert. 16 Jahre, die auch durch eine besonders ausgeprägte Dienstleister-Rolle gegenüber den Automonopolen geprägt war, denen zu jeder Zeit die Türen im Kanzleramt offen standen. Sie knüpfte dabei nahtlos an Kanzler Gerhard Schröder (SPD), an.

Weltweit Rekordgewinne der Autokonzerne

Nach Berechnungen des Beratungsunternehmens Ernst&Young (EY) haben die 16 größten Autokonzerne der Welt im ersten Halbjahr 2021 mit 71,5 Mrd. Euro mehr Gewinne eingefahren als vor der 2018 ausgebrochenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise! Trotz Corona! Davon landeten allein 30,3 Mrd. Euro in den Kassen von BMW, Daimler und VW! Das, obwohl der weltweite Pkw-Absatz und auch die Firmenumsätze im Schnitt nach wie vor unter dem Vor-Krisen-Niveau lagen. So wurden im ersten Halbjahr 2021 mit 33,5 Millionen mehr Fahrzeuge verkauft als 2020, aber immer noch elf Prozent weniger als in der ersten Hälfte des Jahres 2019.

 

Die Steigerung des Gewinns der Autokonzerne ist das Ergebnis nicht in erster Linie von mehr verkauften Autos, sondern eines Bündels verschiedener Faktoren:Verschärfte Ausbeutung in den Betrieben, staatliche Subventionen, Spekulationsgewinne oder Gewinne durch Verkauf von Verschmutzungsrechten.

 

Dazu gehören die bereits vor der Weltwirtschaftskrise aufgelegten Maßnahmen zur Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze – allein bei Daimler sollen es 30.000 werden-, Senkung von Lohnbestandteilen und Verschärfung der Ausbeutung. Diese Maßnahmen wurden mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie nochmals stark verschärft. Zehntausende Leiharbeiter wurden gekündigt, Zusagen in sogenannten "Zukunftsverträgen“ gebrochen, die Arbeitszeit weiter flexibilisiert usw. 2020 kündigte Daimler allein in Düsseldorf 1300 Leiharbeitern, bei VW in Hannover sollen 35 Prozent der 14.000 Arbeitsplätze vernichtet werden. Dies sind nur wenige konkrete Beispiele.

 

Wesentlich sind auch Milliarden"hilfen" durch offene und versteckte Subventionen des Staates. Allein die durch den Staat erleichterte Einführung von Kurzarbeit hat Daimler 2020 700 Mio. Euro eingebracht!

 

Ein weiterer Faktor ist die Konzentration der Autokonzerne auf teure Premium-Fahrzeuge, mit denen mehr Gewinne erzielt werden können. Durch die langen Lieferzeiten konnten die Vorstände auch die Autos teurer verkaufen. Ein weiterer Faktor der Gewinnsteigerung hat mit der unmittelbaren Autoproduktion nichts zu tun, sondern ist das Ergebnis von Spekulation. Tesla hat 2020 bei dem Verkauf von Autos sogar Verluste gemacht. Sein Gewinn von 613 Mio. Euro resultiert aus dem Verkauf von CO2-Verschmutzungsrechten an andere Autokonzerne für 1,36 Mrd. Euro! Börsenspekulation mit Verschmutzungsrechten – das ist die Umweltpolitik der Regierung und Monopole.

Greenwashing-Messe

Anstatt reiner Autoshow will der Verband der Automobilindustrie (VdA) jetzt eine „Mobilitäts- und Diskussionsplattform mit Ausstellung, Kongress und Veranstaltungen in der Stadt“ veranstalten. Doch die Präsentation von E-Fahrrädern neben fast ausschließlich E-Autos macht aus einem durch den kriminellen Abgasbetrug ramponierten Saulus noch lange keinen grün gewaschenen Paulus. Während auf der IAA fast nur E-Autos zu sehen sind, produzieren die Autokonzerne nach wie rund 90 Prozent Autos mit Verbrennermotoren. Daimler plant sogar neue Verbrenner-Motorenwerke für Hybridfahrzeuge! Der geplante Ausstieg aus der Produktion von Verbrennermotoren geschieht nicht, weil die Autokonzerne plötzlich zu Umweltschützern geworden sind. Das ist eine Reaktion auf das gewachsene Umweltbewusstsein der Massen, auch der Automobilarbeiter. Vor allem aber zwingt der Konkurrenzkampf u.a. mit chinesischen Autokonzernen auf dem weltgrößten Automarkt zur Umstellung. Folge ist eine Strukturkrise in der Autoindustrie mit massiver Vernichtung hunderttausender Arbeitsplätze. Die von der MLPD vertretene Losung „Für Arbeitsplätze und Umweltschutz, für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich“ findet wachsende Zustimmung unter den Automobilarbeitern.

 

Die größten Profite machen Daimler, BMW, Audi und die anderen Konzerne mit Premium-Marken, tonnenschweren SUVs. Auch wenn die elektrisch angetrieben werden, ist das eine Verschwendung von Ressourcen und hat nichts mit Umweltschutz zu tun! Das Greenwashing ist nichts anderes als imperialistischer Ökologismus. Diese gewissenlosen Umweltverbrecher richten die Erde zugrunde, wenn man sie ihnen nicht aus der Hand nimmt!

Für eine wirkliche Wende in der Verkehrspolitik!

Die zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen um alternative Antriebssysteme lenkt davon ab, dass darin nicht die Lösung liegt. Eine wirkliche Wende in der Verkehrspolitik liegt in einer komplett neuen Struktur des Verkehrs, angetrieben mit regenerativ erzeugter Energie.

Das beinhaltet unter anderem:

 

  • Statt Ausbau Einschränkung des Individualverkehrs, vorrangiger Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs und Ausbau der Fahrradwege!
  • Verlagerung des Güterverkehrs auf Schienen und Wasserwege.

 

Solche Forderungen können und müssen erkämpft werden, stoßen aber in ihr Summe an die Grenzen des profitgetriebenen Kapitalismus. Deshalb muss dieser Kampf damit verbunden werden, die Kräfte für eine gesellschaftsverändernde Bewegung zu erweitern und zu sammeln! Die MLPD tritt für den echten Sozialismus ein, in dem die Einheit von Mensch und  Natur gesellschaftliche Leitlinie ist. MLPD und Wählerinitiativen der Internationalistischen Liste/MLPD beteiligen sich an der Großdemonstration am 11.9. und mobilisieren dazu,